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Gemälde, die Kreuzigung, in allen Fällen für den Altar einer
christlichen Kirche der passendste Gegenstand. — Ich erwähne
hier auch die unter dem Bilde angebrachte Stelle der. Schrift:
„Christus hat unsere Sünde selbs geopfert an seinem Leibe
uf dem Holtze, uf dass wir der Sünden abgestorben
sein und der Gerechtigkeit leben."
und oben darüber:
„Christus hat uns erlöset von dem Fluche des Gesetzes da
er ward ein Fluch für uns."
Die schöne lebensvolle Composition erinnert in der Hauptan-
ordnung an ältere Vorbilder, während in der Ausführuug das
rein malerische Element überwiegt, wie es sich auch von einem
Antwerpener Maler, der mit an den Bildern des Tintoretto ge-
holfen hatte, kaum anders erwarten lässt. " v
Christus am Kreuz, in der Mitte des Bildes, ist einfach und
ergreifend gedacht und die beiden Schacher : rechts und links
sind scharf und gross charakterisirt; im Vordergrunde die ohn-
mächtige Maria, von ihren Freundinnen und dem Johannes um-
geben; am Stamme des Kreuzes Magdalena, niedergeknieet;
noch eitel und reich gekleidet; sie scheint zum ersten Male von
Reue und Schmerz ergriffen. — Sehr gelungen ist die Gruppe
der Kriegsknechte, welche sich um den Mantel des Heilandes
zanken, und interessant das in der Ferne heimkehrende Volk,
unter dem die geistlichen und weltlichen Obern zu Ross be-
merkbar;.— sehr schön scbliesst im Hintergrunde die Stadt
Jerusalem das Bild, und in der Luft links ist die hereinbre-
chende Finsterniss glücklich und malerisch angedeutet.
Alles ist mit bewundernswerlher Leichtigkeit behandelt,
und zeigt den gewandten Techniker, von dem seine Zeitgenos-
sen rühmen, dass er in gleicher Zeit so viel wie 14 andere
Meister beschafft habe. Die Farbe ist klar, hell und frisch, auf
Kreidegrund wie aus dem Pinsel geflossen, doch im Eindruck
des Ganzen oft ohne Harmonie, was ich einer neueren Restau-
ration und dabei angewandten zu bunten Lasuren zuschreiben
muss. —
Die Zeichnung ist entschieden manirirt, die Verhältnisse
der menschlichen Figur fast immer zu lang, und die Extremi-
täten zu klein. Die Gewandung ist flüchtig und nicht immer
verständig durchgeführt. — Der Ausdruck der Köpfe und Bewe-
gungen der Hände lebendig, doch nicht immer innig empfunden.
Die Aussenseiten der Altarflügel sind wohl ohne Zweifel
ebenfalls Werke des Vos. — Auf dem linken sehen wir den
Engel der Maria die himmlische Botschaft bringen; die Dar-
stellung ist einfach gehalten, "und erinnert an die oft wiederholte
van Eyksche Composition dieses Gegenstandes. Der rechte
Flügel zeigt uns die Geburt Christi. Hier ist die Maria beson-
ders schön, innig und würdig gedacht und ebenso trefflich voll-
endet; — Engel und Hirten.beten das Kind an, und zeichnen
sich durch schöne im Halbdunkel gemalle Köpfe aus. Im Hin-
tergründe sind prächtige Ruinen angebracht, welche an das
-Colosseum und die römischen Triumpfbögen erinnern..
Wenden wir uns nun vom Altare zn den ihm zunächst be-
findlichen Bildern, welche — wohl zu beachten — auf die vor
dem Altar zu begehenden kirchlichen Functionen, auf die bei-
den Sacramente und ihre Einsetzung-hinweisen, so finden
wir im Stuhle zur. Rechten, die Taufe1) Christi im Jordan, an
dem zur Linken das Abendmahl abgebildet. Letzteres .Gemälde
gehört zu den besten der Kirche, ist vortrefflich erhalten, frei-
lich nur klein, aber äusserst geistreich gemacht, lebendig und
charakteristisch componirt und in Farbe von seltener Kraft und
Schönheit, vor der sich Paul Veroncse selbst nicht geschämt
haben, würde.
