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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0356
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schließt und lenkt als absolutes Subjekt. Oft verbirgt es auch jetzt
noch dem inneren Auge dies Angesicht, und wirkt als die geheime
Gewalt sittlicher Weltordnung. Auch dann jedoch sind die Indivi-
duen ihrer unvergänglichen Dauer meist so gewiß, daß der Unter-
gang sie nicht für sie selber zerstört. Der Tod hat sein Recht ver-
loren und das Grab läßt der Erde nur Irdisches.

Bei dem Vorwiegen des Subjektiven braucht überhaupt das
Individuum nicht so. völlig in Zwecke und Leidenschaft aufzugehen,
daß es nicht, rechtzeitig gewarnt, ebensosehr im Staude wäre, zu
friedlicher Ausgleichung die Hand zu bieten.

Den ähnlich veränderten Weg geht die Komik. Sie läutert
Objekte, Zustände und Charaktere nicht länger von der gleichsam
privateren Thorheit. 2e mehr das Absonderliche zum Widersinn
führt, zieht sie es gerade mit Vorliebe groß. Sie hegt und pstegt
es als unversieglichen Born. Für sie ist der Keim der Narrheit
Menschen und Dingen so eingeboren, daß er, wohin nur das Auge
blickt, unversehens hervorbricht. Im Durcheinander der wirren Welt
wird alles albern und klein. Dem Nichtigen am meisten leihen die
eitelen Wünsche Ansehen und Wichtigkeit. Von diesen Täuschungen
unbeirrt, liegt die Weisheit nicht in dem prosaischen Ernste, der das
Relattve als fest und Bedeutungsloses als wesentlich nimmt. Sie
beruht auf der kecken Laune, die, weil sie inmitten der Thorheit
darüber steht, die Faschingslarve vertraulich lüftet, daß jeder um so
fröhlicher weise sei, je flunkernder der Schimmer ist, der verschwindet.
Die Komik wird zum freien Humor.

Auch aus Vischer's Beobachttmg geht hervor, daß der Quell
des Humors aus den Tiefen der Seele sprudelt, die vom Absoluten
und Echten erfüllt, das Nichtige der Wirklichkeit, — eigene Schwä-
chen nicht ausgenommen, —- nur harmlos als nichtig behandeln kann,
da der Widerspruch gegen das Absolute nichts als den flüchtigen
Schein betrifft. Als specielleren Unterschied gegen plastische Komik
möchte ich hinzufügen, Humor fei dort nur zu suchen, wo die par-
tikuläre Gestalt erst recht die Verkehrtheit fördert, und aus der an-
schaulichen Schilderung jene Seelenfrohheit und Sicherheit als der
reine Grundton herausklingt.

Die neue Schönheit hat in ihrer bisherigen Entfaltung die
Plastik nur aufgelöst und das Ideal überschritten. Sie sollte es
aber ebensosehr in sich enthalten. Die stets weitere Entfernung muß
zuletzt an ein klareres Verweben des Inhalts mit Charakteren und
äußerer Umgebung mahnen. Ohne Reinigung von verdeckenden
Zügen, ohne schärferes Eindringen in jede geheimere Falte gelingt
ihr dies nicht. Sie wird idealer in ihrer Form, plastisch offener
in ihrem Ausdruck, und um beides zu können, begrenzter in dem,
was sie mehr darstellen, als gemüthreich schildern will. Wie sehr
sie damit dem plastischen Ideal noch einmal nahkommt, darf sie doch
ihren ursprünglichen Typus nicht ganz verlassen. Sie muß das
Innere in seinem Seelenhauch als Mittelpunkt festhalten, und der
specielleren Charakteristik noch immer Sorgfalt widmen. Um vieles
schonender als das plastische Ideal stteift sie mir das eigentlich Zu-
fällige und Unpassende ab. Strengeres Fortschneiden bis zur Ab-
straktion, direktes Nachbilden des Ideals sind wie kühlere Eleganz
eine Abirrung, zu der nur das Unvermögen, die frühere Grundform
in die jetzige hineinzuheben, verführt. Der Drang des auslebenden
Mittelalters hat dies im Erneuern der alten Kunst oft und deutlich
genug gezeigt.

