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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 2.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.1195#0425
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403.

Detailbildung. Da der Architekt in der Gesammtanlage den
Formen römischer Bauweise gefolgt war, so hätte man erwarten
sollen, dass er auch im Ornament dem einmal gewählten Form-
prinzip treu bleiben würde. Ja, wir hätten ihm verziehen, wenn
er nur Copieen alter Vorbilder gebracht hätte, weil wir uns
gesagt haben wurden, dass das Selbsterfinden nun einmal nicht
Jedermanns Sache sei. Statt dessen sind wir zugleich über-
rascht und betrübt, in der ganzen Ornamentation des Gebäudes,
von den Kandelabern des Vorplatzes, den Karyatiden des Con-
certsaales und den Kronleuchtern des Inneren bis zu den Ba-
lustraden, Gesimsen und ähnlichen Gliedern Nichts als den aus-
schweifendsten Rococo-Ungeschmacfc anzutreffen. Was würde
unser wackrer Johann Georg Müller zu solchen Erscheinungen
sagen, wenn schon die Münchener Feldherrnhalle ihm die tief
empfundene Klage auspresste, dass die „ fürstlichsten Gelegen-
heiten, des Vaterlandes Kunst emporzurichten, ungenutzt an
uns vorübergleiten la Wofür hat denn unsre, Zeit seit Winckel-
mann so viel hingebenden, Hebevollen Fleiss darauf verwandt,
in der Kunst wieder das Wahre und Äechte vom Falschen, Er-
logenen unterscheiden zu lernen; wofür hat die Forschung sich
in die ganze Kulturgeschichte der Vergangenheit vertieft, wenn
es noch jetzt möglich ist, dass ein Kunstwerk von so hervor-
ragender Stellung zu seiner Ausschmückung die Formen einer
Zeit entlehnt, die vor dem: geläuterten Bewusstsein der Gegen-
wart als unnatürliche, verschnörkelte Ausschweifungen einer
libidinösen Phantasie erscheinen! Schlimm genug, dass solche
Missformen in dem Mobiliar unserer Wohnungen, den Tischler-
arbeilen, Porzellanfabrikaten und andern dahin gehörigen Zwei-
gen der Kunstgewerbe sich wieder eingeschlichen haben: aus
Monumenten grösserer Bedeutung sollte man sie doch fern halten.
Denn unsre Wohn- oder vielmehr Mietshäuser sind für ephe-
mere Zwecke gebaut und werden mit ihren Erbauern wieder
verschwinden: aber ein Bauwerk wie das in Rede stehende ist
für Jahrhunderte berechnet und wird späten Geschlechtern noch
als Denkmal der Sittengeschichte unsrer Tage erscheinen. Und
wenn wir nun auch wissen, dass es nicht der königl. Ober-
Hofbaurath Lawes, der Haupt-Baumeister des Theaters und
Erfinder des Planes, ist, dem man diese störenden Ornamente
zuschreiben inuss, sondern dass dieselben dem Hofbaumeister
Molthan ihre Enstehung verdanken: so wird doch die Kunst-
geschichte dereinst, des letzteren Namens vergessend, die mo-
ralische Urheberschaft des gesammten Baues an den Namen
Lawes knüpfen. XSruno.

Landschafts-Studien von Mas Schmidt.

Der Dampf, der jetzt Welttheüe verbindet, Stunden zu Mi-
nuten zusammenzwingt und die Verhältnisse neugestaltete, be-
rührte auch die Kunst.

Die Gewohnheit der Künstler, Italien als das Endziel ihrer
Studienreisen zu betrachten, hat in den letzten Jahren, vor-
nehmlich bei den Landschaftsmalern, bedeutend abgenommen.
" Abgesehn von den Weltumsegiern und Grönlandsfahrern, die in
neuester Zeit erstanden sind, hat sich unter ihnen der Trieb
auch noch nach anderer als nur italischer Sonne immer mehr
verbreitet.

Sowohl der hohe Norden mit seiner düsteren gigantischen
Natur — die Gebirge Schwedens und Norwegens — wie der
tiefere Süden mit seinen Wüsten und Steppen — der Orient im
weitesten Sinne — wurde in letzterer Zeit von deutschen Künst-
lern mannigfach ausgebeutet.

