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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0040
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net „Abdankung." Bei der „letzten Ehre" dagegen möchte es schon
leichter sein einzusehen, daß hinter einer scheinbar ebenso anspruchs-
losen Anordnung und dem klassischen Ton im Grunde doch die
Selbstgefälligkeit des Virtuosen und ein effekthaschender Hang zum
Grassen sich verbirgt. Freilich, bemerkt Teichlein ferner, ist selbst
das Kranke bei Gallait keine subjektive, selbstverschuldete Kränklich-
keit, sondern das chronische Leiden der modernen Welt in
der französischen Krankheitsform, welches auch den Flamän-
der nicht unangefochten läßt. Diese Bemerkung des Verfassers ist
wieder eben so wahr, wie sie treffend ist auch in Bezug auf die
deutschen Verirrungen in der Politik, in der Literatur, in der Kunst,
ja zum Theil selbst in der Sitte. Man sollte meinen, die neuesten
Vorgänge in Frankreich hätten den Nimbus verbleichen machen,
den alles Französische bisher für eine im deutschen Volke weit ver-
breitete Bildungsschicht besaß. Die Phrasenjagd in der Politik, die
Sucht nach dem Grassen, ob auch innerlich Unwahren, wenn nur
äußerlich Formfertigen in der Literatur, die Sucht nach dem Hand-
greiflichen, der Wirklichkeit Nachgeschriebenen ohne Forschung nach
tieferem Gedankenwerthe in der Kunst, das sind einige von den
Aeußerungen jener französischen Krankheitsform. Nicht mit Unrecht
anerkennt man den kraftvollen Realismus des künstlerischen Aus-
drucks, der namentlich eine Hauptrichtung der französischen Malerei
bezeichnet. Gewiß hat diese realistische Richtung, wenn sie sich dem
Streben der deutschen Kunst mittheilt, für der letzteren Entwickelung
ihre hohe Bedeutung. Der konventionell gewordene Idealismus
ganzer Kunstschulen in Deutschland, der einerseits in die allegorische
Auslösung alles Realen sich verflüchtigte, andrerseits in der Form
die korrekte Zeichnung ohne Farbe noch für Malerei hielt, bedurfte
eines solchen Gegengewichts. . Nur falle man nicht in das andere
Extrem, der Realität alle Idee zu opfern, in der Nachahmung des
Fremden ans dem deutschen Geiste zu weichen, der allezeit im Ge-
danken: die ächte Wurzel und den wahren Werth jedes Kunstschaf-
fens erkannte! Bei den Franzosen und Belgiern fand der Realis-
mus einseitiges Gedeihen, aber er hat bei ihnen auch in der That
als sein Bestes nichts Anderes als das historische Portrait im wei-
testen: Sinn: herausgebildet.

In: einfach klaren: und bestimmten: Zügen: entwirft Teichleir: im
zweiter: Abschnitt seiner ersten: Abhandlung eine Skizze der modernen:
Kunstgeschichte. Wir sehen, wie der neuere Realismus in der Kunst
überhaupt seit der Renaissance sich entwickelte, wie er in Frankreich
einseitig sich ausbildete, un:d andrerseits in Deutschland ein idealisti-
scher Gegensatz sich zuspitzte. Ringt die deutsche Kunst nnach einer
Versöhnung und harmonischen: Verschmelzung beider Momente, und
bleibt sie dab.ei ihrer eigenen: nationalen: Wurzel eingedenk, so wird
sie eher des realistischen Ausdrucks ohne Einbuße ihres Wesei:s sich
bemächtigen als die französische Kunst der Idee.

Sehr beherzigenswerth sind die folgenden Worte Teichlein's:
„Wie tief auch die Berechtigung der realistischen Richtung in der
modernen Welt Wurzel geschlagen, und wie glänzende Resultate das
Geschicks die Arbeitskraft un:d Beobachtungsgabe unserer Nachbaren
erzielt, vergessen wir nicht, daß deutscher Ernst, deutsche Gemüths-
tiefe und Phantasie das Gegenstück geliefert haben, und daß auch
die idealistische Kunstanschauun:g ihr gutes Recht im modern:en: Zeit-
bewußtsein und vor Allem in einem so vorherrschend geistigen Kul-
turvolle wie das Deutsche hat. Steckt unfern Künstlern annoch
allzusehr „der deutsche Doktor im Leibe," so daß sie sich zuweilen
in philosophische Abstraktion: und Rebusmacherei verlieren, so verläuft
drüben die realistische Natürlichkeit nicht selten ir: die grasseste Un-
natur, weil der han:dwerkei:de faiseur nach theatralischem Aufputz
greift, um den Künstler zu spiele::. Wirft man u::s vor, daß wir
die Gebiete der schönen Künste nicht immer zu unterscheiden wüßten,
je nun, schießt man anderswo nicht eben so oft über die Gränzen

aller Kunst hinaus? Insoweit wären wir quitt. Hätten es aber
unsre Nebenbuhler auf ihrem Wege wirklich weiter gebracht, als
wir aus dem unsern, so sind sie vielleicht auch in jedem Sinne des
Worts fertiger, während der Gedanke, daß uns noch Manches
zu wünschen übrig bleibt, auch seine ermunternde Seite hat."

