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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 2.1851

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https://doi.org/10.11588/diglit.1195#0472
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Männern gleicher Neigungen und Beschäftigungen, mit den ersten Ge-
schichtsforschern , Münzkundigen, Kunstfreunden, Sammlern und Händ-
lern, mit den Bibliotheken, Bibliothekaren und Antiquaren aller Länder
in persönliche oder briefliche Verbindung gebracht. UeberaH galt er als
höchst ehrenwerther Genosse, als gewichtiger Kenner, entscheidender
Beurtheiler; von überallher kamen ihm Anfragen, Mittheilungen, Zweifel
zur Begutachtung, Aufforderung, Anerbieten zu schriftstellerischer Mit-
wirkung, zu Kauf, Prüfung, Beschreibung von Kunstsachen, und wurde
seine persönliche Bekanntschaft und die seiner Sammlungen gesucht.

So fand er, zumal mit seinem von Jugend auf hierin geübten
Scharfblick, Andern gewöhnlich unzugängliche oder höchst seltene Ge-
legenheit, seine Besitztümer durch Kauf und Tausch zu mehren. Kein
Verzeichniss irgend einer bedeutenden Kunst-, Münzen-, Bücher-,
Handschriften-Sammlung, die irgendwo in Europa zum Verkaufe kam,
entging ihm; jedes erhielt er durch seine Freunde oder die Verkäufer;
zu jeder solchen Versteigerung gab er für sich oder ihn darum ersu-
chende Sammler namhafte Bestellungen; von allen bedeutenderen Ge-
genständen hierbei erfuhr er die Veräusserungspreise, die Käufer, und
so blieb er stets gleichsam mit deren Lebensgeschichte, mit dem Stande,
der Bewegung des europäischen Marktes der Kunst und Bücherei, ih-
rer Allerthümer und Seltenheiten vertraut.

..Dadurch gelang ihm gar oft, das Ausgezeichnetste, dem Andere
vergeblich oder mit grossem Aufwände nachgingen, für sich zu mas-
sigem Preise zu erwerben, und es war eine seiner Eigenthümlichkeiten,
dass er, so zugänglich und freigebig sons't mit seiner geistigen Habe,
dergleichen Beschaffungen in aller Stille mit sorglichster Verschlossen-
heit betrieb, dann aber, wenn sie ihm geglückt waren, seine Freude
darüber kund gab mit einer Selbstzufriedenheit, die wohl die einzige,
sehr verzeihliche Eitelkeit in ihm war.

Allerdings rühmte er sich mit Stolz — so viel seinem Gemüthe
solcher möglich — seiner Sammlung von Holzschnitten und Kupfer-
stichen — Gemälde besass er wenige — von Cranach und Dürer, als
der an Zahl der Blätter vollständigsten und an Güte und Schönheit
derselben ausgewähltesten, wie kaum eine zweite bestellt, nicht ge-
rechnet die reichen Folgen von andern Meistern.

Ihre Berühmtheit und ihr "Werlh lässt sich auch für den Nicht-
kenner bemessen nach den Versuchen, welche Schorn zu Berlin für
deren Erwerh zur Ergänzung und Bereicherung der königlicheu Kunst-
anstalten allda machte. Eigens mehrmal deshalb nach Bamberg kom-
mend^ bot er ihm nur allein für seine Dürer 12,000 Thlr., ünd-als
Heller dem dringlichsten Kaufverlangen zu entgehen hoffte durch die
Erklärung, er könne sich von diesen seinen Lieblingen sein Leben
lang nicht trennen, versprach Schorn ihm gegen Verkauf ihres Eigen-
tums für ähnliche Summe und eine starke lebenslängliche Rente die
Belassung der Blätter in seinem Besitze bis an seinen Tod. Allein auch
darauf ging Heller nicht ein, ohne indess den eigentlichen Grund,
weshalb er selbst das letzte seinen Lebensgenuss volh sichernde Aner-
bieten ausschlug, seinen Freunden mitzutheilen; erst nach seinem Hin-
scheiden sollte dieser sich offenbaren, ein Zeugniss mehr seiner edlen
Denkweise.

Neben jenen Perlen fanden von andern berühmten Meistern, be-
sonders der deutschen Schule, ausgezeichnete Blätter hier ihre Stelle,
und eine sehr schöne Sammlung von Gouache-Malerei aus der ältesten
bis auf die neueste Zeit verband sich mit den besten und kostbarsten
Werken über Kunst und ihre Geschichte, vorzüglich über Baukunst,
Kirchenbauten, Dome, so wie mit einer erlesenen Reihenfolge alter
Drucke, Bibeln und ähnlicher literarischer Seltenheiten. Ganz beson-
dere Sorgfalt widmete er seiner fränkischen Sammlung. Sie bestand
in Holzschnitten, Radirungen und Kupferstichen, in Bildnissen, Mün-
zen und dahin gehörigen, wie auch geschichtlichen und ortsbeschrei-
benden Druckschriften, zeitweise geordnet, und gedieh zu solcher Voll-
ständigkeit, dass kaum irgend etwas Bedeutendes fehlt. Sie stellte
sich in bewundernswerther Ordnung und Nettigkeit der Aufstellung
dar, nach äusserst lehrreichen, grösstenteils gedruckten Verzeichnis-
sen, worunter von besonderer Bedeutung das „Verzeichniss von Bam-
bergischen topographisch - historischen Abbildungen in Holzschnitt,
Kupferstich etc. Bamberg 1841 * ist.

