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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0244
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Auf dem kleineren, welcher 9' breit und 114' hoch ist, befinden sich
12 Personen in zwei Drittel Lebensgroße. Die Darstellung ist, wie
außer der Inschrift schon der Augenschein lehrt, die bekannte Scene
aus dem alten Testament, wo Esther vor Ahasverus kniet. Die
Farben sind sehr verblichen. Der größere, nach dem Geber soge-
nannte Croyteppich ist ausführlich in Schilderer „Gr. akademischer
Zeitschrift" Band 1. Heft I.. p. 79 — 188 vom Professor Ahlwardt
beschrieben worden, so daß ich mich hier möglichst kurz fassen kann.
Der Teppich ist etwa 20' hoch und 22' breit und enthält 24 le-
bensgroße Figuren. In der Mitte predigt Di-. M. Luther auf einer
Kanzel, mit den vier symbolischen Zeichen der Evangelisten verziert,
und weiset auf ein Crucifixbild hin, über dem sich im Rahmen des
Teppichs eine Schlange ans einem Kreuze befindet, mit einer auf
beides bezüglichen mystischen Inschrift. Rechts von der Kanzel steht
Moses mit den Gesetztafeln und neben diesem eine Tafel mit der
Inschrift: „Jauchzet dem Herrn Alle Lande Psalter LXVLVL."
Diese ist später ergänzt, und man weiß nicht, wodurch die Lücke
ftüher ausgefi'lllt gewesen ist. — Unterhalb dieser Gegenstände ist
links die sächsische Familie abgebildet: Friedr. d. Weise, Joh. d. Be-
ständige, Joh. Friedr. d. Großmüthige, Joh. Ernst, Joh.. Friedr. II.
und DI., Margaretha v. Anhalt und Sibylle v. Cleve, bei ihnen
Melanchthon. Rechts ist die pommersche Familie, dargeftellt: Georg I.,
Barnim X., Philipp I., Joh. Friedr., Bogislaw XIII., Ernst Lud-
wig Barnim, Amalia v. d. Pfalz, Anna v. Braunschweig, Maria
v. Sachsen und Amalia v. Pommern, bei ihnen Bngenhagen. Alle
diese Portraits sind durch Inschriften erläutert. — Außerdem ist
das Bild mit den zwei großen Wappen - Pommerns und Sachsens
und mit den fünf kleinen Wappen der fünf fremden Prinzessinnen,
so wie in dem Rande mit Blumen-Ornamenten, Inschriften und
den Emblemen der Herzöge, so wie ihren Wahlsprüchen geschmückt.
Die auf dem Teppich befindliche Jahreszahl 1554 läßt sich mit
ziemlicher Gewißheit als die Vollendungszeit des Kunstwerks an-
nehmen, da der jüngste Prinz Barnim, 1549 geboren, etwa als ein
öjähriges Kind dargestellt ist, was er im Jahr 1554 auch wirklich
war. Die Tradition behauptet, daß der Teppich von den pommer-
schen Herzoginnen gestickt sei, und ist dieses sehr wahrscheinlich.
Gewiß gingen viele Jahre über der Vollendung dieses Werkes hin
und wir können als den Anfangspunkt die Zeit nach der Verheira-
thung Philipp I. mit Maria v. Sachsen, die durch Dr. M. Luther
1536 getraut wurden, annehmen; denn durch diese Heirath kamen
beide Häuser erst in eine solche Verbindung, wie sie dies Bild zeigt.
Wahrscheinlich begannen die Herzoginnen zuerst Luther und die säch-
sischen Fürsten nach Bildern von Lucas Kranach (denn in seinem
Styl sind die Portraits gehalten) zu sticken, dann folgten die ihnen
persönlich nahen pommerschen Prinzen, und zum Schluß die Kinder,
welche erst im Laufe der Arbeit geboren wurden.

Wir haben Gelegenheit gehabt, den vorerwähnten Teppich hier-
zu sehen, da der Maler Volte eben damit beschäftigt ist, im Auf-
träge des Königs eine Kopie von demselben zu nehmen. In der
That verdient dies seltene Prachtstück auch in künstlerischer Bezie-
hung alle Aufmerksamkeit sowohl wegen der Menge der durch er-
staunliche Lebenswahrheit und schlichte Naivetät der Auffassung
ausgezeichneten Portraits der Koryphäen der Reformation, als auch
wegen der anspruchslosen und darum ungemein ansprechenden Na-
türlichkeit in Haltung, Mienen und Gruppirung der dargestellten
Personen. Ohne Zweifel ist der Karton, nach welchem das Werk
ausgeführt wurde, ans der Schule Lukas Kranach's hevorgegan-

gen, wie ja selbst die eigenthümliche Gegenüberstellung des Gekreu-
zigten und des auf der Kanzel predigenden Luther an das bekannte
Wittenberger Bild des Meisters erinnert. Ein besonderes Interesse
des trefflich erhaltenen, wenn schon ein wenig ausgeblichenen Werkes
liegt in der Zusammenstellung so vieler lebenswahr aufgefaßter Por-
traits ans derselben Zeit, in welchen man dem gemeinsamen Typus,
den diese den Physiognomien ausgeprägt hat, in den mannigfaltig-
sten individuellen Umgestaltungen begegnet. D. Red.

e i t u ll g.