Darüber sehen wir ebenfalls trefflich gemalt das alttesfa-
mentliphe Vorbild des Heilandes, die eherne Schlange im La-
ger der Israeliten *). —
In dem darauf folgenden Stuhle bezeichnen mehrere klei-
nere, sehr zierlich gemalte Bilder den Eintritt der Sünde in
die Welt und die darauf folgende Vertreibung aus dem Para-
diese; 4 kleinere, in der Ausführung schwache, welche sich
an der Aussenseite befinden, weisen bedeutsam auf die von
Christo in seiner Kirche gewirkte und immerfort zu Recht be-
stehende Sünden-Vergebung hin.
i. Nathan und David mit der Unterschrift. Nathan spricht
zu David: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen".
2. Christus spricht zu Maria Magdalena: „Dir seint deine
Sünden vergeben". '
3. Christus spricht zu seinen Jüngern: „Welchen Ihr die
Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen Ihr die
Sünden behaltet, denen sind sie behalten."
4. Petrus spricht zudem Hauptmann Cornelius: „Von Christo
zeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an
ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollen."
Im folgenden Stuhle ein grösseres Bild: wie Christus die
Kinder herzt und segnet; eine liebliche Darstellung, schön an-
geordnet, voll schöner Motive, ausdruckvoller Köpfe und brillant
gemalt. Hier ist der Hintergrund besonders schön und bekun-
det den Mart. d. Vos, welcher auf den Bildern des Tintoretto
so schöne landschaftliche und architektonische Hintergründe an-
brachte. Dazu folgende Bibelstellen: ,
„Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht,
denn solcher ist das Reich Gottes.."
„Wer nicht das Reich Gottes empfahet als ein Kißdlein, der wird
nicht hineinkommen."
„Sehet zu, dass ihr niemand von den Kleinen verachtet, denn
ich sage Euch, ihre Engel sehen alle Zeit das Angesicht meines Va-
ters im Himmel.".
Oben darüber im Halbrund ein allerliebstes Bild, welches
den Herzog Wilhelm junior von seinen Kindern umgeben dar-
stellt, denen er ernst aus der Bibel vorredet. Die Kinder, .10
an der Zahl, von jeder Grösse, in verschiedenen andächtigen
Stellungen, das jüngste noch im Kinderstuhl, sind gar hübsch
anzusehen und hören dem ernsten Vater andächtig zu; — welch
ein schönes Bild aus schöner Zeit! — Wohl werth mit beson-
derer Sorgfalt in Kupfer oder Steindruck vervielfältigt und weit
und breit bekannt zu werden — — besonders bei uns Hanno-
veranern, denen es einen rührenden Zug aus der Geschichte
unseres Fürstenhauses aufbewahrt hall —■ Dazu gehört noch
die Inschrift: die ich Dir heute gebiete, sollt Du
zu Herzen nehmen und sollt sie deinen Kindern
schärpfen. -.:- •■
Diese Darstellung gleicht in der Malerei ganz den übrigen
Bildern und macht deshalb wahrscheinlich, dass Martin de
Vos selbst nach Celle gekommen und dort diese Werke ge-
malt habe. .— Es ist zu vermuthen, dass Herzog Wilhelm, viel-
leicht vom Tintoretto berathen, den Vos in Italien, in Venedig
kennen gelernt und ihn dort für seine Kirche engagirt habe. —
Es müssen ausserdem Baumeister und Maler, auch ausländische,
wahrscheinlich italienische Bildhauer damals in Celle gearbeitet
haben, wie die vielen Sculpturen dieser Capelle, aber noch
1) Bei der Taufe sind Jesaia 61, 1. und Johannes 1, 33. angeführt
1) Als Unterschrift die Bibelstelle Johannes 3, 14—15.: „Und wie Moses
in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muss des Menschen Sohn er-
höhet werden, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben", und 1 Corinther 10.: „Lasst uns aber
auch Christum nicht versuchen, wie etliche von jenen ihn versuchten, und
wurden von den Schlangen umgebracht."
