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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0242
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Im Uebrigen ist das Kind durch ein schleierartig durchsichtiges
Hündchen bekleidet und hält in seiner Linken eine weiße Grasblume.
Von der Mitte seines Köpfchens und von .den Schläfen gehen gol-
dene Strahlen aus. .Das edle ernste Angesicht der Maria offenbart
selige Beruhigung; die Stirne wird verdeckt durch ein gelbes glatt
herabsallendes. Kopftuch, über welchem faltig und weis ein größeres
liegt, das Kopf und Brust verhüllt. Das. blaue Gewand, welches
an einem goldenen Knopf des rechten Oberärmels sich öffnend die
braune Innenseite und den violetten Unterärmel zeigt, wird auf dem
Schooße überdeckt von einem glatten Weißen Tuch, das zum Sitze
des Kindes dient. Goldige Kreislinien schweben über den Häuptern der
gebenedeieten Mutter und der Erlöserbraut; das schöne goldig braune
Haar der letzteren in Partien gehalten und theils zurückgebnuden
wird von einer goldenen zart gearbeiteten Krone mnfangen, von
welcher herab der duftige Schleier auf den schönen Hals und die
Schulter fällt; an einem goldigen Tragband über letzterer hängt das
fast verdeckte grüne Mieder und der schwerstosfige goldene weit herab-
fallende Aermel. Enganliegend, blau und an der Hand zurückge-
schlagen und golden besäumt ist der Unterarm bekleidet. Mit grüner
Innenseite fällt von der linken Schulter ein rothes Obergewand und
vollendet die Bekleidung der fesselnden Gestalt; denn ihre Erschei-
nung ist edel, keusch und stolz, durchdrungen von jenem im unteren
Theile des Gesichtes sich aussprechenden Zuge tiefer Sehnsucht des
Gemüthes nach seelischer Befriedigung. Auf dem Schnitte des
Buches, welches die heilige Jungfrau in der linken Hand trägt,
finden wir die schätzenswerthe Bezeugung des Bildes durch die in
schwarzen Buchstaben ausgeführte Inschrift*): B. L. 1506. Den
Hintergrund füllt eine Landschaft mit blauem Bergzug. Die Zeich-
nung ist bestimmt und die Farbe steigert sich im gelben Gewand-
stücke der heiligen Catharina zur Kraft und Glnth, während sich im
Kopfe derselben die größte Zartheit der weislicheu Carnation auö-
spricht. Das Helldunkel in den Figuren der Mutter und des Kindes
hat einen mehr grauen als gelblichen Ton und mag wohl seiuer
Lasuren hie und da beraubt sein, da überhaupt der Auftrag ziemlich
dünn erscheint. Die Modellirung erreicht nicht den hohen Grad
von Vollendung, welche das besprochene Bild des Leonardo aus-
zeichnet. Die Größe des Gemäldes beträgt 4—5 Fuß im Durch-
messer, es ist aus eine Leinwand gemalt, die später auf Holz auf-
gezogen worden ist. Da nach Passavants erwähnten Untersuchungen die
wahrscheinliche Lebenszeit des von Vasari**) nur beiläufig genannten
Bernardino Luini zwischen 1470 und 1530 liegt, so würde dadurch
unser 1506 gemaltes Bild in das letzte Jahrzehend der Lebenszeit
des Leonardo und in diejenige Periode des Luini fallen, wo dieser
noch strenger am Vorbilde seines großen Meisters festhielt.

lieber die Geschichte des Bildes ist es uns vielleicht später
möglich ein Weiteres beizubringen; für jetzt müssen wir uns schon
begnügen zu wissen, daß es aus dem Besitz eines Herrn Bergonzoli
in Mailand durch Erbschaft an die Familie Rosati, wohnhaft in
der Straße Caccia bove zu Rom, gelangte, aus deren Besitz es
hoffentlich eines unserer deutschen Museen an eine würdige Stelle
bringen wird.

Aus der Folge anderer Bilder, welche sammt dem Werke des
Luini aus Mailand an den römischen Besitzer kamen, heben wir
noch eine kleinere Darstellung der Madonna hervor, welche dem
Leonardo zuzuschreiben der Eigenthümer nicht verabsäumt'

In dem'schönen Bilde erscheint vor einem Lesepulte die Ma-
donna; die linke Hand auf ein aufgeschlagenes Buch gelegt, ist ihr

*) Brulliot kennt nur ein Monogramm, wozu Passavant noch zwei aus den
Kirchen von Como und Lugano fügt.

**) Vasari erwähnt den B. Luini zweimal; einmal im Leben des Garofalo
Bd. IV. -446, das andere Mal im Leben des Boccacino Bd. lila. S. 358.