X. T. JjftlberftrtMy im Juni. Paramentik. Wir haben bereits in
Nr. 5 des D. Kunstblattes darauf aufmerksam gemacht, daß die katholische Kirche
sich jetzt eifrig bestrebt, genaue Ermittelungen über die liturgischen Gewänder
und Attribute des Mittelalters anzustellen, um nach 'Muster, Farbe und Schnitt
besonders-des 12. und 13. Jahrhunderts Gewänder für den liturgischen Ge-
brauch u. s. w. neu anfertigen zu lassen. Herr Kaplan Bock aus Köln berichtet
uns aus Rom, daß er nunmehr zum Ziel seiner Reise durch Deutschland und
Italien gelangt sei, aber auch heute noch anssprechen muffe, daß die Sammlung
der Kirchengewänder rc. im Dom zu Halberstadt unübertroffen dastände, ins-
besondere in Bezug aus das hohe Alter der Gewänder und der kunstvollen,
kostbaren Stickerei, so wie auf Vollständigkeit der Zeitfolgen. In Branden-
burg sollen sich einige mittelalterliche Gewänder befinden, doch soll die Aufbe-
wahrungsart darthun, wie geringen Werth man darauf lege. In der Marien-
kirche in Danzig soll sich ein reicher Schatz von liturgischen Gewändern aus
dem Mittelalter befinden, die, enffchieden weniger kostbar als die in Halberstadt,
leider in einem dumpfen,, etwas feuchten Gewölbe aufgehängt sein sollen. In
Stralsund und Posen sei Einiges, aber Nichts von Bedeutung; ebensowenig
in Dresden, Prag und Wien.

In Anagni bei Frosinone in Italien hat Herr Bock einige kostbare
alte Gewänder, freilich sehr defekt, gefunden, und setzt diese in die Zeit Jnno-
cenz 111. und Bvnifacius des VIII. Sonst, habe sich auch bis nach Neapel hin
nichts weiter von Werth gefunden, als die herrliche Palla d'oro in St. Marcus
zu Venedig, und die Dalmattca Caroli Magni in St. Peter in Rom, und
außerdem gar nichts aus byzantinischer Zeit.

Herr Kaplan Bock beabsichtigt, im August wieder nach Halberstadt zu kom-
men und hier das gesammelte Material zu bearbeiten für ein eigenes Werk über
Paramentik, für welches die Schätze in Halberstadt die Hauptmomente bieten.

Dt. Nürnberg. Das früher im Deutschen Kunstblatte besprochene Al-
bum mit Darstellungen aus dem Nürnberger Volksfeste ist, mit paffendem
Titel- und Schlußblatte versehen, vom Verfaffer deffelben, Maler I. Maar,
dem Könige Max überreicht und von demselben mit einer goldenen Medaille
beantwortet worden. — Da der König mit seiner Familie diesen Sommer Mirn-
berg auf längere Zeit zu besuchen dentt, so haben wir Aussicht, daß wiederum
ein ähnliches Volksfest, wie im vorigen Jahre, gefeiert werde, worüber seiner
Zeit der Bericht erfolgen soll.

Es werden zum Empfang der königlichen Familie bereits Vorbereitungen
gemacht. Sämmtliche Gewerke arbeiten an Geschenken, die man dem Monar-
chen bei seinem Einzüge zu überreichen und wodurch man ihm den eigeuthüm-
lichen Stand des Gewerbfleißes in Mrnberg anschaulich zu machen dentt. Die
Ausrüstung der Burg ist ihrer Vollendung nahe. War an der äußeren und
inneren architektonischen Ausschmückung derselben Manches auszusetzeu, so ist die
M'öblirung der Zimmer, welche durchweg in altdeutschem Geschmacke ausgeführt
ist, um so gelungener zu nennen. Dieselbe steht unter der Leitung des Direktor
Kreling und Prof. Mayer, welche beide die Zeichnungen zu den verschiedenen
Sachen geliefert und die Ausführung derselben nach ersteren selbst überwacht
haben. Die Kunst der neueren Ornamenttk, die hier in durchaus klargedachten,
wohlverstandenen, und nach den altüberlieferten Formen naturgemäß weiter ent-
wickelten Schöpfungen sich zeigt, feiert in dieser Ausrüstung unserer alten Kaiser-
burg einen wahren Triumph. — Vom Direttor Kreling sind vier Figuren, in
Gestalt altdeutscher Herolde, modellirt worden, die lebensgroß in Bronce ge-
gossen und als Lichtträger unter der großen Linde im Burghofe aufgestellt wer-
den sollen.

(Dieser Nummer ist Nr. 13. und 14. des Literatur-Blattes des Deutschen Kunstblattes beigegeben.)

Das Blatt erscheint wöchentlich einmal; Abonnements nehmen alle Buchhandlungen und Postämter des In- u. Auslandes für den vierteljährlichen Preis von 1 Thlr. 20 Sgr. incl. aller Beilagen an.

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Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowitzsch und Sohn in Berlin.
 
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