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KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
löge die Gewifsheit von der Farbenfreudigkeit der Antike gefunden; man bewegte
lieh deshalb gern in ähnlichen, grau gehimmten Tönen, wie he die Ruinen boten,
hch dadurch der antiken Sinnesweife nur um fo näher fühlend. — Die Eindrücke,
welche unfer Künhler in feiner Jugend nach diefer Richtung hin gewonnen, ih
er nur fehr allmälig los geworden.
Nur ein Jahrhundert ih verhoffen feit Schinkel's Geburt; etwa vierzig Jahre
find es, dafs er wieder von uns fchied; und fchon hat eine aufserordentlich
reiche Literatur hch über ihn angefammelt. Den gröfseren Biographien von
Kugler, Waagen und namentlich Wolzogen reihen hch die vier Bände feines
Nachlaffes an; bald nach feinem Tode fchuf pietätvolle Verehrung der Berliner
Architektenwelt die jährliche Erinnerungsfeier des 13. März, das »Schinkel-
feh«, welches im Jahre 1846 zuerh von einer fpäter im Druck erfchienenen
Feftrede begleitet wurde; 1848 folgte die zweite, und feit 1833 wurden diefe
dem Meiher gewidmeten Lobreden zu einer fortdauernden jährlichen Ein-
richtung an feinem Gedenkfehe. Schon 1833 beginnt Kugler feine Anfprache
bei diefer Gelegenheit mit dem Hinweis, es fei über Schinkel bereits fo viel
beigebracht, dafs es ihm fchwer werde, noch Neues, der Würde des Gegen-
handes Entfprechendes zu fagen. Seitdem ih die Zahl jener ofhciellen Fehreden
um hebenundzwanzig weitere gewachten und in kunhgefchichtlichen Hand-
und Lehrbüchern fowie verhreuten Auffätzen aufserdem eine Fülle von Material
erhanden. Man follte deshalb glauben, das Endurtheil über Schinkels Bedeutung
müffe längh fehgehellt fein. Und doch wie verfchieden lautet es noch! Denn
noch gehört feine Richtung nicht ganz der Vergangenheit an; die Ausläufer der-
felben ragen hinein bis in untere Zeit; fo wird Schinkel's Name noch immer hin-
eingezogen in den Streit der Tagesfragen.
Die Berliner Architekten fetzen ihren verehrten Meiher gleichberechtigt neben
Brunellesco und Bramante, neben die gröfsten Künhler aller Zeiten; füddeutfehe
Kunhhihoriker dagegen haben allen Ernhes Schinkel und Leo v. Klenze gleich-
hellen zu tollen gemeint. Verwirrte bei ihnen unbewufst ein gewiffer Localpatrio-
tismus das objective Urtheil, fo läuft Aehnliches auch bei den Berliner Fehreden
mit unter, wie man denn in Berlin auch noch immer etwas unter den Nach-
wirkungen des bezaubernden Einhuhes heht, den die allerdings feiten harmonifche
und wohlthuende Perfönlichkeit des Mannes, fein völlig in idealhe Zielhrebigkeit
aufgegangenes Wefen auf Alle, die ihm nahe handen, geübt hat. wAn die Spitze
der zahlreichen Vorzüge diefes reich begabten Naturells helle ich feine hohe
httliche Würde, feine feltene moralifche Kraft, feine noch feltenere Selbh-
verleugnung und aufserordentliche Herzensgüte,« fchreibt Waagen im Jahre 1844,
und das Wort des nahehehenden Freundes wird behätigt von Allen, welche das
Glück des perfönlichen Umganges mit Schinkel genoffen haben, mögen es Unter-
gebene, Glcichgehellte oder Vorgefetzte gewefen fein. Man braucht nur in feinem
Nachlaffe zu blättern, aller Orten finden hch Spuren edelhen Strebens, rcinher
Begeiherung für fein Fach, des Durchdrungenfeins von der fittlichen Nothwendig-
keit der Kunh und von der läuternden Kraft, welche he auszuüben vermag —
KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
löge die Gewifsheit von der Farbenfreudigkeit der Antike gefunden; man bewegte
lieh deshalb gern in ähnlichen, grau gehimmten Tönen, wie he die Ruinen boten,
hch dadurch der antiken Sinnesweife nur um fo näher fühlend. — Die Eindrücke,
welche unfer Künhler in feiner Jugend nach diefer Richtung hin gewonnen, ih
er nur fehr allmälig los geworden.
