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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 4.1853

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https://doi.org/10.11588/diglit.1197#0245
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Dmtfdjfs

Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

üunftblatt

Organ

der deutschen Kunstvereine.

Unter Mitwirkung von' "

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase
in Berlin — Förster in München — Eitelberger V. Edelberg in Wien

herausgegeben von I>r. F. Eggers in Berlin.

4? 27.'

Sonnabend, den 2. Juli.

1853.

Snbalt: Der silberne Tafelaufsatz von Albert Wagner in Berlin. W. Lübke. — Sgrafflto in Schlesien. Dr. Sammler. — Gemälde der alt-deut-
schen Schulen in Spanien. (Schlnss.) J. D. Passavant. — Kunstliteratur. Der Dom zu Drontheim und die mittelalterliche christliche Baukunst
der scandinavischen Normannen. Von A. v. Minutoli. (Schluss.) W. Lübke. — Zeitung. Berlin. Amsterdam. — Kunstvereine. Der Kunstverein
in Danzig.

Beiblatt. Letzte Erklärung auf des Kunsthändler Hrn. Linck Gegenerklärung. Dr. W. Ackermann. — Bücher- und Zeitschriftenschau —
Bekanntmachungen und literarische Anzeigen. ■?

Der silberne Tafelaufsatz von Albert Wagner in Berlin,

im Besitz Sr. laj. des Königs von Freussen.

Wer hätte nicht in fürstlichen Prunkgemächern, in den
Silberkammern deutscher Residenzen die reichen Arbeiten der
Goldschmiedekunst aus der Renaissance-Periode bewundernd
betrachtet, einer Zeit, die in ihrem prachtliebenden Lebensge-
nuss eine Fülle derartiger Schöpfungen hervorrief, und die für
jedes ihrer zahllosen Luxusbedürfnisse eine entsprechend glän-
zende Art der Befriedigung heischte! So barock und fantastisch
ausschweifend immer die Kunstformen sein mochten, mittelst
deren jenem Verlangen genügt wurde, dennoch spiegelt sich in
jenen Werken so vollständig der Charakter ihrer Zeit in sei-
ner ganzen, etwas üppigen, aber graziösen Liebenswürdigkeit,
seinem überquellenden Lebensgefühl, seiner imponirenden Fülle
von Daseinslust, seiner chevaleresken Feinheit der Erscheinung,
dass man sehr einseitig und pedantisch sein muss, um nicht
mit einer Art von Genugtuung den Zauber, jener Gesammt-
Eigenthümlichkeiten zu empfinden.

Treten wir nun an die Schaufenster der heutigen Juweliere
oder durchmustern wir die Abbildungen, welche das „Art-Jour-
nal" von den betreffenden Gegenständen der Ausstellungen zu
London und Dublin gebrächt hat, so fällt der Vergleich mit je-
nen älteren Werken im Allgemeinen zum Nachtheil der moder-
nen aus. So sehr sie die Darstellungsweise und Formbildung
jener Rococozeit nachahmen, so wenig gelingt es ihnen, die
geistreiche Freiheit, die üppige Lebendigkeit, die anmuthige
Naivetät derselben zu erreichen. Es geht den Arbeiten dieser
Art damit gerade, wie überhaupt unsern gegenwärtigen Moden
in Kleidung, Frisur und Geräthen, dass nämlich überall die
nüchtern praktische Richtung der Gegenwart, im Conflikt mit
dem überschwellenden Lebensfond jenes Styles, die heutige
Anwendung desselben zu einer gewissen Verkümmerung zwingt,
die, da sie im Widerspruch mit dem Grundwesen solcher Rich-
tung steht, dem nachahmenden Werke einen fröstelnden, nüch-
ternen Anhauch verleiht. Dazu kommt noch etwas Anderes.

IV. Jahrgang.

Für jene Zeit war die Art der Formbildung, in der sie ihren
Lebensinhalt ausprach, etwas Nothwendiggs, geschichtlich Ge-
wordenes: es war Naivetät darin. Für unsere Zeit aber, der
die Welt der antiken Kunst erschlossen liegt, deren Bew.usst-
sein an diesen reinsten und edelsten Vorbildern sich geläutert
haben sollte, ist das Zurückkehren zu der Darstellungsweise
der Rococoperiode etwas Willkürliches, Gemachtes, durch Re-
flektion Forcirtes. Für die Goldschmiedekunst, wie für manche
andre Techniken kommt noch als Verschlimmerung der Um-
stand hinzu, dass die fabrikmässige Präge-Arbeit das Terrain
der freien, künstlerischen Hand-Arbeit zum Nachlheil idealer
Produktion mehr und mehr beeinträchligt.

. Um so erfreulicher ist es, auf diesem Gebiet einem Werke
zu begegnen, das in so würdiger Weise sich von den meisten
seiner mitgebornen unterscheidet, das in seiner Gesammlform
wie in der Durchbildung des Einzelnen überall den feinen, acht
künstlerischen Geist bekundet, der die Schlacken willkürlich
phantastischer Ungebühr und Excentricität an dem Strahlenfeuer
ächter Kunst von sich ausgeschieden hat und nur Edles, Rei-
nes bietet. Diese Stellung müssen wir dem Wagner'schen Ta-
felaufsatze vindiciren. Das Werk wurde von dem talentvollen
j jungen Meister und akademischen Künstler in neun Monaten
i vollendet und 1851 zur grossen Welt-Industrie-Ausstellung nach
London geschickt. Damals besprachen wir es im Deutschen
Kunstblatt (Jahrg. 1851. S. 155) und versuchten eine Beschrei-
; bung desselben und eine Darlegung seiner Verdienste. Da die
' Redaktion sich heute in den Stand gesetzt sieht, eine Abbil-
\ düng beizulegen, so dürfen wir uns eine abermalige Detailschil-
derung . ersparen. Nur auf die Grundidee mit einigen erläu-
ternden Worten zurückzukommen, sei uns verstaltet.

Das Werk, in Form einer Schale auf hohem Untersatz ru-
hend und etwa 4j- Fuss hoch, stellt den Entwickelungsgang der
Bildungsgeschichte des Menschengeschlechts dar. Unten auf dem
Fuss vergegenwärtigen die sitzenden Figuren eines Hirten, Fi-
schers und Jägers die früheste Form menschlicher Beschäfti-
gung. Ueber ihnen tragen drei stehende weibliche Figuren
Blumen, Aehren und Baumfrüchte als Erzeugnisse einer schon

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