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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0202
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I V

behandelten Aquarellbildern zugefügt. Sie repräsentiren den Rhein-
wein, den Maitrank, den Punsch und den Champagner. Es dürfte
für den Referenten eine schwierige Ausgabe sein, all die feinen Be-
ziehungen und Einzelheiten darzulegen, die, in leichter Arabeskenform
gegeben, unserer Phantasie so großen Genuß gewähren und dieselbe
auf die angenehmste Weise beschäftigen. Das diesen Darstellungen
zu Grunde liegende, in gewissem Sinne musikalische Element läßt
nur Andeutungen des leitenden Gedankens zu. Das erste Blatt
giebt all' die sonnige Pracht des Rheines mit seinen: feurigen Wein,
den lieblichen Liedern und holden Franengestalten- wieder. Das
zweite Bild führt uns das heimliche, stille Walten des Frühlings
mit zarten Elsengeistern mit Blüthenduft und frischer Waldesluft
vor die Seele. In der dritten Darstellung braust das dämonische
Treiben der Feuerkobolde, die den Punsch brauen. Das vierte Blatt
zeigt den schäumenden und sprühenden Champagner; laut klingende
Fröhlichkeit, entfesselt durch den Knalleffekt des gelösten Pfropfens.
Das Ganze bildet eine bunte und doch wieder auf die sinnreichste
Weise verschlungene Compositiou, durch die eben die Eigenthümlich-
keit des feurigen Sohnes der Champagne charakterisirt wird. Die
Bilder sind Eigenthum des Städelschen Kunstinstituts geworden.

Von Moritz Oppenheim haben wir, außer einigen tüchtigen
Arbeiten im Portraitfach, vornämlich ein kleines Bild zu er-
wähnen, das, mit der bekannten Delikatesse dieses Meisters ausge-
führt, an die besten Leistungen der Niederländer des 17. Jahrhunderts
erinnert. Der Gegenstand ist einfach und anspruchslos und doch
liegt in dieser Einfachheit und Anspruchslosigkeit grade der Reiz des
Bildes. Es stellt eine Lehrstunde dar. Der Lehrer, anscheinend ein
jüdischer Schriftgelehrter, bekleidet mit einen: feinen langen schwar-
zen Rocke und weißer Halsbinde, sitzt in einem wohlausgestatteten
Gemache an einem Tische; neben ihm schreibt emsig ein Knabe, und
vor ihm steht ein hübsches Mädchen, das auf seine Worte horcht.
Nettigkeit, Sauberkeit und Eleganz spricht sich überall bis in die
kleinsten, mit ungemeiner Pietät behandelten Nebensachen aus. Eine
malerisch gewählte Beleuchtung verbreitet über das Ganze einen
eigenthümlichen Zauber der Behaglichkeit und vollendet den wohl-
thuenden Eindruck auf den Beschauer.

Jakob Becker hat in letzter Zeit von seinen Arbeiten nichts
an die Oefsentlichkeit gelangen lassen. Wir sind auf neue Produk-
tionen des trefflichen Meisters um so gespannter, als sein voriges
größeres Werk: „Flüchtende Landleute" uns leider nur auf allzu
kurze Zeit zur Anschauung geboten wurde.

Ebenso müssen wir bedauern, daß wir nicht Gelegenheit hatten,
von den: talentvollen Maler Carl Engel neuere Arbeiten zu sehen.
(Siehe D. Kunstblatt Nr. 22. Jahrgang 1853.)

Von Becker's Schülern sind außer Hasfelhorst und Schmitz,
deren bereits oben Erwähnung geschah, noch folgende zu bemerken:

Ernst Schalk, in humoristischer und gcmüthlicher Auffassung
der Erscheinungen des gewöhnlichen Lebens sich mit Glück bethäti-
gend, lieferte für den hiesigen Kunstverein ein launiges Bild: „Lu
xassant" betitelt. Ein Handwerksbursche auf der Wanderschaft, mit
Felleisen, Kuotenstock rc. ausgerüstet, findet an einen: schattigen Brun-
nen, wo sein Weg gerade vorbeiführt, eine schmucke Vauerndirne
mit Füllung ihres Wasserkrugs beschäftigt. Bruder N. N. nicht
faul, tritt unversehens rasch hinzu, uinsaßt mit „kühnem Griff" die
schlanke Taille der ländlichen Schönen und versucht einen Kuß auf
die Lippen der Widerstrebenden zu drücken. Das Bild ist recht
sauber und fleißig durchgesührt; doch möchte in Bezug auf Farbe
eine allzuhäufige Anwendung violetter Mitteltöne zu veriueiden, so
wie hinsichtlich der Form etwas mehr Derbheit zu wünschen sein.
Es freut uns nun, sagen zu können, daß er, diese Mängel selbst
fühlend, in seinem neuesten, noch nicht ganz vollendeten Bilde eines

Schneiders in seiner Dachkammer eine weit frischere Behandlungs-
weise' angenommen hat. Dazu sprudelt das Bild von Hulnor.