Blick auf den Jesusknaben gerichtet; denn nicht als Kind, als schö-
ner, kräftiger Knabe erscheint er uns, den linken Ellenbogen der ge-
kreuzten Arme, auflegend, während die linke Hand sich unter das
Kinn 'schmiegt. In dieser Stellung wendet der schön und voll ge-
bildete Knabe sein Haupt links zur Mutter hinauf, und trägt seinen
großen hellen Blick in den der sanften reinen Mütterlichkeit. Das
von einer Gürtelschnur um die Hüften gehaltene röche eng. anlie-
gende Gewand ist am Halse von einer schwarzen Linie eingefaßt;
an der Mitte der Brust offen, wird es von kreuzweisen Schnüren
zusammengefügt und läßt rund herum den weißen Saum des Unter-
kleides sichtbar. Das braune Haar fällt von beiden Seiten des
Scheitels lang , und gekräuselt herab, allein zu den Seiten verdeckt
der herabfallende Schleier es ziemlich, über den ein blaues grün
gefüttertes Obergewand fallend den Anzug vollendet. Ein Nimbus
zweier Kreislinien schwebt über diesen! Haupte, dessen jungfräulicher
Reiz zu dem Knaben herabschaut, der in der Fülle eines gedeihenden
Buben mit seinem offenen blonden Lockenkopf seiner Mutter auf-
merkt, als sei er eines Wortes gewärtig. Nur ein kurzärmliges
Hemdchen bekleidet ihn; von den Schläfen und der Mitte des Kopfes
aus leuchten die Strahlen seiner göttlichen Herkunft. Ginge der
Künstler auch nur einen Schritt weiter in der Beschreibung eines
schönen und üppigen Knaben, würde er die spirituellen Anforderun-
gen, die wir vorerst an einen Jesusknaben zu stellen haben, über-
schreiten. Allein noch ist es ihm gelungen, eine edle Grenze einzu-
halten. Das holzeue Pult ist einfach gehalten, auf den wenigen
Verzierungen find gelbe Lichte aufgesetzt. Den Hintergrund bildet
ein dunkler Ton. Die Erhaltung ist gut, die Größe der Holzplatte
beträgt in der Höhe 14-', in der Breite 1-j'. — Wenn wir uns
auch nicht überzeugen können, dieses Bild ohne Weiteres dem Leo-
nardo bcizulegcn, so führt uns die Wärme des Tons und seine
bräunlichere Farbe im Helldunkel, dem vorigen Werke gegenüber,
auch die theilweise mehr vollendete Modellirung zu der Meinung,
daß es der Art und Weise des Cesaro da Sesto *) entspreche, und
diesem zuzusprechen sei.

Wenden wir uns**) von diesen beiden Werken, die durch ihre
stilvolle Behandlung, die Wahrheit und Innigkeit der ausgespro-
chenen Empfindung in so- hohem Grade erfreuen, zu einem Ju-
gendwerke der rafaelischen Muse. Von manchen Arbeiten Rafaels,
besonders von den kleineren, ffndeu sich bekanntlich mehrfache Wie-
derholungen***), worüber sich streiten läßt, welche von diesen das
Original und ob es überhaupt darunter sei. Vielfach sind uns
derartige Gemälde in Italien zu Gesicht gekommen, eins wählen
wir diesmal zur besonderen Besprechung aus.

Jene Darstellung des Christus am Oelberge, welche Rafael
nach Vasari's Angab eff) für den Herzog Guidubaldo von Urbino
malte, und die aus dessen Besitz zunächst an die Camaldolenser Don
Paolo Giustiniaui und Don Pietro Guirini und dann an die Familie

*) Wir führten von diesem Meister einen schönen spielenden Knaben unter
den Bildern des Monte Pietu, an.

**) Für Diejenigen, welche vielleicht die besprochenen Bilder gelegentlich auf-
snchen sollten, sei bemerkt, daß der Besitzer besonders eine Darstellung der Ma-
donna mit dem Kinde werth hält, die er der Meisterhand des Rafael zuschreibt.
Das nackte Knäblein liegt quer über dem Schooß der sitzenden Mutter, mit
Leiden Händen den Brnstsaum ihres Kleides greifend, indeß das Köpfchen sich
zum Beschauer wendet. Die Farbe im Fleisch hat einen warmen goldigen Ton
und jenen zarten GesichLSschnitt der Umbrischen Schule. Wir können uns indeß
nicht überzeugen, daß das Bild sich mit Berechüguug dem Rafael zuweisen ließe.

***) Wir werden später noch eine Reihe solcher Bilder zu erwähnen haben,
die in neuerer Zeit in Italien Auftnerksamkeit erregen, besonders die Vision des
Ezechiel und die Madonna der Bridgewater-Galerie.

f) Vasari, Leben Rafaels HI. 1. Abthl. S. 187, Passavant I. 77 u. II. 31.
Diese Composition ist nicht zu verwechseln mit einer zweiten dieses Gegenstan-
des, die Rafael als Predelle behandelte. Passav. n. 41.
 
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