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Beilage zum Diözesan-Archiv von Schwaben — 1891

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https://doi.org/10.11588/diglit.20709#0013
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erläge;um Wöpssn-Archrv

von Schwaben.

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Dr. Geiger in Tübingen und die gute Betha in Reute.

„Evangelischer" Ritt und Ausflug irr das „katholische" Oberschwabeu.
Zum Nachdenken vorurteilsloser Protestanten und zur Aufklärung zweifelsnchtiger Katholiken
geschildert von einer», der auch einmal zehn Jahre lang an einem evangelischen Wagen ziehen mußte.

(Fortsetzung.)


, Geiger ist nach der klaren, ein allgemeines Krankenbild
^sterischer Individuen, aber nicht speziell ans die gute Betha
^gewandter schildernder Darstellung seiner Auktoritäten Char-
^ und Jolly über den wahren Charakter der Visionen und
^undergeschichten im Leben der guten Betha nicht mehr im
Zweifel. Er verzichtet auf die Erkärung der ekstatischen Er-
lweiirungen vom übernatürlichen Standpunkt, wie sie Schürer in
ftev Schrift (S. 79—84) gebracht hat, näher einzugehen,
verzichten aber nicht, selbst auf die Annahme hin,
r- Geiger und seine Gläubigen keineswegs zu überzeugen,
unsere Ueberzengung von der über das Naturgesetz hinaus-
vchenden, also nicht auf Hysterie beruhenden Ekstase und
,/re mannigfaltigen Erscheinungen ausznsprechen.
b Wir unterscheiden eine natürliche und eine übernatürliche
Ekstase. Die erstere hat ihren Grund in körperlichen Dispo-
Zwnen und Vorgängen, durch welche die Thätigkeit des Cerebral-

!^EMs zurückgedrängt, dagegen die des Gangliensystems er-
wird. Dadurch verliert die Seele die Medien der regel-

m

^digen Sinneswahrnehmung und ebenso die Mittel, die körper-
Uchen Organe willkürlich zu bewegen, und an die Stelle der-
lelben tritt einerseits der Geineinsinn und die Phantasie, an-
drerseits die Jnstinktthätigkeit, wir leugnen somit ciud) nicht,
die natürliche Ekstase bei den Hysterischen vorkommt. Anders

^ h^lt es sich mit der übernatürlichen Ekstase. Sie hat ihren
Uuk nicht in der Hysterie und kann ihn in ihr nicht haben,
^ ? sie ist keine Ohnmacht des Willens, die Leidenschaften,
übe'- ^iebe des sensiblen Lebens zu zügeln. Daß es eine
uen^f-^liche Ekstase giebt, wird man zum voraus nicht leug-
scku founen/ so lange man nicht bloß an den neuesten For-
hält? Resultaten der Physiolgie und Pathologie fest-
tes ' pudern noch an die Existenz eines überweltlichen Got-
derw .^^t ^ Zeugnis der Schrift und der Kirche nicht

b'rsck ' ' übernatürliche Ekstase mit ihren mannigfaltigen
jh'^ungsformen beruht nicht auf einem Naturgesetz, hat
in Orund nicht in Störungen des Cerebralsystems, nicht

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^ßefp1 ^stbrie, sondern im göttlichen Wille», der das ganze
selbe» «-E huschen so umspannt, daß er jeder Kraft beö-

Wohlgefallen sich bedienen kann. Daher vermag
Huckwrd" N^sichen, ohne zuerst die Herren Charkot, Jolly,
wöge, .. Geiger und andere, wie sie nur immer heißen

