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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0041
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flange, welche auf die eben vollbrachte Ueberwindung der Sturm- und Drang-
Periode unserer Literatur, so wie auf das Eintreten der neu aufblühenden Phi-
losophie in das Leben hindeuten. Erhard beginnt seinen Aufruf zur Vereini-
gung für den genannten Klub mit folgender Einleitung:

„Fleiß und gründliche Kenntniß von dem, was sich auf deutliche und be-
stimmte Regeln bringen läßt, haben noch nie einem Künstler einen hohen Rang
unter seinen Zeitgenossen erworben. Es ist nicht genug zu wissen, was man
thnn soll und hinlängliche Geduld zu haben, immer nachznbessern, um ein Mei-
sterwerk zn verfertigen. Genie in der Erfindung, Geschmack in der Wahl, und
dann Richtigkeit in der Ausführung, geben allein einem Kunstwerk einen hohen
Rang und wahres Verdienst. Von diesen Erfordernissen läßt sich aber höchstens
die letzte in der Einsamkeit erwerben.

„Genie kann nie erlangt, aber nur dadurch ausgebildet werden, daß es
durch treffliche Muster erweckt, durch Nacheifer.in Thätigkeit erhalten, und durch
gründliche Einsicht geleitet wird. Geschmack kann am allerwenigsten in der Ein-
samkeit erlangt werden. Es ist das Vermögen, richtig über die Gesetz- und
Zweckmäßigkeit in solchen Gegenständen zn urtheilen, die Produkte eines freien
Spiels der Einbildungskraft sind, das keinen bestimmten Regeln unterworfen
werden kann, und kann sich daher nur durch Beurtheilung üben. Uebung allein
giebt ihm Gelegenheit zur Bildung, aber sie allein kann sie nicht vollenden, son-
dern sie muß richtig geleitet und ihr Erfolg muß richtig beurtheilt werden, da-
mit man sich nicht falschen Geschmack angewöhne, oder gar Dreistigkeit in der
Beurtheilung schon für Geschmack halte.

„Wer soll aber Richter über den Geschmack sein? Niemand anders als
das Gefühl des Publikums, unter welchem wir den Theil des Menschengeschlechts
verstehen, der Interesse für Recht, Wahrheit und Kunst hat, unter dem Vorsitze
der Vernunft. Das höchste Interesse für Kunst muß aber der Künstler selbst
haben, und die Künstler machen daher auch eigentlich ihr wahres Publikum ans,
dessen Ausspruch für sie am entscheidendsten ist. Das übrige Publikum ent-
scheidet nicht sowohl über die Kunst, als Kunst, sondern vielmehr über die Zn-
sammenstimmung ihrer Produkte, worunter wir hier vorzüglich die der schönen
Künste verstehen, zu dem Interesse an Recht und Wahrheit, und sein Ausspruch
wird dadurch für den Künstler wichtig, daß er ihn immer erinnert, sein Kunst-
interesse mit dem der ganzen Menschheit, d. i. für Aufklärung, zu vereinigen.
Wie weit muß daher der Künstler Zurückbleiben, der die Stimme des Publi-
kums nicht hört? Wie kann er Geschmack erlangen, wenn er ihn nicht durch
Beurtheilung übt, an den Urtheilen anderer Menschen prüft, und durch das Ge-
fühl, das Meisterwerke in ihm erwecken, seine Richtigkeit und Stärke kennen zu
lernen sucht?

„Er habe Genie, er habe die nöthigen Kenntnisse und versäume die Bil-
dung des Geschmackes, so wird er doch, wenn er auch Lob dadurch erzwingt,
nie frohen Beifall erhalten, und die Nachwelt wird ihm, bei aller Gerechtigkeit,
die sie ihm widerfahren läßt, nie verzeihen, daß sie ihm erst seinen Eigensinn
vergeben muß, ehe sie sich seiner Werke freuen kann.

„So wie es den Eigensinn der Moden und der Etiquette vermindert, wenn
man die Gebräuche mehrerer Völker kennen lernt, und dadurch auf das wahr-
haft Schöne und der Sittlichkeit wahrhaft Entsprechende aufmerksam macht, so
vermindert es auch den Eigendünkel des Künstlers, wenn er die Urtheile und
Verfghrungsart mehrerer Künstler erfährt, und leitet ihn auf das Studium des
wahrhaft Schönen und Edlen seiner Kunst."

