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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0083
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IV. Andere vereinzelte Achiropoi'iten.

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zählt — der Palästinapilger Antoninus von Placentia, der um 570
ausser dem h. Lande auch Ägypten besuchte, versichert, selbst
dies wunderbare Tuch andächtig verehrt zu haben. Er macht
aber dazu die eigentümliche Bemerkung: zu sehen habe er es
nicht vermocht, da ein wunderbar davon ausgehender Glanz ihn x
blendete, und, je mehr man hinblickte, es sich vor den Augen
verwandelte.

Wie sollen wir das verstehen? Handelt es sich um ein
weisses Linnentuch, auf dem nur fromme Phantasie das Bild des
Herrn wahrzunehmen glaubte? Wir werden derartigen Fällen
noch begegnen.1) Oder aber war es ein wirkliches Bild auf Lein-
wand, von dem nur die andachtsvolle Verehrung die gleichen
wunderbaren Wirkungen zu erfahren meinte, welche man von
dem Eindruck des Herrn selbst auf die Beschauer erzählte:
dass ein wunderbarer Glanz sie blendete, wie die Jünger auf dem
Berge der Verklärung, und dass sein Aussehen in beständigem
Wechsel begriffen war? Diese Behauptungen, von Autoritäten wie
Hieronymus und Augustinus vertreten2), machen sich in der Le-
gende der wunderbaren Christusbilder wiederholt geltend. Wir
werden noch darauf zurückkommen.3) Hier möchten wir uns die
Behauptung des Pilgers am liebsten so erklären, dass das Bild
zwar der Verehrung dargeboten wurde, aber doch nur so, wie
solche Reliquienvorzeigungen zu geschehen pflegen: umgeben
mit dem blendenden Glänze des Mysterion, das der Anschauung
wenig bietet und um so mehr der gläubigen Einbildungskraft Spiel-
raum gewährt.4) Das Bild als Porträt war dabei offenbar Neben-
sache; das Wunder, von dem die Legende berichtete, die Haupt-
sache. Diese aber ging — das ist bemerkenswert ■—■ ganz auf
in dem Gedanken, dass das Bild, in Jesu Lebenszeit zurückreichend,
entstanden sei durch unmittelbare Berührung mit Jesu Gesicht,

Sollte daneben in Betracht kommen, das es Ps.-Matth, ev. de inf. 222
(Tischendorf2 90) von den 365 Götzen im Tempel zu Sotinen heisst: quibus
singulis diebus honor deitatis in sacrilegiis perhibebatur?

1) s. zu Kap. V. Beleg 71 — VI. Beleg 3, anglosax.

2) s. Belege zu Kap. II 8.

3) s. zu Kap. V 30h — 4(jb — 49 a 3 — 107 a zu dem Glanz, und Bei-
lage II 2(4 — Beilage IV 4 zu dem Wechsel.

4) Vgl. zu Kap. V und Beilage II
 
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