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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0080
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Reichthum der Dräpirüng der Umriß der Gestalt, und wie vollkom-
men frei von allem gekünstelten, gezierten Wesen giebt sich das Ganze,
als könne und dürfe es nur so und nicht anders sein! Wie frei
und nobel, wie fest und doch wie leicht (in Wirklichkeit besser noch,
als unsere Abbildung es giebt) steht diese herrliche Gestalt! In der
Haltung des Körpers, in der Richtung des forschenden Auges liegt
etwas bedeutsam Sinnendes, und auf dieser Zeusstirn ruht ein Ab-
glanz jener erhabenen Gedanken, denen der Meister in unsterblichen
Schöpfungen Dasein gegeben hat. ' W. L.

Die „Geschichte" «nd die „Sage" nach den Kartons
D. v. Kaulbach's gestochen von Louis Zacoby.

Die beiden Stiche, auf die wir durch diese Zeilen die Aufmerk-
samkeit unsrer Leser teufen möchten, gehören dem großen, durch die
Buchhandlung von Alexander Duncker veröffentlichten Werke an, das
die Kaulbach'scher: Wandgemälde im Treppenhanse des neuer: Mu-
seums zu Berlin zum Gegenstände hat. Das eine Blatt, „die Ge-
schichte," findet sich in der bereits erschienenen.ersten Lieferung, das
andre, „die Sage", wird nächstens mit dem zweiten Heft ausgege-
ben werden.

Es ist augenblicklich nicht unsre Absicht, auf das Unternehmer:
selbst und seine Bedeutung für die Kunst der Gegenwart hinzuweisen.
Wir wünschen nur, die Leistmtgen eines jungen Künstlers in's Auge
gefaßt zu sehn, der seine ersten Schritte in die Oeffentlichkeit bereits
durch Zeugnisse tüchtiger Begabung und gediegenen Strebens be-
zeichnet hat. Auf der Ausstellung des JahreS 1850 trat Louis
Jacoby, unter Mandel's Leitung gebildet, zuerst mit einem Stiche
nach dem Bilde von Alessandro Tiarini im Berliner Museum, den
Evangelisten Johannes darstellend, so wie mit einem Portrait Peters
von Cornelius nach einem Lichtbilde von Biow hervor. Diesen
fleißigeil Arbeiter: folgten, ebenfalls mit gerechtem Lobe von der Kri-
tik erwähnt, auf der Ausstellurrg von 1852 die Portraits der Ge-
rierale Pork von Wartenberg und de la Motte Fouqu6, beide für
die Prachtausgabe der Werke Friedrichs des Großen bestimmt.

In den vorliegenden beider: Stichen begegiler: wir dem Künst-
. ler bei derselbe!: Thätigkeit zwar, aber auf verär:dertem Gebiete. Und
zwar hat er seinem Grabstichel nicht etwa ein breiteres Feld der
Thätigkest eröffnet, sondern im Gegentheil ihr: auf engere Grär:zen
beschränkt. Es sind diesmal nicht Gemälde, es sir:d Kartons, r:ach
denen er gestochen hat. Die Kunst des Kupferstechers feiert aber
gerade darin ihre höchsten Triumphe, daß sie die reich abgestuften
Verhältnisse von Schatten und Licht, der: duftiger: Farbenschmelz,
den der Maler geschaffen, in ihrer Weise wiederzugeben sucht. Aller-
dings verhält sie sich, gebunder: durch ihre beschränkterer: Mittel, zur
Farbenpracht eir:es Gemäldes, wie die Klaviersonate zur rauscher:der:
Symphonie; zeigt uns dieselbe Landschaft, die dort im Strahl der
Sonne sich unfern Blicken enthüllte, vom matterer: Lichte des Mon-
des sanft erhellt. Aber gerade jene feiner: Uebergänge, die den Zau-
ber eines guten Gemäldes arrsmachen, sind eine höchst dankbare
Aufgabe für der: Kupferstecher, und gewähre:: feinem Werk einer:
verwandten Reiz. Verzichtet er auf solche Erfolge und weildet die
mühvoll langwierige Arbeit seines Grabstichels an die Wiedergabe
eines Kartons, also einer Umrißzeichnung, die in bloß andeutender
Weise die Hauptpartieen r:äher charakterisirt, da sie dem Meister bei
der Uebertragung in die Farbe nur als äußerer Anhalt diene:: soll,
so ist das ein Akt der Selbstverleugnung, der hoch angeschlagen wer-
den muß.