Zur Alleinherrschaft kann sich das Wiedererwecken plastischen
Ideals überhaupt nicht ausdehnen. Ganze Jnhaltsgebiete entziehen
sich dieser Läuterung, und auch die zusagenden treten durch die feste
Begrenzung, deren sie dann bedürfen, gleichsam als neuer Götter-
und Heldenkreis aus, in welchem jede Gestalt um ihrer gereinigten

Schönheit willen auf sich beruhen und schlechthin genügen soll. Vor
dem Forum des Absoluten aber hält keine Beschränkung Stand.
Die volle Wahrheit ist weiter und bringt das scheinbar Sicherste in
Fluß, Veränderung und Verderben. Dinge wie Charaktere, Begeben-
heiten und Lauf der Welt sind nur für trübere Blicke unwandelbar.
Erst im Vertreiben so falschen Scheins offenbart sich ihr tieferes
Wesen.

Ein noch regerer Humor, der über alles hinreicht, was lebt
und athmet, kehrt sich an jene wiedergeborene Schönheit nicht. Er
stellt sich in Gewißheit des Absoluten mitten in die Wirklichkeit zu
neuem Lösen und neuem Binden. Auch in das Tragische mischt er
sich ein. Zu dem Glück des Uebermuths kann sich der Magische
Schmerz nicht aufhellen. Aber woran sie hängen mit ganzem Ge-
müth, ihr Liebstes und Heiligstes sehen die Leidenden selbst als un-
haltbar an, keine nur äußere Gewalt raubt ihr vergängliches Kleinod.
Sie müssen es sich in eigener Seele als nichtig zerstören. Die Er-
fahrung der Eitelkeit aller Dinge treibt sie wider Willen zum er-
schütternden Grimm des Humors, den kein weiterer Schlag mehr
treffen kann. Shakespeares und Byron's Helden besonders ent-
ziffern diese Räthsel der Menschenbrust, deren schöne Lösung zum
Schwersteu gehört.

Im Subjekt begründet wird der Humor unvermerkt subjektiver
Art. Was sonst folgerecht scheint, würfelt er zu schlagenderer Wir-
kung verquer durcheinander, verknüpft das anscheinend Fremdeste zu
bis dahin verborgener Beziehung, biegt sich und springt zu richtigem
Wurf, oder beleuchtet und deutet wider gewohntes Anschauen und
gäng und gäbes Verständniß.

Jsolirt er sich aber auf seinen besonderen Scharfsinn, und giebt
sich flüchtigen Einfällen hin, die er mühelos hascht, oder schwieriger
einsängt, so verändert er sich zum leichteren Witz. Der Gehalt des
Absoluten entschlüpft der Hand, wenn ihn die volle Seele nicht fest-
hält. Der Witz wird schadenfroh, bissig, verstandesklar. Doch die
gleich scharfen Zähne haben andere auch, und Verstand kann Ver-
ständige überbieten. Und mag der Witz auch anschaulich, heitrer
und freier spielen, den echtesten selbst machen Gegenwitze zu nichte.

Der Rettungshafen ist nur die Bucht jenes steilen Eilandes,
von dessen Felsenhöhen der entfesselte Blick mit demselben Auge das
Absolute wie die Dinge der Welt überschaut, und das Falsche und
Wahre dieser nur an der Thätigkeit jenes abmißt. Von diesem
Standpunkt aus spiegelt jede Erscheinung, in dem Wogenmeere des
Absoluten verjüngt, durch ihr individuelles Leben — sei es noch so
einzeln und subjektiv — das unvergängliche Leben wieder.

Die Wirksamkeit des Absoluten, die hier zur Menschenseele sich
sammelt, und dort Grashalm und Sandhügel durch Einklang in das
Gesammtleben zum Mitausdruck dieses Lebens weiht; hier jedes
Höchste am tiefsten, der Schranke wegen, .in welche das Dasein ein-
hegt, sein Martyrium dulden läßt, doch den tragischen Schmerz zur
Glorie wandelt, und dort im Lodern und Sprühen ihres freiesten
Spiels das Endlichste mit leichter Grazie hinwegzehrt — diese Wirk-
samkeit, vom Beginn an die Grundlage, wird für sich selbst zu dem
thätigen Prinzip, dem Inhalt und Form ihre Schönheit verdanken.
Nur unselig ausgeschlossen von diesem Leben, ist jeder Gegenstand
in sich verödet, häßlich und todt. Vom Scheine des Absoluten
durchwärmt, bleibt Keiner zu irdisch und zu gering flir leben-
dige Schönheit. •'

Auf diesem Höhepunkt kann sich das Schöne nicht mehr aus
eine besondere Grundform begrenzen. Wie es über jede hinweg-
geschritten, faßt es sie alle in sich zusammen, und benützt jede, durch

diese Vermittelung neugestaltet, in universellerer Weise.

(Schluß folgt.)

J
 
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