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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0128
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phael bekannt sind, durften sie doch Hier um so weniger sehlen, als
jenes Werk, wegen des immer ansehnlichen Preises, sich verhältniß-
mäßig nur in wenigen Händen befindet. Was Passavant und der
Vers. über die Wichtigkeit dieser Schriftstücke gesagt haben, will ich
hier nicht wiederholen. Ich gestehe indcß, daß ich nie ohne eine
tiefe Wehmuth diejenigen lese, welche das Vcrhältniß Raphaels als
Baumeister von St. Peter, und seinen ihm vom Pabst Leo X. ge-
gebenen Auftrag auf dem Papier eine Restauration des antiken
Roms zu machen, betreffen. Von Raphaels Thätigkcit in beiden
Beziehungen, welche doch den größten Theil seiner Zeit in den letz-
ter: und reifsten sechs Jahren seines überhaupt so kurzen Lebens in
Anspruch genommen, hat die Nachwelt nicht die geringste Frucht ge-
habt, wohl aber sind seine Beschäftigungen Ursache gewesen, daß er
die Äüsführung seiner Malereien in der Stanza vom Jnccndio dcl
Borgo, in der Farnesina, in den Logen, an den Cartons, wie an
den meisten Oelbildern bis aus Weniges seinen Schülern überlassen
rnußte. Für Solche, welchen ein Kunstwerk nur volle Befriedigung
gewährt, wenn die Durchbildung des Einzelnen ans gleicher Höhe
mit der Schönheit der Erfindung steht, ist dieses aber ein unermeß-
licher Verlust, denn der Abstand der Ausbildung alter obigen Werke
gegen die früheren, von Raphaels eigner Hand ausgesührten, ist ein
erstaunlich großer. Ich stinnne daher völlig Rumohr bei, daß der
Pabst Julius II., indem er Raphael nur als Maler, aber in groß-
artigen Arbeiten beschäftigte, das Gebiet, worin sein Genie unver-
gleichlich war, ungleich richtiger erkannte, als Leo X.; denn als
Architcct war .sein Talent immer nur untergeordnet, und jener Auf-
trag der Restauration des antiken Roms auf dem Papier, wozu
weitläuftige und zeitraubende antiquarische Untersuchungen unerläß-
lich sind, ist eine unverantwortliche Verwendung eines schöpferischen
Genius, wie die Natur überhaupt nur wenige hervorgebracht hat.
Ich betrachte daher auch den Tod von Julius II. als das einzige
große Unglück, was dem Künstler ans feiner sonst so wunderbar
glücklichen Lebensbahn begegnet ist. An dieser.Stelle bringt der
Vers, auch das Verhältniß von Michelangelo und Raphael zur
Sprache. Es ist ihm gewiß zuzugebdu, daß dieses zwischen den
Anhängern beider zu einer Gehässigkeit ausgebildet werden, welche
zwischen den großen Meistern nicht bestand. Wenn er aber in Ab-
rede stellen will, daß Michelangelo überhaupt keine Eifersucht gegen
Raphael gehegt, so kann ich ihn: hierin nicht beistimmen. Ja ich
glaube ihn grade mit den Gründen schlagen zn können, welche er
für seine Ansicht geltend inacht. Er führt hiefür nämlich die schö-
nen Lobeserhebungen an, welche Vasari, der Schüler des Michelan-
gelos dem Raphael zu Anfang und zu Ende von dessen Lebensbe-
schreibung spendet, und ist der Ansicht „daß Vasari in seiner schrift-
stellerischen, wie in der künstlerischen Thätigkcit sich mit dein hochver-
ehrten Meister in stetem Einklänge und Einvernehmen befand, so
daß Aenßernngen VasariS, namentlich in Bezug auf solche Verhält-
nisse gethan, die Michelangelo persönlich berührten, uns, wenn nicht
andere Gründe dagegen sprechen, fast innner als Aeußerungen Mi-
chelangelos selbst gelten dürfen." Diesem stinnne ich, selbst in Be-
treff jener Lobeserhebungen Raphaels, welche indes; mehr seine Per-
sönlichkeit, als seine Kunst betreffen, durchaus bei. Wenn aber dem
so ist, dann muß Michelangelo auch die ganze Erzählung des Va-
sari im Leben des Sebastian del Piombo, daß, als die Bilder von
Raphael, unter anderen wegen des schöneren Colorits, von Vielen
denen des Michelangelo vorgezogen worden, er, da ihn: das Colo-
rit des Sebastiano gefallen, diesen in seinen Schutz genominen, in-
dem er gedacht, wenn er ihn unt seiner Zeichnung unterstütze, er,
ohne selbst Hand ans Werk zu legen, die widerlegen könne, welche
jene Ansicht hegten, der Wahrheit gemäß gesunden haben. Denn
diese Erzählung findet sich schon in der ersten 1550. bei Torrentino