Adolph Schreher behandelt mit Vorliebe Darstellungen von
Schlachten und sonstigen bewegten Situationen, die ihm Gelegenheit
geben, das Pferd in den verschiedensten Gestalten zu zeigen. Ein
Bild, das ein Wettrennen zweier mit Pferden bespannter Bauern-
wagen darstellt, hat viel Schönes; es ist voller Leben; Farbe und
Sounenbeleuchtung sind sehr wahr. Auch in gcmüthlicher Auffassung
ruhiger Begebenheiten leistet Schreher Tüchtiges, so wie er in der
Darstellung von Hausthieren, besonders Hunden, ein eigenthümliches
Geschick zeigt.

Nicht gewöhnliche Erwartungen knüpfen sich an die Arbeiten
zweier Schüler Steinle's: Leopold Bode und Breuer, die beide
durch ihre Studien und Cartons zu Gen:älden bereits Proben eines
ernsten Sttebens abgelegt haben, der Erstere mehr in einer gemüth-
vollen, der Andere in einer energischen Richtung.

Wir kommen zu einer Gruppe von Malern, die durch die Art
ihrer Strebsamkeit, so wie durch gesellschaftliche Zurückgezogenheit
von den Kreisen der klebrigen eine besondere Fraktion im hiesigen
Kunstleben bilden. Es gehören dahin der rühmlich st bekannte Jakob
Dielmann, sodann Angilbert Göbel, Philipp Rumpf und
Anton Burger, alle Genremaler, außerdem der Landschaftsmaler
Jakob Maurer und der Blumenmaler Umpfenb ach.

Was die gemeinsame Tendenz dieser Künstler anbelangt, so hat
diese zwei Seiten, deren eine unbedingt anzuerkennen ist, die andere
aber die Gefahr einer Abirrung von: Wesen aller Kunst nahe zu
liegen scheint. Einerseits gehen dieselben von den: Princip aus, nur
die Natur, d. h. die äußere Erscheinung davon, mit möglichster Treue
wiederzuspiegeln, anderseits bleibt sie unbekümmert, ob mit dieser
Wiedergabe der äußern Erscheinung irgend ei:: geistiges Moment
zur Geltung und zur künstlerischen Gestaltung komme. Daß man
alles Flitterwerk, alles Prunken mit leerem Schein, alles Schönthun
! und alle Ziererei zu beseitigen trachtet, ist gewiß lobenswerth. Daß
man aber das Kind mit den: Bade ausschütte, wird nicht zu billi-
gen sein. Unserer Meinung nach ist der Geist, davon die Natur
nur die äußere Kundgebung ist, ein ebenso wesentliches Ingredienz
der Natur selbst, als der u:enschliche Geist ein nothwendiger Be-
standtheil des ganzen Menschen ist. Und wie der Künstler fehlen
würde, der uns vereinzelte Theile eines menschlichen Körpers, ab-
strahirend von aller geistigen Influenz, darstellen wollte, so würde
nicht minder das Bestteben, einzelne äußere Erscheinungen der Natur
aus ihrem Zusammenhang zu reißen und ohne geistige Durchdrin-
gung zu einen: Kunstwerke zu gestalten, tadelnswerth erscheinen. —
Im ersten Falle könnte der Maler zu einen: geschickten Anatomen
werden und aushören, schaffender Künstler zu sein, und im zweiten
vermöchte die Photographie den Künstler zu ersetzen, um so nichr,
wenn der sehr mögliche Fall einträte, daß mit der Zeit diese Er-
findung sich noch mehr vervollkommnet und die schöpferische Kraft
des bildenden Genicks also zum Concurrenten der Maschine herab-
gedrückt werden würde. Wir dächten zuden:, daß die -Kunstgeschichte
der letzten,Jahrhunderte uns nachgerade hinlänglich belehrt hätte,
wohin es führt und führen muß, wenn die Kunst, von aller Idea-
lität abgewandt, ihr Heil auf den: Boden ausschließlicher Realität
sucht, und somit das Mittel des Gedankenausdruckes zum Zwecke,
d. h. zum Gedanken selbst machen will. Der Mangel des Gedan-
kens ist in der Kunst ebenso schliuun, als die kalte todte Reflexion,
die die warme lebendige Idee vertreten soll.

Unbeschadet dieser Betrachtungen, die sich nur auf das allge-
meine Merkmal der von diesen Künstlern verfolgten Tendenz bezie-
hen, werden wir nicht anstehen, den einzelnen Leisttmgen derselben
unsere volle Anerkennung zu zollen. Jacob Dielmann hat wie-
 
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