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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0326
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312

tonischen Tafeln nicht wohl im Einklänge. Der Styl der Ehckschen! keinen Einfluß, das Relief unterwarf sich nicht antiken Stylgesetzen;

Schule und selbst der deutschen Malerei bis zum Beginne des
16. Jahrhundert hat keine Verwandtschaft mit der italienischen
Architektur des 15. und 16. Jahrhunderts, am Wenigsten mit den
Werken des Bramante oder gar des Palladio, welche hier aus der
letzten, den Werken der niederländischen Malerei vorangehenden
architektonischen Tafel Vorkommen; er steht vielmehr mit der spät-
gothischen Architektur im Zusammenhänge, welche nach Kuglers
Vorgänge auch im Atlas nur im Mittelalter kurz erwähnt ist.
Wollte man daher das Verhältniß der Malerei zur Architektur be-
rücksichtigen, so hätte auch hier der Ehckschen Schule eine architek-
tonische Tafel mit spätgothischen Gebäuden der nördlichen Länder
vorangehn müssen. Diese Verletzung der Consequenz wird indessen
für den Gebrauch des Werks nicht eben von Nachtheil sein, da der
Eingeweihete, der diese Tafeln zum Nachschlagen braucht, dadurch
nicht irre gemacht werden kann, Lehrer und Lernende aber sich leicht
orientiren werden. Sie gewährt sogar mittelbarer Weise eine recht
eindringliche Belehrung über das auch hier noch bestehende Ver-
hältniß der Baukunst zur Malerei, da es selbst dem minder geübten
Auge einleuchten muß, daß diese Malerei mit der kurz vorher ge-
schilderten italienischen Architektur unvereinbar war.

Gehn wir hienach auf das Einzelne ein, so behandeln die ersten
8 Tafeln die italienische Renaissance des 15. Jahrhunderts. Die
architektonische Tafel zeigt uns hier das bewußte und begeisterte
Studium der Antike, neben dem Bestehn mittelalterlicher Anschauun-
gen und Bedürfnisse. Wie jedes neue Bestreben tritt auch die
Renaissance noch bescheiden auf; Brunelleschi, der zuerst die antiken
Gebäude in Rom gemessen und gezeichnet hatte, kommt dadurch doch
nur zu neuen constructiven Gedanken, wie seine Kuppel von S. M.
del siore aus Tafel 57 zeigt, oder zu einer Annäherung an den
Basilikenstyl mit consequenterer Durchführung. Dies lehrt die schöne
Kirche von S. Spinito; der Spitzbogen ist verschwunden, Gebälk
tritt über den Säulen und über den Scheidbögen ein, aber von dem
unmittelbaren Nachahmen vorchristlicher römischer Gebäude ist er
noch völlig frei. Noch stärker ist die Kraft mittelalterlicher Ge-
wohnheiten an den toscanischen Palästen, die hier durch den schön-
sten derselben, den Palast Strozzi, repräsentirt sind. Erst der ge-
lehrte und vielseitige L. B. Alberti verläßt völlig den bisherigen
Gebrauch und giebt in der Fa^ade von S. Francesco zu Rimini
deu ersten, und wie man anerkennen muß, sehr reizenden und ver-
fiihrerischen Versuch, die Eiugangsseite einer Kirche ganz nach anti-
ken Principien, mit einem Anllange an die Gestalt der Triumph-
bögen, anszustatten. In Norditalien, wo noch jetzt am Dome zu
Mailand nordische Architekten bauten, kann man sich zu der Ein-
fachheit der Brunelleschi und Alberti noch nicht entschließen; die
Fa^ade der Certosa von Pavia ergiebt, daß man hier durch eine
freilich unorganische, aber in der Ausführung sehr anziehende Zu-
sammenstellung antiker Zierformen mit der Fülle und Mannigfaltig-
keit des gothischen Styls zu wetteifern unternimmt. Aehnliches zeigt
S. Zacharia zu Venedig, nur daß hier statt der knappen Zierlichkeit
der germanisch .gestimmten Lombardei breitere und vollere Formen
eintraten.

