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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0129
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I

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berühmte Nacht in der Galerie zu Dresden etwa 140 Thlr. erhal-
ten hat. Auch seine geselligen Beziehungen sind, im Vergleich mit
denen eines Raphael, Michelangelo, oder Tizian sehr bescheiden.
Den Untersuchungen des Pungileoni verdanken wir indeß die Nach-
richt, daß er an dem kleinen Hofe des Herrn von Correggio doch
eine ehrenvolle Stellung einnahm, wie er denn sowohl bei der neuen
Belehnung desselben.. durch ^arl. V. als Zeuge zugegen, als auch
bei der Verlobung von dessen Tochter als Gast zngezogcn war.

Von säst keinem Künstler sind dagegen die Briese so zahlreich,
Änd deren Inhalt so bedeutend, als von Michelangelo. Der Ab-
schnitt über ihn ist daher auch von dem Vers, mit sichtbarer Vor-
liebe gearbeitet worden. An der großartigen Persönlichkeit, welche
uns daraus entgegeutritt, hebt der Vers, mit Recht die Milde, die
Herzensgute, die Liebenswürdigkeit, als eine Erscheinung hervor,
welche bei einem Charakter, der einem so energischen Pabst, wie
Julius- II., Trotz bot, und von diesem selbst als schrecklich bezeich-
net wird, überraschen muß. Seine hauptsächlichsten Beziehungen,
zu den Päbsten, zu seiner Vaterstadt Florenz, zu der Vittoria Co-
lonna, werden mit Einsicht besprochen, und sein Bestreben, Florenz
die Freiheit als Republik zu erhalten, gerechtfertigt. Wern irgend
das Herz warm für die Kunst und einen hochstrebenden Geist schlagt,
kann die unzähligen Widerwärtigkeiten, unter denen die wegen des
Grabmahls des Pabstes Julius II. die erste Stelle einnehmen, welche
den Michelangelo fast sein ganzes Leben verfolgten, so wie die Ver-
geudung seiner kostbaren Zeit in den Marmorbrüchen von Carrara,
nicht ohne den innigsten Schmerz betrachten. In Betreff des von
Gualandi veröffentlichen Briefes des Michelangelo an Lorenzo di
Medici vom 2. Juli 1496 ist der Verf. der erste, welcher nach-
weißt, daß die Statue eines Knaben, von welcher darin -gehandelt
wird, die jenes für antik gehaltenen Cupido ist, welche Vasari er-
wähnt. Hier kommen auch die ersten Briefe des in feiner Zeit ver- j
götterten Pietro Aretino vor, dessen geistige Verworfenheit der Vers.!
im Verfolg seines Bruchs gelegentlich anderer Briefe von ihm ge-
bührend bezeichnet. Daß Michelangelo in einzelnen Fällen keines-
wegs den Werth von gleichzeitigen Künstlern, selbst wenn er glaubte,
daß sie ihm persönlich weh gethan, nach deren: Tode verkannte, be-
weißt seine Aeußerung über Bramante zu Anfang eines Briefes an
Bartolomeo Bettini, worin es heißt: „Es läßt sich nicht leugnen,
daß Bramante in der Architectur so tüchtig gewesen ist, als nur ir- j
gend wer, der von der Zeit der Alten an bis jetzt gelebt hat."!
Gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts hatte der florentinische Ge-j
lehrte, Benedetto Varchi, die Frage über das Verhältniß der Bild-
hauerei zur Malerei, und welche von beiden den Vorzug verdiene, in
Anregung gebracht, und darüber die Ansicht verschiedener Künstler,
so auch die des Michelangelo eingeholt. In einem Briese an diesen
giebt der in beiden so viel erfahrene Meister nun der Sculptnr so
unbedingt den Vorzug, daß er sie die Leuchte der Malerei nennt,
und zwischen beiden einen Unterschied wie zwischen Sonne und Mond
findet. Wenn der Verf. hiezu bemerkt, daß ans diesem Briefe, wie
aus seinen Werken hervorgehe, daß seine künstlerische Thätigkeit eine
wesentlich plastische, und auch in der Malerei mehr auf das Element
der Form, als aus den Reiz der Farbe gerichtet gewesen- so ist ihn:
Letzteres zwar zuzugeben, dagegen erscheint mir seine Anlage zur bil-
denden Kunst unbedingt eine vorwaltend malerische, und zwar so
sehr, daß selbst in seinen Sculpturen, sowohl im Stylgefühl, als
in der großen Lebendigkeit der Motive, das malerische Element vor-
herrscht. Dieses gilt ebenso von seiner frühsten Sculptnr, dem

Relief mit dem wüthenden Kampf, in dem Hause der Familie Buo-
uaroti zu Florenz*), als von Werken seiner späteren Zeit, z. B. der
Maria mit dem Kinde und den vier allegorischen Figuren in der

*) S.. eine Abbildung hei Cicognara Thl. II., Taf.. LIX.

