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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0047
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IL Das Aufkommen des Bilderdienstes innerhalb der Christenheit. 27

als hässlich, ja abstossend zu nehmen,1) was keinen Künstler be-
geistern konnte. Aber mehr noch: man verabscheute überhaupt
jede bildliche Darstellung. Die Polemik der christlichen Apolo-
geten richtet sich keineswegs nur gegen die Bilder der Götzen,
sondern gegen Bilder überhaupt: Bildnerei und Malerei gehörten
mit zu den Gewerben, die als mit dem Christentum unvereinbar
angesehen wurden.2)

Allerdings haben nicht alle Christen so auf jede sinnliche
Vergegenwärtigung des verehrten Herrn und Gottes verzichtet.
Bekannt ist, dass die gnostische Sekte der Karpokratianer Christus-
bilder, teils gemalt, teils aus Metall, hatte, und ihnen nach Art
griechischer Philosophenschulen Verehrung erwies.3) Weniger
beachtet dürfte sein, welche eigentümliche Beleuchtung diese
Thatsache empfängt durch den Umstand, dass diese Christus-
porträts auf Pilatus zurückgeführt wurden. Offenbar sollte da-
durch die geschichtliche Treue der Züge gewährleistet werden.
Nun war es freilich ein seltsamer Gedanke, dass der römische
Beamte, der Jesus zum Tode verurteilte, vor allem dafür gesorgt
haben sollte, sein Bild zu verewigen. Wir wissen nicht, ob dies
in der Legende der Karpokratianer besser motiviert war, als es
der dürftige Bericht unserer Quellen erkennen lässt. Jedenfalls
lag der andere Gedanke viel näher, der etwa gleichzeitig in
grosskirchlichen Kreisen auftaucht: Pilatus habe die Akten des
Prozesses Jesu sorgfältig verfasst, dem Kaiser eingereicht und
so seien sie im Staatsarchiv aufbewahrt und zugänglich. Zwischen
beiden Gedanken besteht ohne Zweifel ein Zusammenhang. Der
an die Akten des Pilatus taucht zuerst in Rom auf, bei dem
Philosophen Justin, dann wieder bei dem Juristen Tertullian.11
Wir werden kaum fehlgehen, wenn wir in der karpokratianischen
Legende von den Christusbildern des Pilatus die griechische
Form desselben Gedankens erblicken.5)

1) s. die Stellensammlung bei Nik. Müller RE3 IV <i4 35—52.

2) s. 4. 3) s. 1. 4) s. zu Kap. VI. 2.

δ) Daneben mögen auch die von Lipsius, Christusbilder (Glauben
und Wissen, 1897, 165) vermuteten Motive wirksam gewesen sein. — Die
Idee lebt — das ist bisher ganz übersehen worden, aber sehr interessant
— in katholischen Kreisen des 0. Jahrhunderts in leicht veränderter
Form wieder auf: Antoninus von Placentia (c. 570) erzählt von einem <
zu Lebzeiten Christi gemalten und im Prätorium des Pilatus aufgestellten
Christusbilde (s. 2).

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