„Umgang der Künstler mit einander war daher immer die beste Schule für
Künstler" u. s. w.

Nach dieser Einleitung macht Erhard den Künstlern und Kunstfreunden
Nürnbergs den Vorschlag, sich diesen Vortheil zu verschaffen und sich, an der
Errichtung eines Künstler-Klubs zu betheiligen. Er setzt zunächst eine wöchent-
liche Zusammenkunft fest und bestimmt für dieselbe vorläufig den Sonnabend
Nachmittag. Ein Ort zur Zusammenkunft würde zu wählen sein, der den gan-
zen Abend der Gesellschaft zu eigen sein sollte. Zu dessen Miethung, wie auch
zur Bestreitung anderer erforderlichen Unkosten sollte jedes Mitglied sich zu einem
geringen, wöchentlichen Beitrage von 12 Kr. verbindlich machen. Würde sich
dabei ein Ueberschuß ergeben, so soll derselbe zur Anschaffung eines schönen und
nützlichen Kunstwerkes angewandt werden. Als Zeit der Zusammenkunft schlägt
er die Stunden von 5 — 7 Uhr vor, von denen sich, seiner Meinung nach, am
besten folgender Gebrauch machen ließe: von 5 — 6 Uhr unterhielte man sich
theils über neue Kunstprodukte auswärtiger berühmter Künstler, so wie auch
über diejenigen der Nürnbergischen Künstler, die jedes Mitglied aus seiner Hand
vorzulegen hätte; wobei es der Gesellschaft erlaubt sein solle, ihre uupartheiische,
fteimüthige Meinung darüber zu äußern. Um aber jedenAnlaß zur Uneinigkeit
zu vermeiden, soll das Produkt des hiesigen Künstlers, im Fall dieser ein Mit-
glied ist, in seiner Abwesenheit vorgelegt, untersucht und das Resultat der
Untersuchung „in pleno protokollirt" werden. Dieses soll sodann dem Künstler,
sowie jedem Anderen zur Einsicht freistehen, um, wenn er nicht von Eigenliebe
besessen ist, daraus Nutzen zu ziehen. Sodann sollen schöne' Stellen aus Büchern,

die eines der Mitglieder als merkwürdig vorschlägt, und eigene Aufsätze vorge-
lesen werden, oder Jemand soll über Sachen, die er für Künstler interessant
hält und worüber er nachgedacht, fteien mündlichen Vortrag halten. Die Zeit
von 6 — 7 Uhr sollte einer bestimmten Vorlesung gewidmet sein, die eines der
Mitglieder über sich nähme. Für den Fall, daß sich Niemand dazu fände,
erbietet sich Dr. Erhard eine Anatomie für Künstler zu lesen, die er so viel
möglich zweckmäßig zu machen verspricht, so daß seine Vorlesung durch kein bis
dahin gedrucktes Werk sollte ganz zu ersetzen sein. Der übrige Theil der Zeit
wäre einer vertraulichen Unterhaltung gewidmet, wobei jedem Mitgliede frei-
stehen soll, Taback zu rauchen und für seine Rechnung ein Glas Bier zu trin-
ken. — In dem Schlüsse dieses Aufrufes faßt er das Gesagte noch einmal kurz
zusammen, hebt namentlich hervor, wie die Bezahlung, die dem Künstler wird,
mehr vom Geschmacke des Publikums als von Befolgung der sogenannten Kunst-
regeln abhange, weiset auf die Nachbar-Länder hin, die durch Stiftung ähnlicher
Gesellschaften Deutschland einen gewissen Vorsprung abgewonuen, und spricht am
Ende die Hoffnung aus, die unten angefügten Namens-Unterschriften durch den
Beitritt zahlreicher Mitglieder vermehrt zn sehen. Die erste Zusammenkunft
setzt er für den Anfang des Oktobers fest.

