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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0369
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erbat sich Auskunft. Unter dem Eindruck dieses über mein theures
München hereingebrochenen unermeßlichen Unglücks habe ich die fol-
genden Bemerkungen niedergeschrieben. Ein thräuenschweres Auge
sieht nicht scharf. Daran denke der Leser und vergebe die Mängel!

Der Raum IV. unseres Planes, der die Verbindung zwischen
dem dritten und fünften Saale macht, enthält über der Eingangs-
thür, leider viel zu hoch für den Beschauer, einen Earton von Jos.
Matth. Trcnkwald aus Prag, den Ablaßkram des Dominicaners
Tetzel darstellend, eine Composition voll Feuer, Wahrheit und Schön-
heit; wohlgeordnet Und doch ganz natürlich, charakteristisch in der
Darstellung, aber ohne Ucbertreibnngen und ohne schreiende Con-
traste. Sehr richtig hat Trenkwakd herausgefühlt, daß es sich bei
seiner Ausgabe viel weniger um den Dominicaner handele, als um
den Eindruck, den seine Reden und Verheißungen auf das Voll Her-
vorbringen. Deshalb steht dieses überall in: Vorgrund.

Die Scene spielt im Freien, nahe einem Dorfe, unter einer
alten Eiche, an welcher Tetzel seine Kanzel aufgeschlagen; ringsum
Hügelland mit verschiedenen Straßen und Wegen. Neben dem offen-
bar von keinerlei Entbehrung heimgesuchten Mönch, der mit Feuer-
eifer das Volk zur Buße und zur Erwerbung des Ablasses mahnt,
steht ein schönes junges Weib mit einem Säugling im Arm, für
welchen es Ablaß gewonnen zu haben scheint. Vor und unter der
Kanzel steht ein Tisch, an welchem der Sündenprotokollist und Ein-
nehmer, nebst dem Controllenr, ausgesucht praktische Klostergeistliche,
Platz genommen. Zu ihnen drängt sich von allen Seiten das Volk
mit seinen Anmeldungen und Zahlungen, alte Weiber, ehrerbietige
Bauern, kecke Soldaten, freche Dirnen; auch. wohl ein Weib, das
den Mann von der Thorheit abhalten will, das schwerersparte Geld
zum Pfaffen zu tragen; aus. der anderen Seite werden die Ablaß-
zettel vertheilt; da gehen Gauner von dannen und berechnen die
Vortheile, die ihnen der Ablaß bei ihrem Gewerbe bringt; da hält
ein schwärmerischer Jüngling das Papier, das ihm den gestörten
Seelenfrieden wiedergegebeu, dankend mit. krampfhaft gefalteten Hän-
den empor; da geht ein Mädchen fort mit ihren: Geliebtei: und ihr
großes, kummervolles Auge fragt ihn mit angstvollen Blicken: „Ist
uns nun unsre Schuld vergeben?" Reihen sich an dieser Seite
gleichgültige Beschauer an, so stehen dafür an der entgegengesetzten
solche, die mit innerer Entrüstung aber stumm dem täuschenden
Spiele zusehen. Auf allen Wegen kommen und gehen die Heilsbe-
dürftigen. Diese Zeichnung ist so reich an lebendigen Motiven,
daß ihr wenige neuere Bearbeitungen historischer Aufgaben an die
Seite zu setzen sind. Ich wünschte den: Künstler einen Kunstfreund,
der das Bild sich möchte malen lassen, aber noch lieber einen Kupfer-
stecher, der es mit Glück und Geschick vervielfältigte; denn auf die-
sem Wege würde es zuverlässig große Erfolge erleben.

Abtheilung IV. Wand «.. Der Fuggersche Sarkophag aus der
Ambraser Sammlung in Wien, Kupferstich von Leopold Schmidt
in Wien. Eine Anzahl Zeichnungen und Kupferstiche von Ed. Eugen
Sch äff er in München. Eine Anzahl Kupferstiche von Franz
Stöber in Wien. Eine Gruppe vor der fontana delle Tartarughe
in Rom, Kupferstich von Joh. Zit eck in Wien; die Tiburtinische
Sibylle nach Steinle, gestochen von C. Deucker in Frankfurt a. $)L
Eine Anzahl Kupferstiche von Jak. Felsing in Darmstadt.