Zu den hiesigen Landschaftsmalern, die den Orient be-
reisten, gehört Max Schmidt. Ein langdauernder Aufenthalt

in Unterägypten, Syrien, Palästina u. s. w. füllte seine Mappen
mit zahlreichen Studien, denen wir bereits manches schätzbare
Bild verdanken. Einmal näher vertraut geworden mit den viel-
fachen Schönheiten und Eigentümlichkeiten dieser südlichen
Natur, zog es ihn auch in diesem Jahre dorthin. Zum Ziel
dieser Reise bestimmte er die Jonischen Inseln: auf Cephalonia,
Ithaka und Corfu suchte der Künstler nach neuem Stoff für seine
heimathliche Thätigkeit.

Dass er denselben in hinreichendem Maasse gefunden, be-
kundet die Fülle der Studien, die er von dort mit zurück-
brachte^

Unter diesen, ausschliesslich der landschaftlichen Natur ab-
gewonnenen Skizzen, behaupten die auf den beiden letztgenann-
ten Inseln gefertigten, sowohl der Anzahl wie dem Inhalte nach,
den Vorrang.

Ithaka, das Reich des Odysseus, fesselte den Künstler zu-
nächst. Nicht die zweifelhaften Trümmer aus jener grauen Vor-
zeit, in die uns das unsterbliche Werk des griechischen Epikers
so mächtig hineinzieht, beschäftigten ihn. '■— Die Natur war es
auch hier allein, die ihn. zur Thätigkeit begeisterte, denn sie
ist und bleibt das einzige ewig bestehende^ sich stets neu er-
zeugende Denkmal, während über sie hinweg die Zeit, im ge-
waltigen Fluge davoneilend, die Werke der Menschen scho-
nungslos vernichtet, — und so erblicken wir denn hier als die
stummen Zeugen jenes Heldenalters noch dieselben Felsen, das-
selbe Meer ■— jene Natur — die einst der Dichter besang und
mit seinen Gestalten, belebte; ■ .

"Wissen wir es dem Künstler Dank, dass er grade diesen
Theil von Griechenland zu neuen Studien erwählte, indem der-
selbe nicht nur an und für sich malerisch ist, als er auch zu-
gleich mit dem gefeiertsten Werke der griechischen Poesie im
innigen Zusammenhange erscheint. Dass diese doppelte Absicht
den Skizzen; mit zum Grunde liegt, geht aus ihnen selbst deut-
lich hervor, indem unter ihnen besonders die landschaftlichen
Punkte, an die das homerische Epos erinnert, mit besonderer
Vorliebe behandelt sind.

Unter denen auf Ithaka gefertigten Studien heben wir vor-
zugsweise die Darstellungen hervor, auf denen der Beschauer
das Meer und die vom Dichter näher bezeichneten Berge deut-
lich erblickt: der Fels,'welcher einst die Akropole von Ithaka
trug und ferner der Rabenfelsen oder Korakon Petra, in dessen
Nähe „am heiligen Quell Arethusa" die Heerden des Odysseus
weideten. Von nicht geringem Interesse sind die verschiedenen
Aussichten auf den, von Homer') so anschaulich geschilderten
Hafen:

„Eine Bucht ist Forlcys geweiht, dem Greise des Meeres,

Gegen der Ilhäker Stadt; und zwo vorragende Spitzen

Laufen mit zackigem Fels, zur Mündung der Bucht sich senkend:

Diese hemmen die Fluth, die der Sturm Iautbrauscnd heranwälzt,

Draussen zurück; :.-... . ; , . . . .;..-.

Aber am Haupte der Bucht grünt weitum schattend ein, Oelbaum.'

Eine Grotte zunächst voll lieblich dämmernder Anmulh

Ist den Nimfen geweiht, die man Najaden benennet . . n. s. f."

Auch das Gebirge „Neriton, finster von Waldung", so wie
der Hafen Rheitron und viele andere Darstellungen von allge-
meinerem Interesse erfreuen Sinn und Herz bei Betrachtung
dieser Skizzen. ' * ■ ■ ~ .

Zu gleicher Thätigkeit bestimmte den Künstler die Insel
Corfu. Sie, wohin die Phantasie so gern das glückliche Reich
des weise gebietenden Alkinoos verlegt, bot hiernach ähnliche
Anknüpfpunkte für die Wahl der Gegenstände wie Ithaka.

Scheria, das gesegnete Land der „Meerdurchfurchenden"

1) Odyss. XIII. W.
 
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