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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0127
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messen sei, denselben Inhalt, den auch die niedere Realität in sich schließt, im
gleichen Maaße zur Anschauung zu bringen, ja, es ist dies um so nothwendiger,
wenn es, wie in der durchgehenden Stylweise der Spanier, mehr auf die Wahl
des geistigen Gesammtfonds als ans malerische Darlegung des Einzelnen abge-
sehen ist; denn in der niedem Realität ist er weniger deutlich ausgesprochen.

Auch Jan Steen und mehrere andere niederländische Genremaler gingen
oft über das kleinere Maaß ihrer Bilder hinaus. Daß nun aber meist ein ge-
ringerer Raumumfang bei dem Genre beliebt wird, hat seinen folgenden
Grund: Den Niederländern war es um den zu offenbarenden Geistesfonds
nicht allein zu thun; sondern indem sie. die Kunst auf die Kunst selber richteten,
kam es ihnen zugleich auf die Art und Weife an, wie dahin zu gelangen fei,
weshalb sie malerisch von Allem Rechenschaft gaben, wodurch, wie bereits oben
gezeigt, vorzüglich die Richtung des Rubens einen didaktischen Charakter ange-
nommen hat, der in der Schule von Antwerpen bei fast allen Meistern hin-
durchgeht. Die Schule von Holland, welche in wesentlicher Uebereinstimmung
mit diesen Principien, auf das Speziellste in die Naturverhältnisse ,einzugehen
strebte, fand sich demgemäß veranlaßt, zunächst auch ihr Augenmerk auf das
Verhältnis des räumlichen Maaßes zu richten, welches für die Ermittelung
der speciellen Wahrheit geeignet sei; denn nach ihm faßt der Styl ihre Categorien
zusammen,' mit denen eine Identität erzielt werden soll. Mit dieser Identität
ist sie selbst nicht allein gegeben, sondern noch andere Verhältnisse, in denen sich
der Bereich des Malerischen erweitert; denn wie das Große in der Kunst nicht
ein in allen Thcilen gleichmäßig vergrößertes Kleine ist; so ist das Kleine in
ihr nicht ein in allen Theilen gleichmäßig verkleinertes Große.

Es ist demnach nicht als eine sinnlose Willkür anzusehen, wenn G erard Dow,
in Rembrandt's Schule gebildet und in seinem Streben bestärkt, das malerische
Verhältuiß der Erscheinung im möglichst kleinsten Raume zur Anschauung bringt.
Bei ihr handelt es sich nicht um die gewöhnlichen Wahrheiten, die in der Mi-
niaturmalerei meistens zum Vorschein kommen, in der man vermeint, auf den
Styl verzichten zu können, weil man hier nur wenig von ihm gewahr wird.
Für Gerard Dow ist das so sehr beschränkte Raummaaß kein Hinderniß, die
ganze Größe der Kunst zu entfalten. In ihm löst er ein wichtiges Kunstproblem,
das unter andern Verhältnissen als den von ihm angenommenen nicht gelöst
werden kann. Dieses Problem ist: das Wesentlichste der Erscheinung
möglichst in dem Wesentlichsten zur Anschauung zu bringen, was bei
einem großen Raumverhältniß nicht möglich, wo nach Maaßgabe desselben auch
das minder Wesentliche eine ganz andere Berücksichtigung erheischt als hier.
Daher kommt es, daß in feinen Bildern ein Reichthum von neueü Wahrheiten
enthalten ist, der noch viel überraschender wäre als der Fall, wenn nicht bereits
Rembrandt in seinen kleinen Bildern den Blick dafür eröffnet hätte. Zwei
derartige Bilder enthält die Gallerie des Berliner Museums No. 80,}. u. 806.
Der auch hier noch so beredsame, wie hinreißende Vortrag Rembrandt's,
löst sich bei G erard Dow in den deutlichsten Ausdruck einer ans Unglaubliche
grenzenden Ausführung auf, und wenn man bedenkt, wie leicht Lei solcher Be-
handlung die Erkenntniß in eine vorlaute That übergeht, so ist es besonders die
ruhige und sichere Mäßigung, die sich naturgetreu parallel durch alle Theile sei-
ner Bilder zieht und vorurtheilslos zu den interessantesten Erscheinungen führt,
die feine Werke so bewunderungswürdig macht.

Wenn es dieselbe Kunst er fordert, die Erkenntniß des Ursächlichen mit voller
Kraft in einer kolossal darzustellenden Erscheinung ins Leben treten zu lassen;
so erfordert es nicht weniger Kunst, diese Kraft, in Erkenntniß ihrer selbst, zweck-
mäßig zurück zu halten, um überall jenes Leben und Weben, das durch diese
Mäßigung bedingt ist, zu beurkunden, das von ihm im Sinne des Universellen
ausgesprochen ist, wofür, wie er zeigt, kein Raum zu klein ist. U. s. w."

