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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0246
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234

baukünst in ausgefichrten Werken und in Entwürfen uns begegneten,
so müssen wir eingestehen, daß sie nur in einer sehr mäßigen Zahl
solcher neueren Leistungen uns als wahrhaft bedeutend und als
der Lösung der vorliegenden Aufgabe gewachsen entgegentrat. —
Kirchen wurden zwar auch in Deutschland in letzterer Zeit viele
gebaut, doch fast alle mit beschränkten Mitteln, geringen Maßstabes
und von gewöhnlicher Constrnktion. Bei denjenigen dieser Bauten,
bei denen man den mittelalterlichen Sthlarten mehr oder weniger
sich zuneigte, folgte man zumeist — wie es den Anschein hat —
weniger selbstständig gepflegten und in die Tiefe des Gegenstandes ein-
gedrungenen Studien der herrlichen mittelalterlichen Bauwerke und
einer daraus gewonnenen selbstständigen und bewußten künstlerischen
Kraft, als vielmehr, in der Stellung einer mehr oder weniger glück-
lichen Nachahmung, dem Vorbilde jener in England, seit den letzten
Decennien in so übergroßer Zahl erbauten Aktienkirchen, welche
anzulegen sich als eine ergiebige Rente erwies und noch erweist und
an denen die'englischen Architekten mit anerkennenswerthem Geschick
und mit Aufwendung mäßiger Geldmittel der alten kirchlichen Kunst
ihres Landes eine gewisse wohnliche und comfortable Seite, die in
den Formen der Herrlichkeit und Änmuth fast an den Charakter der
Boudoir - Architektur anstreift, 31t entheben wußten. — Diese
Aufsassungsart der kirchlichen Baukunst würde bei der vorliegenden
Aufgabe nicht zu brauchen sein: sie will die Schwungkraft der alten
Zeiten und ein Werk, würdig den Werken jener zur Seite zu treten!

Jene Besorgniß und die eben ausgesprochene Ansicht lassen uns
sehr bedauern, daß in dieser wichtigen Angelegenheit die Form,
welche fiir die Bekanntmachung des Programmcs gewählt wurde,
sehr abweichend war von der in ähnlichen Fällen und bei ungleich
geringfügigeren Veranlassungen hergebrachten und den Künstlern ge-
wohnten Form; vielmehr einer Auffassung unterworfen wurde, durch
welche der ausdrückliche Willen des durchlauchtigsten Protektors der
Unternehmung: „Die Lösung dieser Ausgabe allen Architekten des
In- und Auslandes dubch Einladung zur Theilnahme an dem Kon-
kurse" — zur Pflicht zu machen, ziemlich entschieden auf den Stand-
punkt der Illusion gestellt wird.

Die Feststellung des Programmes nämlich und die Anordnung
von dessen öffentlicher Kundmachung erfolgte durch Se. Kaiserliche
Hoheit den durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Ferdinand Map am
26. März d. I. Wenige Tage darauf erfolgte die Kundmachung
in einigen österreichischen Zeitungen, wie uns erst jetzt Veranlassung
gegeben wurde, in Erfahrung zu bringen in folgender Weise:

Konkurs-Programm

für die in Folge des Anfrufes Sr. kaiserl. Hoheit des durchlauchtigsten Herrn
Erzherzogs Ferdinand Max in Wien, zu erbauende Votivkirche.

1. Zur Theilnahme an diesem Konkurse sind alle Architekten des Jn-
und Auslandes eingeladen.

2. Die Kirche wird auf dem durch die Allerhöchste Gnade Sr. Majestät
des Kaisers dazu gewidmeten Platze, dem kaiserlichen Schlosse Belvedere gegen-
über, in dem am höchsten gelegenen Stadttheile von Wien aufgeführt werden.

3. Die Kirche soll vier bis fünf Tausend Menschen fassen können, im
gothischen Style erbaut werden und zwei Thürme erhalten. Außer dem Hoch-
altäre werden vorerst nur zwei Altäre angebracht, jedoch ist Raum für noch
mehrere Altäre in dem Banplane anzuordnen.

Es sind keine Emporen, doch im Chore zwei große Oratorien änznbringen.

4. Für die Bauführung sind 1,500,000 fl. C. M. bestimmt. Die Kosten
der Altäre, so wie der gesammten inneren Ausschmückung sind in dieser Summe
nicht inbegriffen.

5. Die Einhaltung der Bausumme ist in einem ausführlichen Kostenan-
schläge ersichtlich zu machen. Zur Ausarbeitung desselben kann nebst dem
SituationSplane, worauf die Beschaffenheit des Bauplatzes angegeben ist, auch
ein Preisverzeichniß der in Wien üblichen Materialpreise und Arbeitslöhne bei
dem Secretair des leitenden Comitä's, I)r. Perthaler, Wallnerstraße Nr. 263,
behoben werden, an welchen man sich auch wegen allenfalls gewünschten Aus-
künften in Betreff dieses Konkurses zu wenden hat. -

- 6. Die Pläne sind im Maßstabe von- 9 Linien — 2 Centimetres für eine

Wiener Klafter — 1.89 Metres in reinen Contonren auszuführen und müssen
ans so-vielen Grundrissen, Aufrissen und.Durchschnitten bestehen, als erforder-
lich sind, um den Entwurf, der-übrigens -auch zu cotiren ist, in jeder Beziehung
verständlich darzustellen.

