Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 1.1854

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1203#0031
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Literatur

Platt

d e s

Deutschen Kunstblattes.

M 7.

Donnerstag, den 6. April.

1834.

Inhalt: Lieder von Julius von Rodenberg. — Neunzig Lieder und nenn polemische Episteln von Carl Heinrich Preller. — Wilhelm von Katt von A. Jordan

Lieder von Julius von Rodeubrrg.

Zweite Auflage. Hannover 1854.

Erst in neuerer Zeit hat die Kritik mit einer tieferen Auf-
fassung der Form in der Poesie begonnen. Die sogenannte
„schöne Form", deren Wesen man in den rhythmischen und musika-
lischen Wohllaut des Verses setzte, ohne dabei ein nothwendiges
Verhältniß derselben zum Inhalte zu verlangen, fängt allmälig an,
im Preise zu sinken; und man will jetzt unter Form vielmehr nur
die Art und Weise verstanden wissen, in welcher der eigenthümliche
Gehalt eines Stoffes zum poetischen Ausdruck gebracht wird. Form-
vollendung in diesem Sinne, welche ihrer Natur nach schon einen
künstlerischen Stoff und ein intimes Verhältniß des Dichters zu
demselben voraussetzt, ist daher recht eigentlich Sache des Talentes;
während jede Handhabung der Form, welche zu dem Stoffe selber
in kein Verhältniß tritt und ihm daher auch nicht zum Ausdruck
verhelfen kann, wenn auch -nicht von vvrn herein und durchweg der
Routine angehört, so doch wenigstens gradeswegs dahin führt.
Geibels poetische Entwicklung, der in der deutschen Literatur recht
eigentlich der Dichter der schönen Form ist und in dieser Richtung
das Mögliche und ohne Zweifel höchst Anerkennungswerthes ge-
leistet hat, bietet hiefür die reichlichsten Belege. Wir erinnern bei-
spielsweise nur an die Troubadourlieder, die Schleswig-Holsteinso-
nette und die kürzlich in Gödeckes Wochenschrift theilweise publicirte
Oper „Lorelei", Dichtungen, die augenscheinlich weder aus einem
Drange der Phantasie oder des Gedankens, noch der Enlpfindung,
sondern vielmehr aus der aumuthigen Gewohnheit musikalischer
Rhythmenbildung entstanden sind. Wie schon oft gesagt, die „schöne
Form" ist ein Gesäß, wo möglich ein goldenes, bereit, den mannig-
fachsten beliebigen Inhalt zu empfangen; die poetische Form in un-
serm Sinne sind nur die Eontouren, welche den Körper vom leeren
Raume scheiden.

Zu den Dichtern der schönen Form gehört auch Julius von
Rodenberg. Er ist wie kein Andrer der jungen Poeten, wenn
man so sagen darf, aus Geibels Schule hervorgegangen; im Uebri-
gen freilich, was den Werth seiner Productioneu anbelangt in kei-
ner Weise mit ihm 31t vergleichen, abgesehen davon, daß der beiden
gemeinschaftliche Ton, so wenig er eine durchschlagende Originalität
zuläßt, dem älteren Dichter immerhin in sofern eigenthümlich ist,
als er von diesem zuerst in die deutsche Lyrik eingeführt wurde.
Julius von Rodenberg besitzt weder die Phantasie und den Gedan-
kenreichthum, noch auch die Geistes - und die Gemüthsbildung,
welche der Muse Geibel's überall zu Gute kommt; und verhält
sich zu diesem durchweg wie ein Schüler zum Meister, den zu er-
reichen ihm durch den geringeren Gehalt seiner Persönlichkeit auch
für die Zukunft versagt ist. Der rasche Erfolg der Sammlung,
durch den allein wir zu dieser Besprechung veranlaßt werden konn-

Literatur-Blatt.

teu, erklärt sich wohl nur dadurch, daß der Verfasser es verstanden
hat, die allgemeingültigsten Gedanken nnb Empfindungen in einer
freilich weder tiefen noch eigenthümlichen, aber darum desto verständ-
licheren Weise auszusprechen. Wie hiervon bis zum Trivialen kaum
ein Schritt ist, braucht nicht hervorgehoben zu werden. Jugend,
Frühling und Liebe sind das Thema dieser Lieder; der Dichter ist
jung und will jung sein. Freilich nur in sofern die Äugend den
Keim zur männlichen That und zur unvergänglichen Geistesjugend
in sich trägt (S. XU. u. 68). Doch trotz dieses ernsteren, wir
möchten sagen praktischen Anspruches, oder vielleicht auch wegen
desselben, finden wir überall nur eine leichte Gesühlserregung, welche
mehr aus der Einbildungskraft, als aus dem Leben entsprungen
scheint, und obgleich der Verfasser selber sagt:

S. 232. Ich Hab getrunken aus der Leiden Borne,

Von Schmerzen gehen mir die Augen über,

Io zeigen doch seine Lieder keinesweges, daß er sich seinen Stoff
durch Kampf und Schmerz zmu innern Eigenthmn erworben habe.
In den Liebesliedern begegnen wir nur der Liebe in abstracto und
es fehlt überall — nur auf S. 58 findet sich eine eben nicht glück-
liche Ausnahme — der Hintergrund des inneren Erlebnisses. In
gleicher Allgemeinheit sind die übrigen Stoffe behandelt; fast nir-
gends befinden wir uns auf dein Boden bestimmter oder gar wirk-
licher Verhältnisse; selbst beim „Studenteuabschiede" (S. 105) fehlt
jede eoucrete Unterlage. Die Abtheilungen „ Liebeslieder" und
„Wanderlieder", worin der größere Theil der Sammlung zerfällt,
haben für den Inhalt nicht eben viel zu bedeuten, nur daß bei den
letzteren mitunter au bestimmte Oertlichkeiten angeknüpft ist; das
Thema bleibt im Ganzen dasselbe.

Wir theilen beispielsweise mit:

S. 16.

Die reinen Frauen.

Die reinen Frauen stehn im Leben
Wie Rosen in dem dunklen Laub;

Auf ihren Wünschen, ihrem Streben
Liegt noch der feinste Blüthenstaub.

In ihrer Welt ist keine Fehle,

Ist Alles ruhig, voll und weich;

Der Blick in eine Frauenseele
Ist wie ein Blick ins Himmelreich.

Wohl sollst du hören hohe Geister,
Verehren sollst du Manneskrast;

Dich sollen lehren deine Meister,

Was Kunst vermag und Wissenschaft.

Doch was das Höchste bleibt hienieden,
Des Ewgen nur geahnte Spur,

Was Schönheit, Poesie und Frieden,
Das lehren dich die Frauen nur.
 
Annotationen