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Deutsches Kunstblatt: Literaturblatt des Deutschen Kunstblattes — 1.1854

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Deutschen Kunstblattes.

M 19.


Donnerstag, den 21. September.


1834.



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Inhalt: Neue Dramen. — Hundert Blätter. Von Klaus Groth.

Neue Dramen.

1. Tristan und Isolde, eine Tragödie in Arabesken von Friedrich Stöber.

2. Der letzte König von Thüringen, vaterländisches Trauerspiel in fünf
Akten von Arnold Schlönbach.

3. Ein Redekampf in Florenz, dramatisches Gedicht in vier Aufzügen
von Levin Schücking.

I.

Richard Wagner hat die Ansicht ansgesprochen, daß man Beim
Drama, ganz ähnlich wie die Griechen es machten, einfach zurück-
zugreifen habe in die allgemein bekannten — man darf hier wohl
sagen, mehr von ihm als allgemein bekannt vorausgesetzten, als wirk-
lich im Volke lebenden — Sagen und dieselben immer gegenwärtig
erhalten müsse. Wenn auch in der Art und Weise, wie er diese
Meinung als Grundsatz anerkannt und durchgeführt haben will, et-
was Gewaltsanies, somit Gemachtes liegt, so mag andererseits kei-
neswegs zu längnen sein, daß in den unvergänglichen Schätzen der
mittelhochdeutschen Poesie viel dramatischer Stoff enthalten ist. Wenn
es nun auch ferner natürlich ist, daß Wagner in seinem Bestreben,
das, nach seinen Grundsätzen, höchste Kunstwerk, das musikalische
Drama, zu schaffen, seine Praxis mit seinen Theorieen Hand in
Hand gehen läßt, so ist er bekanntlich nicht der einzige Komponist,
welcher sich nach einem Lohengrin und Tannhänser an die Nibelun-
gen gemacht hat, man weiß, daß auch unter den Dichtern Geibel
dieses National-Epos auf die Bühne zu verpflanzen im Begriff ist.
Friedrich Stöber hat den Versuch gemacht, Gottfrieds von Straß-
burg schöne Dichtung von Tristan und Isolde dramatisch zu bear-
beiten. Unsere Leser wissen, daß auch aus dem Gebiete der bildenden
Künste das Mittelalter heutzutage ein hervorragendes Interesse in
Anspruch nimmt, so daß sich sogar die ausübenden Künstler — mit
welchem Rechte oder Unrechte bleibe hier unerörtert — bisweilen in
der äußerlichen Nachahmung mittelalterlicher Kindheitsformen gefallen.

Der Verfasser nennt seine Dichtung eine Tragödie in Arabes-
ken, was sich speciell wohl darauf zu beziehen hat, daß er Mond
und Sterne als handelnde Personen mit auftreten läßt. Ebenso
leicht wie der Dichter diese Willkür, die nur in einer Scene eintritt,
hätte vermeiden können, ebenso leicht darf man ihm zugestehen, daß
er von der, in der erwähnten Bezeichnung liegenden Willkür einen
möglichst geringen Gebrauch gemacht hat, so daß sich sein Werk
dramatisch knapp und gedrungen abrundet. Denn schneller Scenen-
wechsel, Wechsel der gebundenen und ungebundenen Rede, bequemere
Bewältigung des epischen Stoffes durch hinzugefügte Vorspiele, de-
ren hier jeder Akt, außer dem fünften, ein ganz kurzes hat, das
Alles sind wir an Dichtungen, welche mit dem Anspruch eines
Drama's austreten, viel zu sehr gewohnt, als daß es uns bei einer
Tragödie „in Arabesken" besonders befremden sollte; namentlich,
wenn sie das Verdienst eines ökonomischen Baues und einer leben-

digen Entwickelung für sich hat. Hierin ist ein fruchtbares Studium
Shakespeares unverkennbar, ohne daß der Verfasser uns mit jener
forcirten Nachahmung des Vorbildes quält, der wir nur zu oft be-
gegnen müssen. Vielmehr lehnt sich die Ausdrucksweise an die
schlichte Art der mittelhochdeutschen Poesie mit ungezwungenem und
natürlichem Gebrauch charakteristischer Redewendungen an.

Was die Komposition betrifft, so hat der Dichter nicht unge-
schickt das Verhältniß des Helden zur Isolde von Aruudel in so weit
verändert, daß er sie nicht das, wenn auch unberührte Ehegemahl
Tristan's werden läßt, vielmehr tritt sie nur in den schon erwähn-
ten Vorspielen auf, wo ihr der Bischof von Aruudel in ihrer Ke-
menate die von ihm in Reime gesetzte, sich so eben zutragende und
die Welt erfüllende Geschichte von Tristan und Isolde von Irland
vorliest. Durch dieses Mittel, stets einen Passus ans dem Gedichte
des Bischofs lesen zu lassen, bringt der Dichter sehr geschickt eine
Menge epischen Stoffs, der sich dramatischer Behandlung entzieht,
oder sie zu sehr ausdehnen würde, in gedrängter Weise zur Kennt-
niß des Lesers. Außerdem aber zeigt er in kurzem Dialog das bis
zur Liebe wachsende Interesse, welches Isolde Weißhand ans den
Berichten über den Helden für denselben gewinnt und nährt, bis sie
im letzten Akte, wo der Schauplatz sich nach Aruudel verpflanzt,
durch den ersehnten wirklichen Anblick des Helden ganz in Leiden-
schaft aufglüht und so das Werkzeug seines Untergangs wird.

Es sei-erlaubt, hier eins der Vorspiele einzuschalten. Wir
wählen das des zweiten Akts:

(Die Kemenate der Königin Isolde Weißhand von Arundel.)

N a ch t.

Die Königin und ihr Bischof.

Der Bischof (lesend).

So reichte nun Herr Tristan, der für Herrn Marke stand,

Der Braut, der minniglichen, vor dem Altar die Hand.

Reich waren die Hochzeitgaben, man brachte Silber und Gold,

Und dann von dannen fuhren Herr Tristan und Frau Jsold.

Isolde Weißhand.

Habt tausend Dank, ehrwürd'ger Herr. Nicht weiß ich,

Was Euer Nein: mir in der Brust erregt.

Ich bring' den Helden nicht ans den Gedanken!

Nur Eines quält mich,' daß der Frauen er
Im Dom, vor dein Altar die Hand gereicht;

Vertrat er gleich nur seines Oheims Stelle,

Doch quält es mich.

B i s ch o f.

Warum, o fromme Tochter?

Isolde Weißhand.

Es war 'ne bloße Form-

Bischof.

Wie's der Gebrauch will.

Isolde Weißhand.

Wenn Leben sie gewänn'! — —

yiicvatuv - Blatt.

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