Hier also handelte es sich darum, Kartons durch den Stich
wiederzugeben, und zwar Kartons, die für Wandgemälde entworfen

sind, für Werke monumentaler- Art, die selbst in der Ausführung
nur das Allgemeinere geben dürfen, denen die Detailschilderung der
Tafelmalerei versagt ist. Nun rechne man hinzu, daß diese Zeich-
nungen von Kaulbach's Hand herrühren, von einem Meister der
Form, wie wir kaum einen Zweiten haben, der aber freilich diese
hohe äußere Vollendung mit manchen inner:: Mängeln bezahlen muß.
Denn bei jenem innigen Einvernehmen, in welchem er mit der Form
steht, beherrscht er sie zwar in bewundernswürdigem Grade, aber in
jener Weise, die oft vorkommt, wo man zu herrschen glaubt, in
Wahrheit aber der Beherrschte ist. Daraus geht für Kaulbach die
malerische Schwäche seiner Compositionen hervor,-die sich im Laufe
der Zeit, je schärfer die Eigenthümlichkeit des Meisters sich durchge-
setzt, nur gesteigert hat. Auf der „Hunnenschlacht" ist sie noch gar-
nicht zu bemerken. Zwar fir:det dort ebenfalls die Zweitheilung statt,
die den sämmtlichen Hauptbilderr: des Treppenhauses eigen ist, aber
derselbe Impuls in reichster Abstufung der Uebergänge vom traumes-
wirren Auffahren bis zum dämonischen Aufeinanderprallen des Gei-
sterkampfs in den Lüften durchzuckt alle Gestalten der mächtigen Dar-
stellung und bedingt eben ihre ergreifende Gewalt. Schlimmer steht -
es schon um die „Zerstörung des babylonischen Thurrnes", wo zwar
dasselbe Gefühl alle Gruppen beherrscht, wenn es sie hier auch nicht
zum wüther:den Vertilgungskampf aufeinanderplatzen, sondern zu haß-
erfüllter Trernnmg auseinanderfliehen läßt, wo aber auch der Aufbau
des Ganzen auf einer loser: Zusammenordnung beruht, die durch die
phantasmagorischen Gestalter: des Himmels noch stärker betont wird —
eine geistreiche Idee ohne Zweifel, die aber die innere künstlerische
Ei::heit des Werkes noch entschiedener aufhebt. Endlich auf dem
dritten Bilde, der „Zerstörung vor: Jerusalem" wirken die Compo-
sitionsmängel des voriger: Werkes zusammen, ohne jedoch durch die
dramatische Grundeinheit der Empfir:dung, die jenem irmewohnt, ge-
mildert zu werden. In diesem Sinne sind die großen Wandbilder,
im neuer: Museum- nicht leuchtende Krystallisationer: um der: Kern
einer Grundidee, sondern Perlen, kostbare, schimmernde zwar, die
aber nur lose ar: den Faden eines Gedankens angereiht erscheinen.
Deshalb stehen die ausgeführten Gemälde der: Kartons so bedeutend
r:ach, nicht sowohl weil sie vor: andern Händen herrühren, obschon
durch solche Theilung der Arbeit immer das feinste Aron: der Ori-
ginalschöpfung sich verflüchtigt, sondern weil Kaulbach jene großen
Werke beim Entwurf offenbar nicht in Farben, sor:derr: ir: Umrissen
gedacht hat.'

In dieser Grundanlage, 'die mehr plastischer als malerischer
Natilr ist, und die auf der einen Seite' das rhapsodisch - episodische
Element der erwähnter: Hauptbilder erklärt, wurzelt auch andrerseits
die hohe Bedeutung Kaulbach's, die sich da am glänzendsten kund
giebt, wo es sich entweder um Compositior: von Arabeskenfriesei: oder
um die Verkörperung von Personifikationer: und allegorischen Ge-
stalten handelt. Bei jenen hat der plastische Sinn in der relief-
artiger: Weise der Darstellung, bei diesen in der vollendeten Durch-
bildung der Form eine seinem Weser: so unbedingt zusagende Auf-
gabe gefunden, daß diese Art von Schöpfungen zum Vorzüglichster:
gehören, was wir dem Kaulbachschen Genius verdanken. Von letz-
terer. Art sind die beiden Darstellungen, deren Stiche uns eber:
vorliegen.

Wer kennt sie nicht, diese herrliche Frauengestalt, die auf reich-
geschmücktem Marmorkapitäl sitzend mit dem ernsten Blick des großer:
Auges sinnend den Schriftzüger: folgt, die sie mit sicherer Hand ir:
die Blätter des großen Buches der Menschheit trägt. Die Pracht
des edel kräftigen Gliederbaues blickt frei aus dem nur zum Theil
ihr: verhüllenden Gewände hervor, das im einfacher: Wurf seiner
Falter: sich treu ihm anschmiegt. Ar: dieser Figur sowohl, wie auch
am geflügelten Knaben, welcher das Buch der Göttin hält, hatte der
Kupferstecher gleich die Feuerprobe zu bestehen durch den Beweis,
 
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