Eugen Schäffer, der von Frankfurt nach München überge-
siedelt ist, hat uns in einer Folge von Kupferstichen und Zeichnungen
einen Ueberblick über den Gang seiner Entwickelung gegeben von
der Zeit an, da er in München nach Cartons von Cornelius stach
bis auf die neueste Zeit, wo ihn Rafael und Tizian beschäftigen.
Wer in der bewundernden Erkenntniß von Cornelius auswächst und
seiner Liebe treu bleibt, der kann — und wenn er auch seine Werke
nicht mehr vor Augen hat — nicht wohl auf einen Irrweg in der

K:u:st kommen! Ich für meinen Theil glaube, daß der Kupferstecher
in der vollendeten Wiedergabe von Form, Charakter und Ausdruck
seine höchsten Ziele erreicht, und daß mit der Nachahmung des ma-
lerischen Effektes ein wesentlicher Vorzug nicht gewonnen, wohl aber
der wesentlichste leicht verscherzt wird; ich verkenne aber keinesweges
die Macht des Reizes, durch gradweis verschiedene Lichttöne und
deren folgerichtige Brechung das Wechselspiel Heller und dunkler Far-
ben vorzutäuschen und so der Wirkung eines Gemäldes möglichst
nahe zu kommen, und da uns Italiener und Franzosen gezeigt ha-
ben, daß eine maß- und geschmackvolle Benutzung der damit er-
schlossenen Mittel zu sehr erfreulichen Ergebnissen führt, und da
große Talente ihre Kräfte an solche Aufgaben gesetzt, so kann ihre
Vollberechtigung nicht in Zweifel gesetzt werden, vorzüglich bei Wer-
ken, bei denen der Nachdruck sichtlich in der u:alerischen Wirll:ng
liegt. Schäffer hat indeß an einigen Blättern, namentlich der Grab-
legung nach Giotto, und dem h. Stephanus vor Gericht nach Fie-
sole, gezeigt, daß er unter den- neuen Bestrebungei: die alten Er-
rungenschaften nicht aufgegeben; was noch sichtbarer geworden wäre,
wenn er das Wort des Katalogs, der einen Stich von ihm nach
Kaulbach's „Ariel und Kaliban" verheißen, wahr gemacht hätte.
Nächst den Kupferstichen, unter denen sich auch seine berühmte
Madonna della faggiola befindet, müssen nun ganz besonders die
von ihm gefertigten Zeichnungen interessiren, vor allem das Blatt
mit der nun in's Berliner Museum übergegangenen Madonna del
Duca di terra nuova, wonach er einen Stich ausführt. Hier sind
die einzelnen Charaktere — es ist bekanntlich eine Madonna mit
drei Kindern — mit derselben Treue wiedergegeben, wie der Cha-
rakter des ganzen Bildes, so daß die Freunde der Kunst mit Zu-
versicht einen: ganz gelungenen Werke entgegensehen können. Dasselbe
gilt nun auch von dem berühmten Gemälde Tizian's in der Galerie
Borghese zu Rom, davon Schäffer die Zeichnung, nach welcher er
eine Platte begonnen, zur Ausstellung gegeben; desgleichen von der
„Poesie" aus den Stanzen Rafael's und der lieblich ernsten Madonna
di Granduca aus Florenz. München darf sich glücklich schätzen,
die Wiege all dieser Werke zu werden.

Franz Stöber in Wien hat sich das Verdienst erworben, die
Arbeiten Danhauser's, die ein großes Publikuu: haben, in der den:
großen Publikum angenehmen und verständlichen Weise vervielfältigt
zu haben. Da wir die beiden Hauptgemälde seines Meisters, die
Testamentseröffnung und die Klostersuppe, auf der Ausstellung haben,
so kann man sich von der Treue der Auffassung leicht überzeugen. —
Der dritte der mit einer größeren Reihe von Leistungen auftreten-
den Kupferstecher, I. Felsing, giebt uns gleichfalls von einer mehr-
jährigen Thätigkeit Rechenschaft. Auch Felsing sieht die Aufgabe des
Kupferstechers in der Wiedergabe eines malerischen Effektes, wobei
ihm aber die Durchbildung des Details als Vorbedingung gilt. Da
er letztere —- seiner Ansicht nach — in der modernen Düsseldorfer
Schule mehr als anderswo gefunden, so hat er seine Kräfte vor-
nämlich dieser gewidmet, und Bilder von Köhler, Mücke, Bende-
u:ann, Steinbrück rc. in Kupfer gestochen; und ist damit den Wün-
schen der Verehrer dieser Kunstrichtung gewiß auf das Befriedigendste
begegnet. Sein Vortrag ist rein, bestinunt, kräftig und die Ausfüh-
rung sehr gleichmäßig. Inzwischen hat er auch eine heilige Familie
Overbeck's (aus der Galerie Schönborn) gestochen und ausgestellt,
desgleichen den berühmten Violinspieler Rafael's aus der Galerie
Sciarra, die Madonna del trono von A. del Sarto, Luini's Chri-
stus unter den Pharisäern in der National-Galerie in London, die
Vermählung der h. Katharina nach Correggio u. a. m. und auch
diese Aufgaben mit den: ihn: eigenen Eifer und Talent und mit
Glück durchgefi'chrt. Zu den besten Blättern von ihm würde ich
rechnen: Steinbrück's Genoseva, Luini's Pharisäer, den Violinspieler,
die Madonna des Andrea und Overbeck's heil. Familie.
 
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