Gemälde, die Kreuzigung, in allen Fällen für den Altar einer
christlichen Kirche der passendste Gegenstand. — Ich erwähne
hier auch die unter dem Bilde angebrachte Stelle der. Schrift:
„Christus hat unsere Sünde selbs geopfert an seinem Leibe
uf dem Holtze, uf dass wir der Sünden abgestorben
sein und der Gerechtigkeit leben."
und oben darüber:
„Christus hat uns erlöset von dem Fluche des Gesetzes da
er ward ein Fluch für uns."
Die schöne lebensvolle Composition erinnert in der Hauptan-
ordnung an ältere Vorbilder, während in der Ausführuug das
rein malerische Element überwiegt, wie es sich auch von einem
Antwerpener Maler, der mit an den Bildern des Tintoretto ge-
holfen hatte, kaum anders erwarten lässt. " v
Christus am Kreuz, in der Mitte des Bildes, ist einfach und
ergreifend gedacht und die beiden Schacher : rechts und links
sind scharf und gross charakterisirt; im Vordergrunde die ohn-
mächtige Maria, von ihren Freundinnen und dem Johannes um-
geben; am Stamme des Kreuzes Magdalena, niedergeknieet;
noch eitel und reich gekleidet; sie scheint zum ersten Male von
Reue und Schmerz ergriffen. — Sehr gelungen ist die Gruppe
der Kriegsknechte, welche sich um den Mantel des Heilandes
zanken, und interessant das in der Ferne heimkehrende Volk,
unter dem die geistlichen und weltlichen Obern zu Ross be-
merkbar;.— sehr schön scbliesst im Hintergrunde die Stadt
Jerusalem das Bild, und in der Luft links ist die hereinbre-
chende Finsterniss glücklich und malerisch angedeutet.
Alles ist mit bewundernswerlher Leichtigkeit behandelt,
und zeigt den gewandten Techniker, von dem seine Zeitgenos-
sen rühmen, dass er in gleicher Zeit so viel wie 14 andere
Meister beschafft habe. Die Farbe ist klar, hell und frisch, auf
Kreidegrund wie aus dem Pinsel geflossen, doch im Eindruck
des Ganzen oft ohne Harmonie, was ich einer neueren Restau-
ration und dabei angewandten zu bunten Lasuren zuschreiben
muss. —
Die Zeichnung ist entschieden manirirt, die Verhältnisse
der menschlichen Figur fast immer zu lang, und die Extremi-
täten zu klein. Die Gewandung ist flüchtig und nicht immer
verständig durchgeführt. — Der Ausdruck der Köpfe und Bewe-
gungen der Hände lebendig, doch nicht immer innig empfunden.
Die Aussenseiten der Altarflügel sind wohl ohne Zweifel
ebenfalls Werke des Vos. — Auf dem linken sehen wir den
Engel der Maria die himmlische Botschaft bringen; die Dar-
stellung ist einfach gehalten, "und erinnert an die oft wiederholte
van Eyksche Composition dieses Gegenstandes. Der rechte
Flügel zeigt uns die Geburt Christi. Hier ist die Maria beson-
ders schön, innig und würdig gedacht und ebenso trefflich voll-
endet; — Engel und Hirten.beten das Kind an, und zeichnen
sich durch schöne im Halbdunkel gemalle Köpfe aus. Im Hin-
tergründe sind prächtige Ruinen angebracht, welche an das
-Colosseum und die römischen Triumpfbögen erinnern..
Wenden wir uns nun vom Altare zn den ihm zunächst be-
findlichen Bildern, welche — wohl zu beachten — auf die vor
dem Altar zu begehenden kirchlichen Functionen, auf die bei-
den Sacramente und ihre Einsetzung-hinweisen, so finden
wir im Stuhle zur. Rechten, die Taufe1) Christi im Jordan, an
dem zur Linken das Abendmahl abgebildet. Letzteres .Gemälde
gehört zu den besten der Kirche, ist vortrefflich erhalten, frei-
lich nur klein, aber äusserst geistreich gemacht, lebendig und
charakteristisch componirt und in Farbe von seltener Kraft und
Schönheit, vor der sich Paul Veroncse selbst nicht geschämt
haben, würde.