, ^kstcis

Isiase ^ ^^ubnis fragen zu müsse», in den Zustand der
^ versetzen wann er will und wie er will und wo er
Äei,s^!.° 'st nicht notwendig,

iS?**

daß dazu vorher von dem
- .. oder in ihm irgend eine weitere Disposition vvr-

s ist alfn wirkende Ursache der übernatürlichen Ekstase

^. mittt» . * .""d zwar entweder unmittelbar oder durch Ve?-

; Mittlu/ ^'erirdischer heiliger Wesen oder aber auch durch Ver-
- wirk»,, ^ Irdischen, mit welchem die überirdische Gnaden-
ä unzertrennbar verbunden ist. Wenn es Gott ist, welcher

die übernatürliche Ekstase herbeiführt, so kann es auch nur
sei» Wille feilt, der sie aufzuheben vermag. Daher die merk-
würdige Erscheinung, daß der einfache, selbst nur innerliche
Befehl des kirchlichen Obern genügt, die ekstatische Person,
während sie der Sinneswahrnehmung entrückt ist, während auch
das gewaltsamste Verfahren gegen ihren Körper von ihr nicht
empfunden wird, aus der Verzückung zurückzubringeu, ohne
daß irgend ein anderer Rapport zwischen beiden Teilen her-
gestellt würde. Die Dauer der übernatürlichen Ekstase kann
auch nicht, weil von Gott ausgehend, von einer bestimmten
Zeitperiode, wie bei Unterbrechungen des Fiebers, bei hyste-
rischen Anfällen u. s. w. abhängig sein, sondern richtet sich
nach der Bestimmung des göttlichen Willens, dem die Ent-
scheidung des Eintritts wie des Endes der 'Ekstase zusteht.

Man hat, sagt Bonniot in seinem oben citierten Buche,
in der letzten Zeit viel und nicht ohne Leidenschaft von der
Hysterie und dem Mystizismus gesprochen. Die Aerzte — es
sei mit allem ihrem Berufe und ihrem Charakter schuldigen
Respekt gesagt — sind im allgemeinen sehr unwissend in Be-
zug auf religiöse Dinge; selbst ihre philosophischen Kenntnisse
sind nicht immer auf der Höhe ihres medizinischen Wissens.
Sie verwechseln gerne mit den Krankheiten des Nervensystems
gewisse außerordentliche Zustände, wie sie das Leben der Hei-
ligen in zahlreichen Beispielen zeigt. Es ist einleuchtend, daß
ihre Halbkompeteuz bei solchem Gegenstand verdächtig macht
unb sie, was sie auch sagen tnögen, aller Auktorität beraubt.
Wir wären nicht klug, wollten wir ihnen aufs Wort glauben.
Wenn die medizinischen' Auktoritäten heutigen Tags die Ek-
statischen unter die Hysterischen zählen, so ist das eine wider-
rechtliche Besitzergreifung, und die Meinung, welche den Vor-
wand dafür bildet, ist vom religiösen Gesichtspunkt aus sehr-
gefährlich. Unserer Ansicht nach liegt dieser Art die Dinge zu
betrachten und zu beurteilen in Wahrheit nichts anderes zu
Grunde als der Geist des Unglaubens, der auf den Gebieten
der Wissenschaft in so beklagenswerter und wenig wissenschaft-
licher Weise vorherrscht. Denn man kann es sich nicht anders
erklären, wenn gelehrte Männer ernstlich gemeinte Schluß-
folgerungen auf die oberflächlichsten Beobachtungen gründen.
Die Ekstase der mystischen Personen — wir sprechen hier nur
von jenen, welche die Kirche approbiert hat — ist eine inner-
liche und äußerliche. Mit anderen Worten: sie geht im In-
nern der Seele vor und ist von gewissen Wirkungen begleitet,
deren Gegenstand der Leib ist, von sinnlich wahrnehmbaren
Erscheinungen. Gerade wegen dieser äußerlichen Wirkungen
nun ohne Beachtung des Vorgangs im Innern, der Seele, die
von größter Wichtigkeit ist, verwechselt man die übernatürliche
Ekstase mit den hysterischen Anfällen. Der plötzliche Eintritt
der Ekstase hat aber keine Aehnlichkeit mit den Anfällen, mit
den Krämpfen der Hysterischen; denen natürliche Zeichen vor-
 
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