erschienenen Bearbeitung der Biographien des Vasari * **)), welche die-
ser dem Michelangelo überreichte. Was aber liegt wohl näher, als
daß derselbe vor Allem die ihn und seine Verhältnisse zu seinen be-
rühnttesten Zeitgenossen betreffenden Biographien angesehen? Schwer-
lich aber würde er den: Vasari jenes Sonnett, voll des größten
Lobes, welches auch der Vers. S. 228 in einer Uebersetznng mit-
theilt, als Dank für sein Buch gesendet haben, wenn er darin in
Dingen, welche ihm doch nicht grade zum Ruhm gereichen, grobe
Verstöße gegen die Wahrheit gefunden hätte. Die Einwendung
des Vers. (S. 315) was es dem Michelangelo nutzen konnte, wenn
ein dritter ebenso gut malte als Raphael, beantworte ich damit, daß
es ihm eben nur daran gelegen war den: Raphael einen Nebenbuh-
ler zu erwecken, lind dieses ist ihm auch bis auf einen gewissen
Grad gelungen, da Sebastian in Concnrrcnz der Verklärung von
Raphael von den: Cardinal Ginlio Medici den Auftrag erhielt, die
Auferweckung des Lazarus zn malen, und er nach den: Tode Ra-
phaels allgemein als der erste Maler in Rom angesehen wurde»
Die Wahrheit der obigen Erzählung des Vasari erhält aber ihre
volle Bestätigung durch verschiedene Aeußerungen in einem, 'vom
Vers. S. 316 ff. gegebenen Briefe des Sebastian an den Michel-
angelo vom 15. October 1512. In dem Bericht, welchen er hier-
von einem Gespräch macht, welches er mit Pabst Julius II. gehabt,
heißt es, wie der Pabst geäußert, daß ihn: die Bilder von Raphael
und seinen Schülern in der Stanza des Heliodor so wenig gefielen,
daß er sic, wenn sie in vier bis fünf Tagen nichts Besseres mach-
tcn, herunterschlagen lassen, und den Saal ihn: (den: Sebastian)
geben würdet), worauf er geantwortet, mit der Hülfe des Michel-
angelo getraue er sich Wunderdinge zu machen. Wenn er daraus
Raphael-und seine Schüler kurzweg „jene jungen Leute" nennt, so
kann dieses nur die Art bezeichnen, wie Michelangelo sie zu nen-
nen pflegte, da.Sebastian selbst noch um zwei Jahre jünger, als der
dainals 29 jährige Raphael war. Auch die Aeußernng des Michel-
angelo, daß Raphael seine Kunst nicht durch Natur, sondern durch
das Studium erlangt hätte, bei Condivi, so wie die in dem von
Ciampi bekannt gemachten Briefe des Michelangelo, daß Raphael
ihm verdanke, was er in der Kunst wisse, Urtheile, denen wohl nur
Wenige beipflichten möchten, sprechen keineswegs für eine wohlwol-
lende Gesinnung gegen Raphael. In den: Gefühl seiner Größe be-
handelte Michelangelo auch andere Künstler- ersten Rangs, wie den
Lionardo da Vinci, in schroffer Weise***). Zeigt ja überhaupt die
Kunstgeschichte zu den verschiedensten Zeiten Beispiele, daß die Künst-
ler sich untereinander nicht nach Würden geschätzt, öfter selbst mit
entschiedener Abneigung behandelt haben. Ja, schon im 15. Jahr-
hundert, Squarcione und Jacopo Bcllini, in: 16ten, Tizian und
Pordeuone. Auch in unserer Zeit fehlt es bekanntlich nicht au Bei-
spielen ähnlicher Art.

Ueber keinen der größten Malers Italiens sind bekanntlich die
Documcnte, :vie die Nachrichten, so mager, als über Corregio. Wie
der Vers, bemerkt, ist die Anerkennung, welche seine Kunst in scincr
Zeit fand ebenso gering, als die Preise, welche er für seine Werke
bekam, wie er denn, nach dem hier gegebenen Vertrag, für seine

*) Thl. 3. ©. 896 s. -

**) Der Vers. bemerkt mit Recht, Wb diesen Aeußerungen wohl nicht un-
bedingt Glauben zu schenken ist. Wenn dein Pabste die Malereien Raphaels in
der Stanza della Segnatnra nicht gefallen hätten, möchte er wohl schwerlich die
Malereien des Bramantino di Milano und des Pietro della Francesca in der
Stanza des Velhador haben herunterschlagen lassen, um für die Malereien Ra-
phaels Raum zn gewinnen.

***) Ein ähnliches Benehmen des Michelangelo in Betreff des Perngino,
des F. Francia u. a. hat Passavant in seinem Leben Raphaels nachgewiesen.
S. Thl. 1. S. 182. f.
 
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