Das gewöhnliche Leben Heller's Hess den fremden Beobachter die

reiche Ausstattung und Rührigkeit seines inneren Lebens nicht ahnen.
Anspruchlosigkeit, Einfachheit, zuweilen bis zum Gränzpunkt der Ver-
nachlässigung, war Grundzug seines Wesens, zugleich a*ber auch ru-
hige Hinnahme alles Guten und Schönen, behagliche Empfänglichkeit
für jede edlere geistige Bestrebung und stilles Wohlwollen für seine
näheren Umgebungen.

Er eilte dem Fluge des Zeitgeistes nicht voran, aber er blieb auch;
nicht hinter ihm; er schritt wohlbemessen mit ihm fort.

Schien er zuweilen nach Jahreszeit oder Laune nur in seiner Nei-
gung für die freie Natur oder in hindämmerndem Nichtsthun sich zu
ergehen, so war er doch hierbei stets in bester, bildsamer Gesell-
schaft. Sein Kleidermacher war angewiesen, in Sommer- und Win-
terrock und Mantel so viele und so grosse Taschen als nur möglich
anzubringen,.und wenn ihm solch ein neues Kleid — ein seltenes Er-
eigniss — gebracht wurde, sah er zuerst und nur darauf, ob es auch
jene für seine Begleiter erforderlichen grossen Räume besitze. Denn
in allen Taschen führte er stets, und überall Bücher, Zeitschriften, die
neueste Literatur seiner Fächer, und Papier und Bleistift mit sich, um
bei jeder Lesung Auszüge und Bemerkungen machen zu können. Da-
her denn auch seine ausserordentliche Belesenheit, seine genaue Kennt-
niss aller schriftstellerischen Erzeugnisse, seine Fülle an kostbarstem
Material in dem Bereiche seiner Studien.

Selbst wenn er äusserlich aller Arbeit sich entschlagen hatte, so-
gar in der Weinstube und an der Wirthstafel, blieb er mit seinen
Taschen freunden in Verkehr, und sein scheinbares Herumschlendern in
Wald und Feld, auf Grabhügeln und Burgtrümmern oder in Strassen,
Gebäuden und Kirchen lieferte ihm reichlichen Stoff für seine geschicht-
lichen und ortsbeschreibenden Abhandlungen.

Wurde er bei derlei Wanderungen in seinem manchmal mehr als
einfachen Anzüge von einein neugierigen Fremden als dienstwillige Aus-
kunftsperson angesehen, so erhöhte solche Verwechselung sein Ver-
gnügen ungemein. So erging er sich eines Tages im Bamberger Dome,
dessen umfassende Geschichte und Beschreibung sein liebstes Vorneh-
men war, sein letztes Werk sein sollte, und betrachtete die gewaltigen
Steinmassen in ihrer wundersam leichten Fügung und Gestaltung; da
näherte sich ihm ein Fremder mit dem Ersuchen, ihn in den weiten
Hallen herumzuführen. Heller that das, und beantwortete dabei die
immer häufigeren Fragen über alles Sehenswürdige, oft mit Widerle-
gung, Berichtigung der Meinung des Fremden, stets inHaitung und.
Sprache, welche diesen in der Annahme, er habe einen guten Frem-
denführer gefunden, bestärkte. Dies zu benutzen forderte er ihn auf,
ihm noch andere Merkwürdigkeiten zu zeigen, und Heller, an der irr-
thümlichen Vermuthuug des Fremden sich ergötzend, brachte ihn auf
den Michaelsberg und erklärte ihm von da Stadt und Gegend. Der
Fremde fand daran grosses Wohlgefallen und fragte, oh eine Beschrei- >
bting und von wem zuhaben sei. Heller nannte seine'eigene; der
Fremde entgegnete, von dem berühmten Heller und seinen Schätzen
hahe er schon viel gehört, er wünsche persönliche Bekanntschaft zu
machen, er möge ihm doch dazu verhelfen. Nun zog Heller übersieh
selbst, seine Sammlungen und Schriften gewaltig los, versicherte sei-
nem Gefährten, es sei an allen miteinander nicht viel, es lohne sich
nicht der Mühe, sie aufzusuchen, auch sei Heller sehr selten zu Hause
zu finden, ziehe fast immer auswärts herum, und trotz aller Gegen-
sprache des redseligen Fremden, der sich des Geschmähten lebhaft an-
nahm, blieb Heller bei seinem wegwerfenden Urtheil über sich selbst.
Der Fremde verzichtete endlich auf seinen Wunsch, den }iBerühmten"
kennen zu lernen, und wollte nun seinen Cicerone mit gebührlicher
Belohnung abdanken. Darüber gab es neuen Streit; Heller verweigerte
natürlich die Annahme des zugedachten Geldes, der Fremde wollte es
dem nicht eben allzureichlich damit begabt scheinenden Führer auf-
dringen, bis dieser endlich dadurch loskam, dass er sich selbst für
einen halben Kunstliebhaber erklärte; nun bestand der Andere darauf,
mindestens ein Glas Wein mit ihm in seinem Gasthof zu trinken; das
nahm Heller an, allein als jener ihm das deutsche Haus nannte, be-
redete er, hier eine Erkennungsscene fürchtend, den Fremden, mit.ihm
in die viel nähere Weinschenke zur Eule zu gehen; das geschah, aber
alsbald war Heller verschwunden; er hatte heimlich seinen Wein be-
zahlt und sich durch eine Seitenthür davongeschlichen. (Schluss folgt.)
 
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