Darüber sehen wir ebenfalls trefflich gemalt das alttesfa-
mentliphe Vorbild des Heilandes, die eherne Schlange im La-
ger der Israeliten *). —
In dem darauf folgenden Stuhle bezeichnen mehrere klei-
nere, sehr zierlich gemalte Bilder den Eintritt der Sünde in
die Welt und die darauf folgende Vertreibung aus dem Para-
diese; 4 kleinere, in der Ausführung schwache, welche sich
an der Aussenseite befinden, weisen bedeutsam auf die von
Christo in seiner Kirche gewirkte und immerfort zu Recht be-
stehende Sünden-Vergebung hin.
i. Nathan und David mit der Unterschrift. Nathan spricht
zu David: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen".
2. Christus spricht zu Maria Magdalena: „Dir seint deine
Sünden vergeben". '
3. Christus spricht zu seinen Jüngern: „Welchen Ihr die
Sünden erlasset, denen sind sie erlassen, und welchen Ihr die
Sünden behaltet, denen sind sie behalten."
4. Petrus spricht zudem Hauptmann Cornelius: „Von Christo
zeugen alle Propheten, dass durch seinen Namen alle, die an
ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollen."
Im folgenden Stuhle ein grösseres Bild: wie Christus die
Kinder herzt und segnet; eine liebliche Darstellung, schön an-
geordnet, voll schöner Motive, ausdruckvoller Köpfe und brillant
gemalt. Hier ist der Hintergrund besonders schön und bekun-
det den Mart. d. Vos, welcher auf den Bildern des Tintoretto
so schöne landschaftliche und architektonische Hintergründe an-
brachte. Dazu folgende Bibelstellen: ,
„Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht,
denn solcher ist das Reich Gottes.."
„Wer nicht das Reich Gottes empfahet als ein Kißdlein, der wird
nicht hineinkommen."
„Sehet zu, dass ihr niemand von den Kleinen verachtet, denn
ich sage Euch, ihre Engel sehen alle Zeit das Angesicht meines Va-
ters im Himmel.".
Oben darüber im Halbrund ein allerliebstes Bild, welches
den Herzog Wilhelm junior von seinen Kindern umgeben dar-
stellt, denen er ernst aus der Bibel vorredet. Die Kinder, .10
an der Zahl, von jeder Grösse, in verschiedenen andächtigen
Stellungen, das jüngste noch im Kinderstuhl, sind gar hübsch
anzusehen und hören dem ernsten Vater andächtig zu; — welch
ein schönes Bild aus schöner Zeit! — Wohl werth mit beson-
derer Sorgfalt in Kupfer oder Steindruck vervielfältigt und weit
und breit bekannt zu werden — — besonders bei uns Hanno-
veranern, denen es einen rührenden Zug aus der Geschichte
unseres Fürstenhauses aufbewahrt hall —■ Dazu gehört noch
die Inschrift: die ich Dir heute gebiete, sollt Du
zu Herzen nehmen und sollt sie deinen Kindern
schärpfen. -.:- •■
Diese Darstellung gleicht in der Malerei ganz den übrigen
Bildern und macht deshalb wahrscheinlich, dass Martin de
Vos selbst nach Celle gekommen und dort diese Werke ge-
malt habe. .— Es ist zu vermuthen, dass Herzog Wilhelm, viel-
leicht vom Tintoretto berathen, den Vos in Italien, in Venedig
kennen gelernt und ihn dort für seine Kirche engagirt habe. —
Es müssen ausserdem Baumeister und Maler, auch ausländische,
wahrscheinlich italienische Bildhauer damals in Celle gearbeitet
haben, wie die vielen Sculpturen dieser Capelle, aber noch
1) Bei der Taufe sind Jesaia 61, 1. und Johannes 1, 33. angeführt
1) Als Unterschrift die Bibelstelle Johannes 3, 14—15.: „Und wie Moses
in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muss des Menschen Sohn er-
höhet werden, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden,
sondern das ewige Leben haben", und 1 Corinther 10.: „Lasst uns aber
auch Christum nicht versuchen, wie etliche von jenen ihn versuchten, und
wurden von den Schlangen umgebracht."