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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 2.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.1195#0367
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347

keit konnte ihn über den Aufwand von Zeit, Mühe und Kosten
hinwegsehn lassen, der allein dazu erforderlich ist, um solche
Menge von Material in solcher Auswahl und Güte zusammen-
zubringen. Der Autor mussle leer ausgehn, damit der Ver-
leger nur seine Rechnung fand, und das Angefangene fortgesetzt
werden konnte. Zu den Hindernissen, die in der geringen
Aufmunterung liegen, welche ähnlichen Privat-Unternehmungen
in Deutschland zu Theil wird, leider müssen wir hinzusetzen,
weil es Deutsche Arbeit ist, die keine ausländische Firma er-
borgen will, kam endlich noch die Katastrophe von 1848 hinzu,
die auch diesem Werk mitten in seinem Fortgang ein Ende
zu machen drohte. Der frühere Verleger, Buchhändler H. Hoff
in Manheim, bei dem etwa 50 von den im Ganzen beabsich-
tigten 70 Lieferungen erschienen waren, wurde selbst von dem
Wirbelwind ergriffen, der alles Bestehende zu vernichten drohte,
und musste endlich in Amerika sein Heil suchen. Glücklicher-
weise fand sich ein solider Erwerber dieses Verlagsartikels, indem
die Schmerbersche Buchhandlung in Frankfurt a.'M. solchen an
sich brachte, und so ist nun nach einiger Unterbrechung die voll-
ständige Fortsetzung und Beendigung, wie die neuesten Hefte
zeigen, ohne Beschränkung in der bisherigen Einrichtung und
Ausstattung, gesichert.

Das Ganze, wie es zum grössten Theil schon jetzt vorliegt,
ist für das echte Kostüm des christlichen Zeitalters von den
ersten Jahrhunderten ab, bis gegen Ende des XVI. die reichste
und sicherste Fundgrube, und wenn Deutschland auch hier mit
Recht in den Vorgrund gestellt ist, so sind doch aus Italien,
Frankreich und England, besonders seitdem sich die National-
trachten mehr von einander unterscheiden, viele Proben gegeben.
Die Quelle, aus der geschöpft worden, sind überall die gleich-
zeitigen Kunstwerke und alten Ueberreste selbst, und diese sind,
mit wenigen Ausnahmen, hier zum erstenmal abgebildet, ent-
weder vollständig oder in ihren in Bezug auf die Kleidung in-
teressantesten Theilen, oft mit vergrößerter Wiederholung oder
besondrer Darstellung einzelner Stücke zur Erleichterung des
Verständnisses, und zwar, was dieses Werk selbst vor den
besten des Auslands voraus hat, mit aller der Wahrheit und
Treue, welche in solchem Maasse nur vor der deutschen Kunst
zu erreichen ist. Dadurch wird es, abgesehn von seinem Werth
für den Archäologen und Künstler, selbst für den Theaterde-
korateur und Ornamentisten, so wie für den Fabrikanten lind
Kunsthandwerker brauchbar. Die Tafeln sind gestochen und
zwar sämmtlich von einer und derselben Hand. Der Kupfer-
stich bringt durch seine Schärfe und Bestimmtheit eine grosse
Deutlichkeit des Einzelnen hervor, besonders wenn die Schal-
tirung nur das Runde der Formen angiebt und so bescheiden
und leicht gehalten ist, als hier. Der Stecher C. Regnier hat
sich, wie die Vergleich™» der späteren mit den früheren Heften
zeigt, in Freiheit und Weiche des Grabstichels sichtlich vervoll-
kommnet. Seine Stiche sehen in dem bräunlichen Abdruck wie
saubre Stiflzeichnungen aus und geben, so weit es sich auf
diesem Wege thun lässt, den Charakter der Originale mit aller
Treue wieder, ohne gerade Facsimiles derselben zu sein, was
bei ihrer so verschiedenen Technik überhaupt unmöglich ge-
wesen sein würde1). Die Uebermalung bringt die kolorirten

1) Das dieser Kammer beigefügte Probeblatt, welches für eine der
nächsten Lieferungen des Hcfner'schen Werkes bestimmt ist, wird von der
künstlerischen Behandlung einen deutlicheren Begriff geben. Es ist das Bild
eines deutschen Frauenzimmers in der schönen Tracht um die Mitte des
XVI. Jahrhunderts und weniger ansprechenden Musterbildern älteren Styls
für den gegenwärtigen Zweck vorgezogen worden. Eine alte Origiuaizeiok-
nung dieses Blattes ist in dem grossherzogl. Museum zu Darmstadt und rührt
wahrscheinlich von Daniel Lindtmayer aus Schafhausen her, der viel für
Glasmalereien gezeichnet hat.

