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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0357
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341

Die allgemeine deutsche Gemälde-Ausstellung in München.

n. A HHHDU

(Schluß.)

Saal Nl. Wand a. Zwei norwegische Landschaften von
Knud Baade in München; Tod des Leonardo da Vinci von Jul.
Schräder in Berlin; der Dom in Trient von Emil Kirchner
in München; das Franziskanerkloster in Trient von Alb. Zimmer-
mann in München.

Im Anfang schien es, als würden über Schräder's Bild die
Meinungen sehr auseinandergehen, allein es hat sich sehr bald' ein
einheitliches Urtheil, wenn auch mit verschiedenen Modifikationen und
Motivirungen hergestellt. — In einem alten, tiefen Lehnstuhl, ein
verschossenes dunkelgrünes Kissen hinter dem Kopfe, fitzt der greise
Leonardo, die Beine bedeckt mit einer schmutzig gelben, inwendig
schmutzig violetten Decke, den Oberkörper in einen schwarzen Pelz
und schwarzes Unterkleid gehüllt, ein sehr verschlissenes Sammetkissen
unter den Füßen. Die rechte Hand liegt schon fast leblos auf der
Stuhllehne; die linke hat König Franz mit seiner Linken aufgehoben,
während er in halbgebückter Stellung den rechten Arm um des
Künstlers Haupt legt, der mit ersterbenden Augen zu ihm ansblickt.
Links vor dem Lehnstuhl kniet der Arzt und ist beschäftigt, aus einem
Medicamentenkasten eine Essenz zu holen, für welche er in der linken
Hand eine silberne Schale bereit hält. Er ist in ganz dunkle Far-
ben und in ein sehr kurzes braungrünes Wamms gekleidet, während
der König ein blaues Mäntelchen mit weißem Pelz anhat. Hinter
dem Stuhl des Kranken und gerade hinter dem Arzt, so daß er
senkrecht über diesem erscheint, steht ein Geistlicher und lieft in einem
Brevier. Links im Hintergründe kniet vor einem Altar ein Messe
lesender Priester mit einem Ministranten; auch das Bildniß der
Monna Lisa ist sichtbar. Auf der rechten Seite des Bildes, weiter
zurück als der König, stehen zwei Hofleute und sehen gleichgültig
auf die Sterbescene; ein Freund des Künstlers neben ihnen wendet
sich weinend ab. Ein Diener im lichtblauen Kittel, ganz vorn rechts,
hat sich hinter einen Tisch gestellt und die Arme und gefalteten Hände
auf der Tischecke, beugt er sich theilnehmend. vorn über. — Was
bei diesem Bild am meisten in die Augen fällt, ist die Bravour, mit
welcher es gemalt, und die Achtungslosigkeit, mit der es aufgebaut
ist. Wie so viele unserer neueren Dramendichter die Aufgabe neu
zu sein darin sehen, daß sie die Gesetze der Verwickelung und Ent-
wickelung übergehen, ihrer Darstellung keine Spitze geben und einen
willkürlichen Schluß, dabei aber sich einer „schönen Sprache" be-
fleißigen, so sehen wir einen Theil unserer Historienmaler von Ab-
rundung und Gleichgewicht der Gruppen, von der richtigen Stellung
und Vertheilung der Figuren ganz absehen, wie von einer alten
Mode, als ob nicht die Gesammtwirkung des Bildes vor allem da-
von abhinge, als ob Kunstgesetze willkürlich gemacht wären, willkür-
lich umgestoßen werden könnten. In Schrader's Bild steht die
Hauptgruppe auf einer Linie, die diagonal von links vorn nach rechts
hinten geht, und zwar nicht einmal vom Anfang der linken Seite,
so daß hier eine weite Oeffnung bleibt, im Vorgrund leer, im Hin-
tergrund mit einem Paar Nebenfiguren; das leere Dreieck aber an
der rechten Seite wird von einem mit einem Teppich behangenen
Tisch ausgefüllt. Es nützt nun wenig, daß hinter dem Tisch ein
Mensch steht, der sich aus die Ecke anslegt und sich vorbeugt, zumal
sein ganzer Unterkörper, und also auch die Fußstellung vom Tisch
verdeckt ist; ja er stört selbst, indem die nächste Figur hinter ihm in
ganz entgegengesetzter Weise sich abwendet, und also, statt mit ihm
zu gruppiren, einen spitzen Winkel mit ihm macht. Die drei Köpfe
der Hauptpersonen, des knienden Arztes, des sitzenden Leonardo und
des stehenden Königs, machen drei Stufen in der Diagonallinie einer
Pyramide, deren anderer Schenkel ohne Abstufung herabgeht und