Nur ein Jahrhundert ih verhoffen feit Schinkel's Geburt; etwa vierzig Jahre
find es, dafs er wieder von uns fchied; und fchon hat eine aufserordentlich
reiche Literatur hch über ihn angefammelt. Den gröfseren Biographien von
Kugler, Waagen und namentlich Wolzogen reihen hch die vier Bände feines
Nachlaffes an; bald nach feinem Tode fchuf pietätvolle Verehrung der Berliner
Architektenwelt die jährliche Erinnerungsfeier des 13. März, das »Schinkel-
feh«, welches im Jahre 1846 zuerh von einer fpäter im Druck erfchienenen
Feftrede begleitet wurde; 1848 folgte die zweite, und feit 1833 wurden diefe
dem Meiher gewidmeten Lobreden zu einer fortdauernden jährlichen Ein-
richtung an feinem Gedenkfehe. Schon 1833 beginnt Kugler feine Anfprache
bei diefer Gelegenheit mit dem Hinweis, es fei über Schinkel bereits fo viel
beigebracht, dafs es ihm fchwer werde, noch Neues, der Würde des Gegen-
handes Entfprechendes zu fagen. Seitdem ih die Zahl jener ofhciellen Fehreden
um hebenundzwanzig weitere gewachten und in kunhgefchichtlichen Hand-
und Lehrbüchern fowie verhreuten Auffätzen aufserdem eine Fülle von Material
erhanden. Man follte deshalb glauben, das Endurtheil über Schinkels Bedeutung
müffe längh fehgehellt fein. Und doch wie verfchieden lautet es noch! Denn
noch gehört feine Richtung nicht ganz der Vergangenheit an; die Ausläufer der-
felben ragen hinein bis in untere Zeit; fo wird Schinkel's Name noch immer hin-
eingezogen in den Streit der Tagesfragen.
Die Berliner Architekten fetzen ihren verehrten Meiher gleichberechtigt neben
Brunellesco und Bramante, neben die gröfsten Künhler aller Zeiten; füddeutfehe
Kunhhihoriker dagegen haben allen Ernhes Schinkel und Leo v. Klenze gleich-
hellen zu tollen gemeint. Verwirrte bei ihnen unbewufst ein gewiffer Localpatrio-
tismus das objective Urtheil, fo läuft Aehnliches auch bei den Berliner Fehreden
mit unter, wie man denn in Berlin auch noch immer etwas unter den Nach-
wirkungen des bezaubernden Einhuhes heht, den die allerdings feiten harmonifche
und wohlthuende Perfönlichkeit des Mannes, fein völlig in idealhe Zielhrebigkeit
aufgegangenes Wefen auf Alle, die ihm nahe handen, geübt hat. wAn die Spitze
der zahlreichen Vorzüge diefes reich begabten Naturells helle ich feine hohe
httliche Würde, feine feltene moralifche Kraft, feine noch feltenere Selbh-
verleugnung und aufserordentliche Herzensgüte,« fchreibt Waagen im Jahre 1844,
und das Wort des nahehehenden Freundes wird behätigt von Allen, welche das
Glück des perfönlichen Umganges mit Schinkel genoffen haben, mögen es Unter-
gebene, Glcichgehellte oder Vorgefetzte gewefen fein. Man braucht nur in feinem
Nachlaffe zu blättern, aller Orten finden hch Spuren edelhen Strebens, rcinher
Begeiherung für fein Fach, des Durchdrungenfeins von der fittlichen Nothwendig-
keit der Kunh und von der läuternden Kraft, welche he auszuüben vermag —