Grabcapelle der Mediceer. *) Als die Künstler und die Kunstfreunde
nach dem Tode des Michelangelo die Frage aufwarfen,. in welcher
Stufenfolge seine Leistungen in den vier Künsten, worin er geschaf-
fen, 'ihrer Größe nach zu stellen wären, gaben sic der Architektur
die erste, der Sculptnr die zweite, der Malerei die dritte, der Poesie
endlich die vierte Stelle. Von dieser Ordnung dürfte wohl unter
den Kunstgebildeten unserer Zeit nur die Poesie, wie höchst bedeu-
tend seine Gedichte auch an -sich sind, an der ihr angewiesenen Stelle
bleiben, bei den übrigen Künsten aber unbedingt die Malerei die
erste, die Scnlptur wohl die zweite, die Architektur aber erst die
dritte Stelle einnehmen. Schwerlich möchte nämlich wohl irgend
jemand, welcher nur einigermaßen in den Geist der neueren Kunst-
geschichte eingedrungen, in Abrede stellen, daß die Decke der siptini-
schen Capelle sich als ein Werk der Malerei auf einer Höhe befindet,
welche keiner der plastischen Arbeiten des Künstlers als ein Werk

der Sculptnr einzuräumen ist. Höchst merkwürdig ist cs daher, daß

Michelangelo die Malerei, worin er doch selbst sein Bestes geleistet,
der Sculptnr so weit nachsetzt, ja daß er die -Ausführung jener

Decke, seines Hauptwerks, wie auch der Verf. bemerkt, nur mit

großem Widerstreben übernommen hat. In dieser subjektiven Be-
fangenheit eines so wunderbar begabten Genius liegt etwas sehr
Demüthigendes und eine bittere Ironie für die Unzulänglichkeit der
menschlichen Natur. Auch in der Architektur nimmt sein Haupt-
werk, die Kuppel der Peterskirche, wie bewunderungswürdig sie auch
ist, doch nicht einen solchen Gipfelpunkt ein, als jene Decke in der
Malerei. Schließlich hebe ich noch von den verschiedenen Briefen
des .Künstlers an Vasari den hervor, worin er ihm den Tod seines
treuen Dieners Urbino meldet. Der edle Schmerz einer großen
Seele, die sichere Zuversicht, dein Dahingeschiedenen im Paradiese
zu begegnen, das tiefe Gefühl des Trübsals in dieser Welt, sprechen
sich darin in einer so ergreifenden Weise ans, daß ich bedaure, daß
der Raum dieser Blätter mir verbietet, denselben ganz wiederzugeben.
In Betreff des schönen Verhältnisses Michelangelos zur Vittoria
Cölouna hat der Verf. sehr glücklich nach der Uebersetzung von Res
gis die von ihm an sie gedichteten Sonnette aufgenomnwn. Die
Liebesflamme, welche in ihnen lodert, ist von einer so reinen und
edlen, in das Jenseits alles Irdischen übergreifenden Art, wie sie
wohl selten ein menschliches Herz- durchglüht hat. An der Spitze
der Briefe von Tizian, welche zunächst folgen, stellt der Verf. in
sinniger Weise einen Vergleich zwischen diesem und dem Michelangelo
an. Wie so ganz entsprechen doch die in kräftiger, sinnlicher Lebens-
frische und der wärmsten Farbenglut prangenden Bilder des .Tizian
seinem lebensfrohen, äußere Pracht und schöne Feste liebenden Welt-
sinn, und wie- entschieden ist der Gegensatz, den dieser mit der ein-
samen, allen irdischen Glanz als nichtig verschmähenden, nur auf
das Geistige und Ewige gerichteten Erhabenheit des Michelangelo
bildet/ der uns auch so überwältigend aus der Decke der Sixllna
anspricht! Welche ausgezeichnete Wcltstellung Tizian einnahm, er-
hellt recht anschaulich aus der Weise, wie Fürsten und Herren in
diesen Brieferl fich um seine, doch mit hohen Preisen bezahlten Bil-
der als um eine besondere Gunst bewerben. Zugleich aber sieht
man aus einem Briefe des Federigo Gonzaga, Herzogs von Mantua,
wie man schon damals den großen Unterschied zwischen seinen flüch-
tigeren und fleißigen Arbeiten, der den Kunstfreunden unserer Tage
so sehr auffällt, gar wohl erkannt hat. In Betreff eines Christus,,
welchen er zu haben wünscht, sagt er-nämlich: „Ich bitte Euch da-
her, seid so gut und macht mir denselben mit der Sorgfalt und
dem Fleiße, den Ihr bei denjenigen Sachen anzuwenden- pflegt, mit
denen Ihr Ehre zu gewinnen wünschet . .. ., daß man ihn zu den
vortrefflichen Werken Tizians rechnen könne." In Betreff der

*). Ebenda Taf. LYI. und LYIII.
 
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