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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0363
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Ü t i 11«11

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Deutschen Kunstblatt.

M 39. Donnerstag, den 28. September. 1834.

Vers, vorliegender Schrift giebt eine musterhaft klar und anziehend
geschriebene Darstellung der ganzen Lokalität, der gefundenen Ueber-
reste und der Geschichte des Klosters, welches im Bauernkriege das
Schicksal völliger Zerstörung mit Reinhardsbrunn und .Walkenried
theilte. Die Ausgrabungen haben zwei nordöstlich an dm ehemalige
Kirche gränzende oblonge Räume aufgedeckt, welche durch zwei Säu-
lenreihen dreifach getheilt ■ werden. Diese Säulen zeigen bei aller
Einfachheit und Bildlosigkeit eine ungemein elegante Behandlung des
vollendet romanischen Sthles. Die Kapitäle befolgen durchweg die
Würfelform, mit Rnndstäben und Bändern mannigfach geziert; die
Schäfte zeigen dagegen die eigentümlichste Behandlung; nicht, allein,
daß mehrere Säulen aus einer Menge gekuppelter, theils runder,
theils scharfkantiger Glieder bestehen, findet sich an zweien sogar eine
sechszehnfache Kannelirnng ganz in der Weise des dorischen Sthles.
Die Basen zeigen das kräftig gebildete attische Schema mit eckblatt-
ähnlichem Hineingreifen des Plinthus in den überquellenden unteren
Pfühl. Bemerkenswerth ist noch, daß auch hier, wie so oft an mit-
telalterlichen Bauwerken, in der Anordnung der verschieden behan-
delten Säulen eine bestimmte rhythmische Abwechselung und Wieder-
holung stattfindet. Drei Tafeln mit Abbildungen erläutern diese
sthlistischen Bemerkungen zur Genüge.

6. Blätter zur Geschichte der Kirchen zu Doberan und Atthof
von Dr. G. C. I. Lisch. Schwerin 1854.

Herr Di-. Lisch hat sich durch seine emsigen Forschungen über
mecklenburgische Geschichte, die in den „Jahrbüchern des Vereins
für mecklenburgische Geschichte und Alterthumskunde" seit einer Reihe
von Jahren niedergelegt sind, einen geachteten Namen und unleug-
bare Verdienste erworben. Auch gegenwärtige kleine Schrift gehört
in die Reihe verwandter Mittheilungen und geht obendrein die
Kunstwissenschaft noch besonders an, da sie vorzüglich die bauliche
Gestaltung der Kapelle zu Althof (der ersten Niederlassung der
Doberaner Cisterzienser) und gewisse in. derselben befindliche, zum
Fußboden gehörige Ziegeln ins Auge faßt. Um letztere dreht sich
zunächst die Untersuchung. Herr Lisch nennt diese Fliesen „Mosaik-
ziegel," eine Bezeichnung, die nicht so verstanden werden darf,
als ob die einzelnen Steine eine musivische Zusammensetzung
hätten, sondern'die nichts Anders sagen will, als daß ans solchen
Ziegeln der Fußboden mosaikartig zusammengesetzt war. Es sind
aber glasirte Ziegel, die ans dunklem Grunde eine mit. hellerer
Masse eingelassene Figur hervortreten lassen. Löwen, Centauren,
Drachen und ähnliche meist phantastische Darstellungen bilden den
Gegenstand dieser eigenthümlichen Arbeiten. Da man nur dann
von Mosaik sprechen kann, wenn durch Zusammensetzung kleiner
Steine eine bestimmte Zeichnung hervorgebracht wird, so thut man
wohl, die in Rede stehenden Fliesen nicht mit der täuschenden Be-
zeichnung „Mosaikziegel" zu belegen. Weil.nun Doberan durch die
norwegische Königstochter Woizlava, die an Pribislav von. Mecklen-:

bürg vermählt war, gestiftet ist, und weil im Kloster Hovedoe in
Norwegen ähnliche Fliesen gefunden worden sind, so ist Herr Lisch
sehr geneigt zu schließen, daß die Fliesen in Althof von dort herüber-
gebracht seien. Hieraus wieder, folgert er einen bedeutenden Einfluß
der normannischen Kunst auf die norddeutsche. Da nun auch in
Frankreich und. in England ähnliche Ziegel gefunden werden, beson-
ders letzteres Land, wie Herr Lisch selbst bemerkt, reich daran ist,
so wird auch für jene Gegenden der skandinavische Einfluß als
wahrscheinlich angenommen.

Weiterhin wird eine Beschreibung der Kapelle in Althof gege-
ben, deren westliche Fa^ade an der südlichen Ecke einen schlanken
achteckigen Thurm hat, während ein kleinerer Ausbau an der nörd-
lichen Ecke sich erhebt, dessen Gestalt jedoch aus der ungenügenden
Abbildung nicht zu enträthseln ist. Auch diese Fa^adenbildung wird
als „normannisch" bezeichnet. Sodann kommt Herr Lisch auf die
Ansichten A. von Minutoli's über den weitverzweigten Einfluß
der skandinavischen Architektur auf die des übrigen Europa's und
findet, daß „diese nicht wohl ganz unbegründete Ansicht," wie er
sich ausdrückt, „gewiß viel für sich hat," wenn sich auch „die weg-
werfende Kritik Lübke's im deutschen Kunstblatt sehr hart dagegen
ansspricht." „Wie es den Begründern aller neuen Ansichten zu
gehen pflegt, — setzt er hinzu — mag auch Minutoli, von der
Erhabenheit seines Stoffes hingerissen, in manchen Stücken etwas
zu weit gegangen sein; nichts desto weniger scheint der Kern seiner
Forschungen kräftig und gesund zu sein."

Um gleich hier beim Ende anzufangen, weil es den Punkt ent-
hält, aus welchen diese ganzen Untersuchungen hinarbeiten, so bemerke
ich, daß mit solchen schwebelnden und nebelnden Redensarten, wie
Herr Lisch hier über das Minutoli'sche Werk in reicher Fülle ans-
gießt, wissenschaftlich gar Nichts gewonnen wird. In den oben citir-
ten Stellen ist Alles dermaßen diplomatisch auf Schrauben gestellt,
daß sich hinterher der Verfasser derselben noch immer für jede der
beiden Ansichten erklären kann. Es handelte sich darum, eine Anschauung
zu bekämpfen, die gegen alle geschichtlichen Zeugnisse, gegen die klaren
Beweise der Monumente, bloß durch eine willkürliche, allen Analo-
gieen zuwiderlaufende Anwendung historischer Daten aus vorhandene
Kunstschöpfnngen, alle wohlbegründete Einsicht in die Knnstentwicke-
lung des Mittelalters auf den Kopf, zu stellen Miene machte. Ob
meine Kritik „hart" war, weiß ich nicht, denn das beruht aus sub-
jektiver Empfindung; daß sie aber „wegwerfend" gewesen sei, kann
nur ungerechter Parteieifer behaupten, denn ich habe meine Wider-
legung durch Gründe, wie sie mir der Stand der Wissenschaft an
die Hand gab, motivirt, wie. sichs in einem wissenschaftlichen
Blatte geziemt.

Was aber die vorliegende Frage betrisst, so geht Herr Lisch in
seinen Schlußfolgerungen etwas eilig zu Werke.. Er. erzählt uns,
daß die Fliesen in Hovedoe mit den mecklenburgischen „ganz von
derselben Beschaffenheit an Material, Größe, Farbe, Glasur und

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