Mit voller Ueberzeugung unterschreiben wir den Ausspruch:
„Das Nationale allein ist das wahrhaft Zeitgemäße und Univer-
selle zugleich, denn es schafft aus dem Geiste der Völker und Jahr-
hunderte- welchem es entsprungen ist." Hätten die stürmischen Jahre
wie die Täuschungen und Enttäuschungen: seit 1848 in der Mehr-
zahl der Einsichtigen bei uns auch mir die eine Erkenn:tr:iß gezeitigt,
daß wir uns um 'jeden Preis aus der Vergötterninng des Fremden:
erheben: müssen, daß wir nur auf dem Grunde selbstständiger Na-
tionalität in allen Zweigen geistigen Schaffens ein freies Volk zu
werden im Stande sind, wahrhaft frei in seiner Eigenthümlichkeit,
daß aus den französischen Systemen und Fertigkeiten der Selbstge-
staltung des deutschen Geistes nur verkümmernder Zwanng erwachsen
kann, sobald wir nachahmen: statt zu erkennen — dann wäre uns
in der That eine nicht ziu theuer bezahlte Errungenschaft geworden.

Nur kurz können wir die zweite Abhandlung „lieber den Be-
griff des Malerischen: und das Wesen der Malerei" berühren. Man
muß sie eben: im Zusammenhänge lesen, um ihre einleuchtende, lo-
gisch sichere Entwickelung recht zu würdigen. Wir möchten: sie eine
Ergänzung zn: Lessing's Laokoor: nennen, dem sie sich auch wirklich
in Vielem ausdrücklich anschließt. Verglich und sonderte Lessing die
Poesie und die bildende Kunst überhaupt, so stellt sich Teichlein: auf
das besondere Gebiet der Malerei und begränzt sie durch Betrach-
tung ihres Verhältnisses zu Poesie und Musik, zu Architektur und
Plastik. Er bezeichnet das Malerische als das Sinnige im Sirnni-
lichen; von: dem Wesen: der Malerei unterscheidet er die einseitige
Vollendung einer gleichmäßig virtuosen Behandlung und setzt jenes
in die einheitlicheDurchgeistigung der malerischen: Darstellungsmittel:
Form und Farbe. Jede einseitige Hebung des einen dieser beiden
Mittel räche sich durch eine Gegenrevolution des andern. Die ge-
forderte Durchgeistigung aber kann nur aus dem Kunstgehalt, aus
der maßgebenden: Idee fließen, deren Würde die Würde ihrer Er-
sch einungsform bedingt. Warnend für Gegenwart und Zukunft ruft
der Verfasser aus, die Idee sei die einzige Macht, welche die Kunst
in der Sündfluth mechanischer Künste über dem Wasser halten wird.
Möge die Warnung nicht wirkungslos verhallen!

Anton Gubrtz.

Kllllsturrriilr.

■ ä

Geschichte des Albrecht-Diirer-Vereins zn Nürnberg.

Wegen seines Alters und seiner bedeutsamen innen: und äußern Entwicke-
lung verdient der Albrecht-Dürer-Verein zu Nürnberg vor allen andern her-
vorgehoben zn werden, und eine knrzgefaßte Geschichte desselben darf gewiß aus
die Theilnahme der Leser rechnen.

Im Jahre 1792, als die französische Revolution die ganze gebildete Welt
zu politischen Bewegungen fortriß und sich überall Vereine und Klubs zu diesem
Zwecke bildeten, da gedachte man in Nürnberg der Kunst, und unternahm es,
einen Klub von Künstlern und Kunstfreunden zu stiften. Vorzüglich waren es
drei Männer, von denen dieser Gedanke angeregt und ins Leben geführt wurde;
Frauenholz, der arbeitsame, patriotisch gesinnte Inhaber einer blühenden
Kunsthandlung, Rößler, ein Maler, der, durch Dornenpfade nach dem Lorbeer
strebend, nahe seinem Ziele in fremdem Erdreiche ein frühes Grab fand, und
Erhard, ein Arzt, ausgezeichnet als Schriftsteller und Philosoph, der, schöpfe-
risch und erfahren, scharfblickend und gewandt, von Anfang an der Hauptträger
des Vereins gewesen zu sein scheint. Von ihm rührt auch der noch in eigen-
händiger Schrift vorhandene Plan zu einem Künstler-Klub, der als Aktenstück
dieser Seite der damaligen Zeit-Entwicklung zu merkwürdig ist, als daß wir ihn
nicht wenigstens im Auszuge hier mittheilen sollten. Man merkt darin Nach-
 
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