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Bömer, Aloys [Hrsg.]; Degering, Hermann [Gefeierte Pers.]
Mittelalterliche Handschriften: palaeographische, kunsthistorische, literarische und bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen ; Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering ; mit 1 Farbentaf. und 16 Taf. in Lichtdr. — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.44802#0139

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MABILLONS MUSTERBIBLIOTHEK
VON ALFRED HESSEL, GÖTTINGEN

SO oft neue Bibliothekstypen im Entstehen begriffen sind, pflegen die beteiligten
Kreise für sie Schemata zu entwerfen, in der Absicht, der Praxis die Wege zu ebnen.
Das beobachten wir heutzutage im Bereiche der Volksbüchereien1). Und gleiches
läßt sich trotz lückenhafter Überlieferung auch für frühere Zeiten feststellen. So
zeichnete während des hohen Mittelalters der Kanzler der Kirche von Amiens,
Richard von Fournival, in seiner Byblionomia betitelten Allegorie das Idealbild
einer scholastischen Büchersammlung2). So stellte im Zeitalter der Frührenaissance
Tommaso Parentucelli, der spätere Papst Nikolaus V., für Cosimo de’ Medici einen
Bibliothekskanon auf, welcher dann auch einer Reihe von Sammlungen, wie der
von S. Marco zu Florenz und der von Urbino, als Vorbild gedient haben soll3). Ein
viertes, in der bibliotheksgeschichtlichen Literatur bisher noch weniger beachtetes
Beispiel gehört dem ausgehenden siebzehnten Jahrhundert an. Mit ihm soll sich
dieser kleine Beitrag zu unserer Festschrift beschäftigen.
Daß die Angehörigen der französischen Kongregation von Saint-Maur den alten
Eifer der Benediktiner für die Studien wieder aufleben ließen, daß sie vor allem
der historischen Forschung ihre Aufmerksamkeit schenkten, darf hier wohl als
bekannt vorausgesetzt werden. Dabei wurden sie durch Einrichten einer groß-
artigen Handschriften- und Bücherzentrale zu Saint-Germain-des-Pres in Paris4)
Mitbegründer der modernen wissenschaftlichen Gebrauchsbibliothek. Ihre Be-
mühungen beschränkten sich aber nicht auf diese Sammlung an der Hauptarbeits-
stätte; mit ähnlichem Eifer sorgten sie auch für die Büchereien der andern ihrer
Kongregation angeschlossenen Klöster. Bei einer Zusammenkunft des Jahres 1653
ordneten die Vorstände die Herstellung eines „Catalogus librorum nonnullorum“
an, „quibus bibliothecae monasteriorum congregationis s. Mauri instrui poterunt“.
Das Verzeichnis ging dann an die einzelnen Ordenshäuser, wurde mit dem dort
vorhandenen Büchervorrat verglichen; und es besteht Grund zur Annahme, daß
nun auch nach Möglichkeit eine Ergänzung der festgestellten Lücken erfolgte5).
*) Vgl. z. B. die im Katalog der Berliner Stadtbibliothek X, 1912, 98 angeführten Arbeiten.
2) Vgl. Delisle: Cabinet des Mss., II, 1874, 518.
3) Vgl. v. Pastor: Geschichte der Päpste I7, 1925, 387; Voigt: Wiederbelebung des klassischen Alter-
tums I3, 1893, 406; den Kanon abgedruckt bei Sforza: Papa Niccolö V., 1884, 359.
*) Vgl. Franklin: Anciennes bibliotheques de Paris I, 1867, 109; Delisle 1. c. 44; Vanel: Necrologe
de la congregation de St.-Maur 1896, 384.
5) Vgl. Denis in der Revue Mabillon VI, 1910/11, 437.
 
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