von dem weggestreckten, also unthätigen linken Bein des Königs (das
rechte, auf dem er steht, ist durch Leonardo verdeckt) gebildet wird.
Das Ungefällige dieser Anordnung wird gesteigert dadurch, daß der
Kopf des Geistlichen hinter dem Stuhl Leonardo's senkrecht über
dem des Arztes erscheint, und daß die Gestalten, die hier, und zwar
noch in ziemlicher Entfernung von dem Rahmen, die Gruppe ab-
schließen, dieser ein senkrechtes Profil geben. Bei einer solchen An-
ordnung, welcher, wie man sieht, die von der alten Schule vorge-
schriebene Traube nicht zum Muster gedient, kann von einer wirksamen
Vertheilung von Licht und Schatten nicht die Rede sein; aber der
Zerstreuung hätte einigermaßen durch die Vertheilung der Farben
abgeholfen werden können. Doch hier begegnen wir einem System,
das zu entschieden ist, um nicht als bewußter Gegensatz gegen die
Tradition der Kunst aufgefaßt werden zu müssen. Auf der Lichtseite
häuft sich alles Schwarz, auf der Schattenseite Weiß und Helle Far-
ben; schwarz ist und dunkelbraun und braungrün die Kleidung des
Arztes und macht so mit der Lichtseite Leonardo's eine einzige dunkle
Masse; dafür stehen anderseits wieder unverbundene Gegensätze, wo
Verbindung wünschenswerth erscheint. Der schneeweiße Bart Leo-
nardo's erscheint neben dem dunkelfarbigen, glanzlosen Gesicht wie
ein Fleck; und als sollte der Zusammenhang, wo er unvermeidlich
ist, vermieden werden, so ist des Königs Hand, welche die des Leo-
nardo aufhebt, mit einem dunkelfarbigen Handschuh bekleidet, so daß
zwischen der blassen Hand des Sterbenden und dem lichtblauen
Aermel des Königs ein Loch zu sein scheint. — Aber der Farben-
austrag, die Behandlung und Pinselsührung zeigt uns einen Maler,
der dem laut und immer von Neuem ausgesprochenen Verlangen der
Zeit vollkommen Genüge leistet, der malen kann. Wenn nun aber
doch das Bild, auch bei Denen, die es bewundern, keine rechte er-
wärmende Wirkung hervorbingt, so trägt noch ein anderer Mangel,
als der in der Anordnung, die Schuld. Das Bild ist arm an
Motiven; manche Bewegungen sind nur äußerlich, wie die des
Arztes, dazu eckig und unschön; andere geziert und kalt, wie die des
Königs, der — wenn er kein anderes Gefühl hatte beim Tode Leo-
nardo's, als er hier zeigt, — offenbar besser gethan hätte, es zu
verbergen. Einfach, würdig ist nur der im Gebetbuch lesende Prie-
ster, für den der scheidende Genius nichts ist als ein armer Sün-
der; und wahrhaft bewegt ist nur der Diener, für den der Ster-
bende Alles war, Meister, Wohlthäter, Vater und Freund.

Die beiden Landschaften von Knud Baade versetzen uns an
die norwegische Meeresküste, und zeigen uns mit großer Klarheit ihre
wogenumspülten Felsenriffe im Sonnenglanz des Tages, wie im ver-
schwimmenden Schimmer des Mondes.

A. Zimmermann's Landschaft zeichnet sich durch eine schöne
Anordnung, nach welcher die Klostergebände den von Bäumen und
Bergen umschlossenen Mittelpunkt abgeben, durch eine tiefe und ge-
sättigte Färbung und eine ernste, ftiedliche Stimmung aus, die un-
ter einer weniger schweren Atmosphäre sicher noch gewinnen würde.

III. b. Eine Winterlandschaft von Ant. Doll in München;
eine italienische Landschaft von G. Köbel in München; Christus zu
Pilatus geführt von Berdellv in München; ein Löwenlager von
F. S. Lachenwitz in Düsseldorf; eine Winterlandschaft von E. Ko-
ken in Hannover; Madonna mit dem schlafenden Kinde, und die
Vermählung des Tobias von I. Kaspar in Obergünzbnrg; eine
Bodenseelandschast von I. Moosbrugg er in München; ein Ar-
chitetturbild von Fr. Mayer in München; eine Landschaft von
Ehr. Morgenstern in München; ein Amor von Adelheid Wag-
ner aus Dresden; zwei Kinderbildnisse von Alb. Gräfle in Mün-
chen; eine Auspfändung von Gisbert Flüggen in München; die
Aehrenleserin von Sixt Thon in Weimar.

Die Löwenfamilie von Lachenwitz ist gerade im Begriff, ein
erbeutetes Böckchen zu verzehren, als ein ungebetener Gast, ein Tiger,
 
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