7. Jeder Entwurf ist mit einem Wahlspruche zu bezeichnen und bis
1. November 1854 mit der Adresse: „an das leitende Comite für den Bau
der Votivkirche" in der fürsterzbischöflichen Konsistorialkanzlei in Wien zu
überreichen.

Ein den Entwurf begleitendes, von außen mit demselben. Wahlsprnche ver-
sehenes, unter Siegel gelegtes Blatt muß den Namen und Wohnort des Kon-
kurrenten enthalten.

8. Die Wahl des Entwurfes haben sich Se. kaiserl. Hoheit der Herr
Erzherzog Ferdinand Max unter dem Beirathe Höchstihres allerdurchlauchtigsten
Oheims, Sr. Majestät des Königs Ludwig von Baiern, Vorbehalten.

9. Der zur Ausführung gewählte Plan 'wird mit 1000 Stück Dukaten
in Gold honorirt. Außerdem behalten sich Se. kaiserliche Hoheit vor, für einige
andere gelungene Ausarbeitungen, welche übrigens Eigenthum der Verfasser
bleiben, eine Vergütung von je 1000 fl. C. M. zn gewähren.

Es unterblieben die Bekanntmachung in Zeitungen des Aus-
landes, wie auch die Zusendungen betreffender Programme in be-
sonderem Abdruck an die öffentlichen Kunstinstitute und an einzelne
ausgezeichnetere Künstler: alles herkömmlich in Fällen, wo bei
der Lösung künstlerischer Aufgaben eine allgemeinere Betheiligung
gewünscht und gewollt wird. — Unter dem 5. April brachte
zwar, wie wir hören, die Augsburger Allgemeine'Zeitung — das
in Norddeutschland gelesenste Süddeutsche Blatt — in der Form
eines Correspondenz-Artikels fast die vollständige Mittheilung des
Programmes wie es jetzt vorliegt doch unter dem Ausdruck „der
wesentlichsten Punkte desselben", welche dem Correspondenten seien
mitgetheilt worden — nicht als öffentliche Kundmachung des Pro-
grammes selbst; diese wurde bezeichnet als „nächstens bevorstehend." —
Es scheint demnach, auch dem wiener Correspondenten des genann-
ten Blattes sei die Kundmachung in den österreichischen Blättern
entgangen. Die Künstler harrten vergeblich auf wirkliche Bestäti-
gung jenes Artikels, dem beiläufig, wie jetzt sich erweist, eine kleine
und für die Künstler doch unendlich wichtige Angabe mangelte:
die Angabe des Maßstabes in welchen: die Zeichnungen gewünscht
wurden, und von dessen Kenntniß der Anfang der Arbeiten durch
die Künstler, welche sich betheiligen wollten, abhängig blieb. -—
Auch wir hatten uns von der betreffenden Instanz keiner Mitthei-
lnng zu erfreuen. Erst vor wenigen Tagen also fast drei
Monate nach der Kundmachung in den österreichischen Blättern
empfing man außerhalb Oesterreich, durch die so eben erschienenen
jüngsten Hefte der Wiener Allgemeinen Bauzeitung, das vollstän-
dige und bestätigte Programm und volle Kenntuiß der Sachlage.

Den also betroffenen Künstlern bleiben deinuach bei den: fest-
gestellten Einlieferungs-Termine der Arbeit zur Vollführung derselben
von den ursprünglich frei gegebenen sieben Monaten Zeitfrist deren
nur vier uoch übrig.

Wir vernehmen in den uns näher liegenden Kreisen und auch
darüber hinaus, daß in dieser kurzen Zeitfrist die Arbeit schwerlich
von irgend einem der also berührten Künstler werde beschafft wer-
den können: dazu sei sie zu bedeutend durch ihren Inhalt und durch
die, bei ihr geforderte, materielle Form. — Es ist dies doch keine Ar-
beit — so hörten wir Künstler von Bedeutung sich aussprechen —
welche man in das Gebiet der täglichen Routine-Arbeiten rech-
nen und im Galopp-Tempo abfcrtigen kann; letzteres ist überhaupt
nur möglich, wo es um die Anwevdung rein materieller Kräfte sich
handelt und über dieselben ohne.Rückhalt verfügt werden darf.
Doch Arbeiten des Geistes, ungewöhnlicher Art, den höchsten Be-
ziehungen der Menschheit zugewendet, in ihrer praktischen Realisa-
tion aus die vielseitigsten Thätigkciten influirend und auf den: Wege
ihrer Erfindung die Kräfte des Geistes und jene des Gemüthes in
 
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