In der Plastik und Malerei dieser Epoche machen sich die
antiken Studien nicht so nackt geltend. Christliche Idealität und
modernes Gefiihl waren hier zu mächtig, um nicht einen starken
Einfluß auf die Künstlers auszuüben. Die Bedeutung der Antike
bestand daher hier hauptsächlich darin, daß sie den Künstlern ein
tieferes Verständniß der Natur eröffnete, und zwar zunächst, bis die
akademische Richtung auch die Natur in einem abstraktern Sinne
auffaßte, der wirklichen einheimischen schönen Natur des italienischen
Volles. Auf die Principien der Kunst hatten daher diese Studien noch

von dem Gegensätze antiker und moderner Naturanschauung hatte man
noch keine Ahnung und schöpfte unbefangen, nur mit geläutertem
Sinne aus der wirklichen Gegenwart. Daher die Verbindung einer
liebenswürdigen Naivetät mit ernsten Naturstudien, welche den Vor-
zug dieser Kunstepoche bildet. Wie sich dies in der Sculptur, bei
Ghiberti mit vorwaltendem Schönheitssinne, bei Dönatello mit über-
wiegendem Stteben nach Charakteristik, Pathos und Lebenswahrheit,
bei andern in verwandter Weise gestaltete, zeigen die beiden der
Sculptur gewidmeten Tafeln in 21 wohlgewählten Beispielen. Die
Malerei stand natürlich in noch engerm Zusammenhang mit den
Empfindungen und Anschauungen der Gegenwart, duldete daher nur
einen geringern Einfluß der Antike, war aber um so empfänglicher
für die Erscheinungen der Natur. Daher neben der anmuthigen
Frömmigkeit des Giovanni Angelico, der als der letzte Nachfolger
Giottos in der idealistischen Richtung des 14. Jahrhunderts betrach-
tet werden kann, die portraitartige Behandlung der heiligen Gegen-
stände, die sich bei Ghirlandajo, Masaccio und Filippino Lippi zeigt,
welche sämmtlich hier durch größere Kompositionen, Fra Giovanni
auch sehr zweckmäßig durch zwei einzelne, in größerm Maaßstabe be-
zeichnte Engelköpfchen repräsentirt sind. Auf diese porttaitartige
Auffassung der Natur hatte, wie sich unter Andern bei Ghirlandajo
unverkennbar zeigt, die Eycksche Schule einen erheblichen Einfluß,
wahrend Benozzo Gozzoli, den der große Umfang seiner besten Com-
positionen wohl hier ausschloß, die heitere Naivetät des Zeitalters
in rein italienischer Weise gezeigt haben würde. Bald aber machte
sich die Vorliebe für die Antike auch in der Malerei geltend, wie
dies die Geburt der Venus des Sandro Botticelli und noch be-
stimmter Mantegna's Compositionen, nanientlich der Triumph des
Caesar beweisen. Endlich führten aber auch die Naturstudien wei-
ter; man begnügte sich nicht mehr mit jener, wenn ich so sagen darf,
bürgerlichen Natur des Ghirlandajo und Masaccio, sondern sttebte
nach einer großartigen Auffassung, die am Schluffe des Jahrhun-
derts bei Luca Signorelli in der Auferweckung der Todten im Dome
zu Orvieto, der hier eine ganze Tafel gewidmet ist, mit überraschen-
der Mächtigkeit hervortritt. In der vorigen Epoche hatte es nur
eine italienische Malerschule gegeben, die des Giotto, in der gegen-
wärtigen brachte der wachsende Individualismus und die politische
Sonderung der Provinzen eine Trennung der Schulen hervor. Den
drei Tafeln der toskanischen Schule sind daher zwei andre, der ober-
italienischen und der umbrischen Malerei gewidmete beigegeben, auf
denen die Venetianer Antonio Vivarini und Bellini, Mantegna (dessen
theilweise oben erwähnte Herübernahme in die toskanischen Blätter
eine erlaubte und zweckmäßige Freiheit ist), Bramantino u. A., so
wie andrerseits Francesco Francia, Perugino und einige andre der
bedeutenden Umbrier verkennen.

Die folgende, klassische Epoche der italienischen Kunst, im We-
sentlichen die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts, zählt 11 Tafeln.
Jene Naivetät weicht nun einem bewußten Bestreben die Reinheit
antiken Styls mit den Anforderungen der Gegenwart zu verschmel-
zen, was durch das Schwinden des kirchlichen Sinnes und durch
die weltliche Prachtliebe erleichtert wird. Dies ergiebt auf den ersten
Blick die architektonische Tafel (71), auf der in ihrer sehr zweck-
mäßigen Zusammenstellung die Paläste vorherrschen, und welche die
Steigerung von dem einfachen und noch strengem Style des Bra-
mante zu dem graziösen Reichthum des Sansoviuo und den festlichen
genuesischen Bauten des Galeazzo Alessi durchführt. Dem Bestre-
ben auf klassische Reinheit 'und Pracht, das in der Architettur-vor-
herrschte, entsprach in der Sculptur die Richttmg auf das Gewaltige
und Kräftige, hauptsächlich von Michel Angelo gefördert, dessen bild-
nerische Thätigkeit auf Tafel 72 durch fünf seiner Werke auf ihren
 
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