Exemplare den Originalen noch näher und zeigt, dass die Kunst-
fertigkeit der alten Illuministen noch nicht ausgestorben ist. Sie
lässt alles, was der Buntdruck liefern kann, hinter sich, ohne
theurer zu sein als dieser. Betrachtet man die Mühsamkeit der
Illumination mancher Blätter nach Miniaturen, besonders in der
ersten Abtheilung, und die dazu verbrauchten theuren Gold-
und Piatinafarben (letztere statt des mit der Zeit schwärz wer-
denden Silbers), so wird man finden, dass der Preis eines Hefts
der kolorirten Ausgabe von 4| Thlr., der für das Blatt durch-
schnittlich etwa 20 Sgr. mehr als für den schwarzen Abdruck
beträgt, bei solchen Blättern kaum die Auslagen deckt und
ohne die Ausgleichung durch einfachere andere nicht würde
möglich gewesen sein. Bei der schwarzen Ausgabe ist der
Preis von £ Thlr. für die Lieferung1) aber ein so geringer,
dass bei dem allmähligen Erscheinen in der That wenig Mittel
zur Anschaffung erforderlich sind, zumal da der Besitzer durch
die genaue Angabe der Farben im Text sogar in den Stand ge-
setzt wird, wenn er die Fähigkeit dazu hat, sein Exemplar
selbst zu koloriren. Dessen ungeachtet und trotz der Anerken-
nung,.die das Werk im In- und Auslande bei allen Sachkun-
digen gefunden hat, ist es selbst bei uns nur wenig be-
kannt und in wenigen Händen. Ein erstes treuliches Wort dar-
über hat Kugler schon im Stuttgv Kunstblatt 1843 No. 78 und
79 gesprochen, als erst wenig Lieferungen davon erschienen
waren. In England hat es.die brit. archäologische Gesellschaft
in. ihrem Journal 1845 nach Verdienst gewürdigt, in Frankreich
ist es noch neuerlich in P. Lacroix Moyen-Age et Renaissance
benutzt und das daraus Erborgte unredlicher Weise als aus der
ersten Quelle geschöpft angegeben worden. Die erste Abthei-
lung, welche 18 Lieferungen enthalten wird, ist, obgleich sie
ein halbes Jahrtausend umfasst, der Zahl nach die schwächste,
theils weil das Kostüm damals noch einfacher, gleichförmiger
und weniger Veränderungen unterworfen war, theils weil die
Kunstdenkmale seltener sind. Letztere bestehen für diese Abr-
theilung meist in alten Handschriften von biblischen oder litur-
gischen, oder Legenden-, Gesetz- und andern Büchern, oft
Prachtgeschehken an Kaiser und Fürsten oder von diesen an
Kirchen und mit ihren Bildnissiiguren geschmückt, daher uns
hier longobardische Könige, viele deutsche Kaiser und andere
namhafte Personen begegnen. Um von der Mannigfaltigkeit der
benutzten Handschriften und ihrer Fundorte einen Begriff zu
geben, nennen wir unter vielen nur ein Psalterium in Stutt-
gart, ein Evangelienbuch Otto's III. in Aachen, S. Audoinars Le-
ben in S. Omer, eine Bibel zu S. Calisto in Rom,, alle aus
Jahrh. X., die Leges Longob. in Salern und die Bamberg. Hand-
schriften aus Heinrichs II. Zeit (XL), den Codex S. Willebrods
in Gotha, das Rentbuch Graf Sigbots in München, ein-Marty-
rölogium in Stuttgart (XII.), die Pandekten in Metz (XIII.), den
Manessischen Codex, der zwar dem XIV. angehört, aber mit-
unter auf ältere Vorbilder hinweist. Ausser den ritterlichen,
geistlichen und anderen Trachtenfiguren werden auch einzelne
Insignien, Kleidungs- und Waffenstücke gegeben, alle nach
den vorhandenen Originalen selbst gezeichnet. So enthält Tafel
63 mehrere Exemplare. des merkwürdigen Fundes einer grossen
Menge "von Helmen und anderen Waffentheilen, die 1841 in einer
Zisterne der Festung Chalcis in Euböa entdeckt wurden und aus
der Zeit der lateinischen Eroberung Konstantinopels herzurüh-
ren scheinen. Die für Plastik und Kostüm, für Genealogie und
Heraldik gleich wichtige Klasse der Grabdenkmale aus Bronze
und Stein ist in dieser Periode zwar weniger zahlreich als in

1) Bei Bonnard kostet die Lieferung von 4 Blatt 4 Franken oder 1 Tha-
ler 2 Sgr., also, auf G Blatt berechnet, mehr als dreimal so viel wie bei
Hefner.
 
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