Für das Jahr 1792 sind 22 Mitglieder angezeichnet; darunter bereits ein
Freiherr Haller von Hallerstein, damals Student auf der Nürnbergischen
Universität Altdorf — ein Name, der durch die ganze Entwicklung dieses
Vereines wiederkehrt und eine bedeutende Rolle spielt! Auch gegenwärtig ist
ein Freiherr Siegmund Haller von Hallerstein erster Direktor des Albrecht-
Dürer-Vereins. — Für das Jahr 1793 treten 9 Mitglieder hinzu; bis zum
Jahre 1803 wuchs der Verein jährlich nur um 1—3 Mitglieder. Bis dahin war
jedoch bereits von manchem Mitgliede der Austritt erfolgt; einige waren auch
gestorben, andere gar ausgeschlossen worden. Ueberhaupt verfuhr man anfäng-
lich bei der Zusammensetzung des Vereins und der Aufnahme neuer Mitglieder
mit der größten Vorsicht und Strenge.

Die erste Zusammenkunft des neuen Künstler-Klubs oder der Kunst-Socie-
tät, wie er sich bald nennt/ fand am 13. Oktober 1792 statt. Sämmtliche
Versammlungen in diesem Jahre galten noch der Besprechung, näheren Bestim-
mung und weiteren Ausfiihrnng der Gesetze des Vereins, für die man. den
Entwurf des Dr. Erhard als erste Grundlage fest hielt. Mit dem folgenden
Jahre setzte man monatlich zu diesem Zwecke eine Versammlung fest; die übri-
gen galten den Recensionen, Vorlesungen und geselligen Unterhaltungen, wie
anfänglich bestimmt war. Von den erstereu Versammlungen sind bis zum Jahre
1796 die Protokolle vollständig in unseren Händen, und wir heben daraus zur
Darstellung des inneren Lebens und der Entwicklung des Vereines, das Wich-
tigste so schmucklos hervor, wie es darin niedergelegt ist. —

daß man nicht, wie Erhard vorgeschlagen, wöchentlich zwölf Kreuzer, sondern,
was für hinreichend erfunden wurde, monatlich einen halben Gulden bezahlen
sollte. Zugleich wurde festgesetzt, daß später, wenn einmal der Kassenbestand
auf Vier- bis Fünfhundert Gulden sich belaufen würde, der Kassierer eine
Bürgschaft dafür leisten solle — eine nicht unnöthige Vorsicht; denn es findet
sich bei dem Namen des ersten Kassierers von späterer Hand angemerkt, daß er
wegen Veruntreuung an der Kasse ausgeschlossen worden. Als Präsident des
Vereins wurde einstimmig Di-. Erhard erwählt, der sich zugleich verbindlich
machte, biß znm Jahre 1793 das Buch: „die glücklichen Inseln oder Ardinghello"
mit den Vereins Mitgliedern durchzugehen. Ueber .etwa einznführende Gäste
wurde bestimmt, daß ein Fremder auch ohne vorhergehende. Meldung an den
Versammlungen des Vereins theilnehmen dürfe; ein Einheimischer jedoch sollte
acht Tage vorher angekündigt werden. Mit der Ausführung der Gesetze ver-
fuhr man ohne Uebereilnng, und ließ die sich allmälig herausstellenden Umstände
dabei mitrathen. Erst im Jahre 1794 wurde ein vorläufig als abgeschlossen
betrachtetes Gesetzbuch verfaßt, in welchem die einzelnen bis dahin in dem Pro-
tokolle niedergelegten Bestimmungen znsammengestellt wurden.

(Fortsetzung folgt.)

% t i t tt n g.

'E Aerlur. S. Habenschaden in München war uns schon als tüch-
tiger Thiermaler bekannt und nun hatten wir vor einiger Zeit Gelegenheit
ihn auch als Thierbildner kennen zu lernen und zwar mit so ausgezeichneten
Leistungen, daß wir ihrer nur mit der größten Freude und Anerkennung ge-
denken können. Der Künstler hat eine Anzahl von Gruppen und Einzeldar-
stellungen hierhergesandt und sie sind in dem Laden des Hoflieferanten Hrn. H. Ha-
gemeister, der ein warmes Interesse für Kunstsachen hegt, zur Ausstellung gebracht.
Der Münchner hat die Franzosen völlig aus dem Felde geschlagen, das Publikum
läßt die Arbeiten der Letzteren stehen und bereichert sich mit den vorgezogenen
Erzeugnissen deutscher Kunst. — Wir vergessen nicht, daß die Franzosen ihre
 
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