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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0365
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vollendet, hat sich in allem Wesentlichen, sogar in der ursprünglich inneren Ein-
richtung, bis auf unsere Tage gut erhalten, da die Verwüstungen, welche andere
Kirchen auf gewaltsame Weise erfuhren, hier mehr als Folgen arger Vernach-
lässigung hervortreten. Diese nachtheiligen Einwirkungen begannen um 1535,
wo der deutsche Orden, welcher eine Landcourmenthurei zu Marburg hatte, der
Gründer, Erbauer und bis daher alleiniger Besitzer der Kirche gewesen war,
dieselbe mit der neuentstandenen protestantischen Gemeinde theilen mußte.

Im 17. Jahrhundert wurde die Kirche ihrer Bleibedachung beraubt und
diese durch eine seither schlecht unterhaltene Schieferbedachung ersetzt. Im sieben-
jährigen Kriege diente die Kirche als Fouragemagazin, wodurch namentlich die
gemalten Fenster, welche alle Lichtöffnungen bis dahin geschmückt hatten , litten,
und nachher, mit Ausnahme der Chorfenster, durch Fenster aus weißem Glase
ersetzt wurden. W ' • '

Am 3. August 1847 endlich drangen die Fluthen eines Wolkenbruches,
welcher die untern Theile Marburgs unter Wasser setzte, auch in die St. Elisa-
bethkirche, und unterwiihlten den iiberall durch Grabstätten unterhöhlten Fuß-
boden derselben dermaßen, daß sich die Steinplatten des letzteren an vielen
Stellen bedeutend senkten, und der gottesdienstliche Gebrauch der Kirche einge-
stellt werden mußte. Damit nicht genug; es trat ihr der Vandalismus der
Menschen noch zu guter Letzt in Folgen dieser Verwüstung durch die Elemente
in arger Weise nahe. Die Grabmouumente der alten hessischen Landgrafen,
welche von der Mitte des 13. bis zu Anfang des 16. Jahrhunderts herrührend,
einen vorzüglichen Schmuck der Kirche und gleichsam eine gemeißelte Kunstge-
schichte für sich bilden, sollten nämlich abgetragen werden, da sich zwei von ihnen
etwas gesenkt hatten, und man, Gewölbe unter ihnen vermüthend, ihr Einsinken
befürchtete. Dazu war nun freilich kein Grund, das Abtragen geschah indesien,
da der Ortsbaumeister diese Arbeit ohne gehörige Aufsicht gewöhnlichen Hand-
werkern überließ, auf. eine höchst rohe und eilferttge Weise. Man hieb Löcher
in die überall mit vortrefflichen Skulpturen und Gliederungen bedeckten Hoch-
gräber, um Winden und Hebel ansetzen zu können, wälzte und schob die einzel-
nen Bruchstücke auf dem unebenen Plattenboden hin, so daß Ecken und ganze
Theile in Stücken abflogen. Leider wurden gerade zwei der ältesten und werth-
vollsten Denkmäler hierdurch verstümmelt. Nachdem sich von allen Setten Stim-
men erhoben hatten, welche eine Wiederherstellung dieses werthvollen Gebäudes,
das für Hessen insbesondere den Werth eines geschichtlichen und Nationaldenk-
mals hat, forderten, wurde der Professor Vr. Friedrich Lange zu Marburg
im November 1848 mit der Untersuchung desselben und mit der Entwerfung
eines vollständigen Restaurationßplanes beauftragt. Dieser wurde genehmigt und
seine Ausführung beschlossen. Die Bewegungen der Zeit, welche namenttich auch
die Verhältnisse Kurhessens verwirrten, stellten sich jedoch hindernd in den Weg
und es konnte erst zu Ende Juni dieses Jahres, nachdem die Stände eine
Summe von circa 22,000 Thalern zu der Wiederherstellung der Kirche bewil-
ligt hatten, mit dieser wirklich begonnen werden. Die Arbeiten werden bis da-
hin vom Prof. Lange geleitet, welcher gemäß seinem obengedachten Restaurations-
plan sich die Ausgabe dabei gestellt hat, die Kirche vor allem in ihrem, zm diesem
Zwecke vorher sorgfälttg ermitteltem ursprünglichen Zustande wiederherzu-
stellen. Auf diese Weise läßt sich die Fernhaltung aller modernen Restaurations-
gelüste hoffen, die Herstellung eines im Ganzen wie im Einzelnen, bis auf die
innere Ausschmückung und polychrome Färbung herab, harinonischen Gesammt-
eindruckes zu erreichen, während die heuttgen gottesdienstlichen Bedürfnisse dem
nicht nur nicht entgegenstehen, sondern vielinehr selbst eine vollständigere Befrie-
digung dadurch erlangen werden. Pros. Lange ist gegenwärtig beschäfttgt mit
einer auöftihrlichen Monographie über die h. Elisabethkirche/ welche von vielen
Tafeln mit Abbildungen und mittelalterlichen Dokumenten über den Bau be-
gleitet sein wird. Wir hoffen, daß seine gründlichen Fachstudien und ausge-
breiteten Kenntniffe der mittelalterlichen Architektur zu einer würdigen und den
krittsch-historischen Forderungen enffprechenden Restauration führen werden.