Bei dieser Gelegenheit sei es mir gestattet, noch einen Punkt
zu berühren. Mein Werk „das Wesen der Malerei" ist nicht nur,
wie Herr Rosenkranz sagt, viel besprochen worden, vornämlich in
der letzten Zeit sind mehrere Broschüren und Aufsätze erschienen, in
denen mit mehr oder weniger Kenntniß mein Buch benutzt worden
ist, ohne daß die Verfasser dieser Quelle Erwähnung gethan haben.
Wenn Herr Rosenkranz davon eine Ausnahme macht, so war dies
von seiner Stellung in der Gelehrtenwelt zu erwarten. Ich kann
sedoch hierbei den Wunsch nicht unterdrücken, daß derselbe den In-
halt meines Buches einer gründlichern Würdigung unterworfen haben
möchte. Jndeß mag es der Geschichte, der Kunstliteratur Vorbehal-
ten bleiben, das Verhältniß der gegenseitigen Beziehungen der be-
treffenden Autoren untereinander näher aufzuklären.

Nürnberger Kunllindnstric.

Dahin ist vor Allem auch die Verfertigung voll Alterthü-
mern zu rechnen. — Bei der vorjährigen Versammlung der deut-
schen Geschichts- und Alterthnlnsforscher in Nürnberg sahen wir
einen Handwerker mit einfältig verschmitztem Gesichte unter ihnen
umhergehen und sich diesem oder jenem der gelehrten Herren etwa
mit folgenden Worten aufdrängen: „Hörens! 2f Bf der Moa,
die Alterthümer mocht; Wissens die Alterthümer, was die uralte
Ritter waren, wie's in denne alte Bücher steht. moch Jhna Pan-
zer, Schilde, Schwerdter, Sporen; i moch Jhna Alles, was's wollen.
San jetz' grad viele Alterthümler hier; könnas mich dena Herra wohl
empfehla." — Diesen Winter ging hier ein Schmied in den Knei-
pen umher und ließ ein vollständiges Panzerhemd aus dem 12.
Jahrh. sehen, woran er, wie er sagte, mit seinen drei Söhnen drei
Wochen gearbeitet. Vor Kurzem erfuhren wir die Adresse eines
solchen Alterthumssabrikanten, der diesen Industriezweig Jahr aus
Jahr ein systematisch betreibt. Wir fanden bei einem Besuche einen
sehr geschickten Arbeiter, der mit Bronze, Eisen, Elfenbein, Holz
u. s. w. gleich gut nmzugehen wußte. Es waren eben einige^ pracht-
volle Schwertgrisfe mit erhaben ausgeschnittenen Figuren und da-
mascirtem Schmücke aus dem 16. Jahrh. in Arbeit.— Der Künst-
ler gestand, daß der Verlauf seiner Arbeit nicht immer auf dem
gradesten Wege verbleibe; doch verfertige er Nichts aus eigenem
Antriebe, verkaufe auch Nichts ans der Hand, sondern Alles sei be-
stellt. Er nahm auch keinen Anstand, die einzelnen Besteller näher
zu bezeichnen, gegen die er mit einigem Ingrimm erfüllt zu sein
schien, weil „man ihn für einen Spottpreis arbeiten lasse und beim
Wiederverkäufe die ungeheuersten Procente nehme." — Es giebt,
wie wir da erfuhren, auch bestimmte Rezepte, um den Rost eines
- jeden Jahrhunderts hervorzubringen. — Unsere Absicht geht jedoch
keineswegs dahin, die ehrenwerthen Nürnberger und Fürther Anti-
quare zu verdächtigen; wir erzählen nur, wie man merken wird,
Thatsächliches. —' Uebrigens würden wir es auch gar nicht für un-
ersetzlichen Verlust halten, wenn einmal irrthümlich ein solches neues
Product für ein altes unrergebracht würde. Wie es oft mehrere
Kopfe von einem Heiligen giebt, so kann es auch mehrere Schwer-
ter von demselben Helden geben. Man ist auch so klug, nicht so-
wohl neue Erfindungen herzustellen, sondern alte gute Originale
nachzuahmen. Für Ausschmückung alter Ritterburgen oder der Künst-
lerateliers mögen solche Sachen immer dienen.. Der Kenner wird
das Falsche vom Echten doch leicht unterscheiden können. Gewöhn-
lich stehlen sich einige Fehler ein, die entscheidend sind: im Costüme,
in den Formen der Verzierungen u. s. w. So sahen wir einen
Schwertgriff mit erhaben ausgearbeiteten Figuren, wo Ritter in den
Rüstungen des 30jährigen Krieges Schilde schwangen, wie sie zwei
Jahrhunderte früher gebräuchlich waren. Niemals ist aber in die-
sen nachgeahmten Sachen dieselbe Haltung, derselbe Athen:, wie in
den alten. Unsere ganze 'Nervenspannung ist eine andere und wir

bringen die Stimmung der früheren Zeiten nicht mehr heraus.

Ht.

KuuLtlitrrlltur.

Künstler-Briefe, übersetzt und erläutert von Dr. Ernst Guhl.

1 Vol. 8. Berlin, T. Trautwein'sche Buch- und Musikalien-
handlung. (I. Guttentag.) 1853.

Von G. F. Waagen.

(Schluß.)

Obgleich die Briefe und sonstigen Raphael betreffenden Stücke
den Kunstforschern schon aus dem Werk von Passavaut über Ra-

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