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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 4.1853

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https://doi.org/10.11588/diglit.1197#0457
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Zeitung

für bildende Kunst und Baukunst.

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Organ

der deutschen Kunstvereine.

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — Passavant in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaase
in Berlin — Förster in München — Eitelberger V. Edelberg in Wien

herausgegeben von Dr. P. Eggers in Berlin.

M 49.

Sonnabend, den 3. December.

1853.

Snhalt: Die neue Pinakothek in München. E. Förster. (Schluss.) — Physiognomie der Münchner Ausstellung 1853. 0. v. Schorn. — Mitthei-
iungen aus Rom. Ernst aus'm Weertli. IV. — KrmstliteratUr. Aesthetische Fragen von Dr. J. Frauenstädt. A. G. — Christus und die
Kunst von Dr. Albert Peip. Anton Gubitz. — Zeitung. Berlin. — Kunstvereine. Verzeichniss der Ankäufe von Gemälden u. s. w. aus den
Mitteln des Kunstvereins zu Leipzig auf der Ausstellung von 1853. — Anzeige.

Die neue Pinakothek in München.

Von Dr. Ernst Förster.

(Schluss.)

Wir treten nun in den sechsten Saal, der für die grie-
chischen Landschaften von Rottmann gebaut worden.
Die Bilder sind auf Mauergrund (in Wachs - und Oelfarben)
gemalt und in die Wand eingelassen; sie sind durch Oberlicht
beleuchtet, der Beschauer wird aber nicht davon getroffen, in-
dem er unter einem von Säulen getragenen Baldachin stellt,
der den ganzen Saal mit dem Abstand von etwa acht Fuss von
der Mauer einnimmt. Die Lichtwirkung, allerdings künstlich
hervorgebracht, wenigstens gesteigert, ist ganz überraschend,
so dass man manche Bilder, zumal beim Eintritt, für Transpa-
rent-Gemälde halten möchte. Das Ungewöhnliche und Künst-
liche dieser architektonischen Anordnung hat manchen Gegner
gefunden; und doch beruht es auf dem Prinzip der ganz ge-
wöhnlichen und ganz natürlichen Bewegung, die man, um ein
Gemälde deutlich zu sehen, macht, indem man das Auge mit
der Hand vom einfallenden Lieble abschliesst. Freilich erhalten
bei dem tieferen Sonnnenstand im Winterhalbjahr die Bilder
an der West- und der Nordwand in den Vormittagstunden viel
mehr Licht, als die an den entgegenstehenden Wänden. In den
Nachmittagstunden aber ist die Sammlung nicht geöffnet.

Es liegt wohl nahe, die Lösung zweier sich sehr ähnli-
cher Aufgaben mit einander zu vergleichen. Lange vor der
Reihenfolge griechischer Landschaften hatRotlmann eine Rei-
henfolge italienischer gemalt; letzlere in Fresco, wie die er-
steren in einer der Oelmalerei ganz nah verwandten Weise.
Beide Länder haben in Vergleich mit dem unsrigen die Spär-
lichkeit der Waldung namentlich auf den Höhen gemein, deren
Formen deshalb umsomehr für Licht- und Farbenwirkung em-
pfänglich sind, so dass der landschaftliche Charakter beider
Länder, nicht sehr verschieden von einander, bei beiden so zu
sagen das plastische Element für die Auffassung maassgebend
zu sein scheint. Dennoch hat Rottmann, nachdem er in eben
dieser Weise die italienischen Gegenden dargestellt, für seine

Bilder aus Griechenland vorzugsvveis malerische Effekte ge-
sucht, durch frappante Licht- und Lufterscheinungen, durch
eine scharfe Bezeichnung der Tagesstunden und des Wetters
so überraschende, ergreifende und entzückende Stimmungen
gewonnen, dass das Auge von den Formen ab-, zu einer mehr
allgemeinen Naturfreude hinübergezogen wird. Niemand wird
verkennen, dass dieser Wechsel der Auffassung in der Rich-
tnng des neuesten Kunstgeschmacks begründet ist. Riedel's
Sakontäla mit ihrem feinen Farbenspiel im Widerschein, Gal-
lait's Carl V mit seiner das Gemüth bewegenden Farbenstimmung
ballen den Weg zu einer Kunstmacht gezeigt, die mehr Reize
entfaltet und grössere und lautere Huldigungen empfängt, als
die wenn auch noch so edle Form, als der wenn auch noch
so wahre und hohe Gedanke. Aber noch von einer andern
Seite wurde Rottmann zu der bezeichneten Auffassungsweise
gedrängt. Nicht war es — wie bei den italienischen Land-
schaften — die Schönheit der Gegend, die die Wahl bestimmte,
sondern ihre historische Bedoulsamkeit. Aber ein Ort kann
durch ein Ereigniss von allerhöchster Bedeutung sein, das geht
die Natur nicht viel an, und an den enlzückendsten Stellen ist
die Wellgeschichte schweigend vorübergegangen. Dem Uebel-
stand glaubte Rotlrnann am sichersten begegnen zu können mit
Hülfe solcher landschaftlichen Mittel, die, unabhängig von der
Gestalt der Gegend, mit der Gewalt der Schönheit auf uns wir-
ken können, nämlich der Erscheinungen der Atmosphäre, ja er
erkannte sehr bald darin die Gelegenheit, den Charakter und
selbst die historische Bedeulung einer Gegend in leicht fassli-
chen Zügen hervorzuheben. Dennoch hat Rollmann dieser Auf-
fassungsweise sich nicht unbedingt ergeben, sondern ist viel-
mehr, wo der Gegenstand es gestattete oder erheischte, zur
plastischen Einfachheit seiner italienischen Landschaften zurück-
gekehrt.

Gleich beim Eintritt in den Saal haben wir die drei Ta-
geszeilen Morgen, Mitlag und Abend in drei überaus herrlichen,
mit dem feinsten Natur- und Farbensinn ausgeführten Bildern
vor uns: Delos, das der dem Meer entsleigende Sonnengott
mit dem ersten Morgenstrahl als seine Heimath begrüsst; den
Meerbusen von Aulis, wo ein unvergleichlicher, zauberhafter
Lichtglanz an die Flotte erinnert, die einst unter dem Alriden
 
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