Knnstiirrrinr.

Die Versammlung in München.

Zweite Sitzung.

Das von uns bereits in Nr. 34 mitgetheilte Statut wurde in der von der
dort genannten Redaktions-Commission ausgearbeiteten Faffung vorgelegt und
angenommen, d. h. zur ernsllichsten Befürwortung bei den verschiedenen Ver-
einen von den Anwesenden gutgeheißen. Unter diesen befand sich diesmal auch
ber Vorsitzende des Münchener Kunstvereins, Herr Staatsrath von. Voltz, Ex-
cellenz, welcher die von den zeitweise ausstellenden Vereinen verschiedene Ver-
fassung des Münchener, als eines seßhaften Vereins zwar in manchen Stücken
als ein absolutes Hinderniß zu gemeinsamen Maßregeln betrachten mußte, nicht
aber für den Beitritt zu dem Aktten-Unternehmen, den er nach Kräften bewirken

zu wollen zufagte. Jmgleichen erklärte Hr. Baron von Stauffenberg, von
Würzburg bevollmächttgt, daß der dorttge Verein je nach seinen Mitteln zum
Anschluffe bereit sei.

Es kamen nun die Fragen unter B. und C. des Programms zur Be-
sprechung. WA

Graf Thun suchte die Versammlung zu bestimmen, ausdrücklich auszuspre-
chen, daß die Abhaltung von Ausstellungen, der Ankauf und die Verloosung von
Kunstwerken für den Privatbesitz und die Vertheilung von Vereinsblättern zwar
nicht der eigentliche letzte Zweck der Kunstvereine, wohl aber allerdings für die
meisten unentbehrliche Mittel zur Erreichung einer möglichst allgemeinen Theil-
nahme und der Erzielung der durch sie bedingten Erstarkung ihrer Geldkräfte
seien, daß diese Mittel, zumal die beiden erstgenannten, einsichtsvoll gehandhabt,
wohl auch schon an sich in gewissem Grade Kunstsinn Und Kunstliebe anregen
und bildend wirken können, daß dagegen der eigentliche Zweck und die Aufgabe
der Kunstvereine darin bestehe, durch Vereinigung Das zu leisten, was der Ein-
zelne eben nicht zu leisten vermöge: die erloschene Kunstliebe und das Bedürfniß
nach Kunstgenuß und künstlerischer Ausstattting im gesammten Volke und den
Gemeinden wieder auzufachen, die Kunst wieder mit dem Leben zu verbinden
und in dieser Beziehung das zu leisten, was in früheren Zeiten ettva die Ge-
meinden selbst und andere Gesellschaften und Corporationen geleistet haben, und

— daß die Versammlung die Gefahren nicht verkenne, welche die Existenz der
Kunstvereine in ihrer gegenwärtigen Organisirung und Wirksamkeit und zwar
ganz besonders der den meisten von ihnen durch ihre Basis eingepflanzte Drang,
dem Geschmacke der Mehrzahl ihrer Mitglieder, d. i. des Publikums, von dem
sie abhangen, zu huldigen, für die Förderung einer ernsten, gediegenen und na-
tionalen Kunst mit sich bringe, indem sie nur zu häufig, bloß das äußerlich Be-
stechende beachtend, wenig mehr thue, als den Kunsthandel im Großen zu för-
dern und durch das Bedürfniß der Erwerbung einer möglichst großen Zahl von
Verloosungsgegenständen der Mittelmäßigkeit in der Kunst Vorschub leisten und
den Markt für fabrikmäßige Bildererzeugung auf bloße Spekulatton künstlich noch
erweitern, oft auch durch Ueberschwemmung dieses Marktes mit fremdländischen,
auf ganz anderer Basis beruhenden und oft nur durch die Neuheit der Erschei-
nung und große Aeußerlichkeiten bestechenden Erzeugnissen enffchieden dazu bei-
tragen, den Geschmack zu verderben und die Kunst noch mehr zu entnattonalisiren,
somit einer wahrhaft nattonalen und konsequenten Fortentwickelung deutscher Kunst
auf der gegenwärttgen Basis hinderlich werden.

Aber ein wahrhaft nattonaler allgemeiner Kunstaufschwung sei vielmehr nur
dann zu erwarten, wenn die Kunst nicht mehr als etwas von dem übrigen Volks-
leben, der Industrie u. s. w. Getrenntes, für sich Alleinstehendes, als bloßen
Luxus betrachtet, sondern das Bedürfniß, ihr bei allen Hervorbringungen fiir be-
stimmte, vorhandene und sich von selbst ergebende Zwecke den gebührenden Ein- '
fluß zu gestatten und Alles künstlerisch durchzubilden und zu vollenden, wieder
das allgemeine Bedürfniß gefühlt werde. Das Letztere anzuregen sei Haupt-
aufgabe der Kunstvereine. Hierzu reiche auch die Sttstung von Museen und die
Anschaffung von Kunstwerken fiir dieselben nicht hin. Nicht fiir die Museen und
Galerien, die unbekannt waren in den Zetten der Kunstblüthe, seien die größten
Kunstwerke des Alterthums wie des Mittelalters gemacht. Man hat diese erst
hinterher darin zusammengestellt, um ein Bild von der historischen Entwickelung
der Kunst zu haben, also zu Lehrzwecken. Museen bleiben stets von dem eigent-
lichen Volksleben getrennt und die Bestellung von Bildern für dieselben, werde
die Ruhmsucht und Eitelkeit (eine der Krankheiten unsrer Zeit) viel mehr als
eine innige Hingebung an eine bestimmte Aufgabe und Unterordnung unter die-
selbe fördern, welche eben eine Hauptbedingung gelungener künstlerischer Hervor-
bnngungen bilde.

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Zur Erreichung des eigentlichen und würdigsten Zieles, welches sich die
Kunstvereine vorsetzen sollen, und zur Hintanhaltung der angedeuteten Gefahren,
sei es daher vor Allem wichttg, daß alle Kunstvereine wenigstens einen Theil,
und zwar den nach ihren Berhältniffen möglichsten Theil ihrer Einnahme der
Hervorbringung von Kunstwerken für bestimmte, gegebene Zwecke im öffentlichen
und Gemeindeleben, daher von monumentalen Kunstwerken im weiteren Sinne
des Wortes oder der Unterstützung ähnlicher von andern Seiten ausgehenden
Unternehmungeu widmeten. Sei einmal ein Fonds für diese Zwecke vorhanden,
so werden sich die Gelegenheiten zu seiner Verwendung in reicher Fülle bieten
und manche Gemeinde werde sich durch das Anerbieten einer Beihülfe bewogen
finden, dann auch selbst etwas für die würdige Ausstattung ihrer Bauten (Kir-
chen, Rathhäuser, Brunnen rc.) zu thun. — Der Einwurf, daß die Förderung
der monumentalen Kunst, die Errichtung monumentaler Kunstwerke, Aufgabe
oder Sache der Regierungen sei, habe gar kein Gewicht und zeuge nur von
gänzlichem Mangel an echtem Kunstverständnisse. . Allerdings sei es ganz vor-
zugsweise Sache der Regierungen, der Kunst bei allen Staatsbauten und son-
stigen Veranlassungen den gebührenden Einfluß zu vindiziren. Es gäbe aber
eben gar viele Veranlassungen, die außer dem Bereiche der Regierung liegen
und gerade dort sei die Nothwendigkeit der Anregung de? Bedürfnisses künst-
 
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