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KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
Sinnesweife Claude's, die freilich, nach der verfchiedenen Art des Talentes bei-
der Männer, bei Schinkel einen neuen Ausdruck findet. Auch er denkt feine
Kompofitionen durchaus malerifch, die Stimmung des Lichtes fpielt bei ihm
ebenfalls — wenigftens der Intention nach — eine grofse Rolle; als Refultat
aber feffelt er immer doch nur durch das gegenftändliche Intereffe.
Aehnlich wie er als Maler in diefer Frühzeit, empfand noch Jahrzehnte
fpäter fein hoher Schüler, König Friedrich Wilhelm IV.; auch er hat eine Fülle
von Kompofitionen hinterlaffen, die in gleichem Geilte gedacht find, gleichen
Reiz auf den für poetifche Geftaltung empfänglichen Befchauer ausüben, aber
trotzdem ftets dilettantifch bleiben. Und etwas Dilettantenhaftes wohnt auch
den SchinkelTchen Arbeiten inne: es ift der phantafiebegabte, glänzend zeich-
nende Architekt, ein Mann mit warmem, empfänglichen Herzen für alle Erfchci-
nungen der Natur, fei es die eigenartige Stimmung der nordifchen Landfchaft,
fei es die lachende Pracht oder die heroifche Gröfse des Südens, — ein Dichter,
der untere Stimmung lebhaft durch feine Darftellung beeinflufst, aber deffen
eigentlich malerifche Mittel uns kalt laffen. Seine Gemälde find in erfter Linie
Dichtungen. Wem fiele als bezeichnendes Beifpiel hierfür nicht das durch den
Stich weitverbreitete Bild »Die Blüthe Griechenlands^ (gemalt für die Prinzefs
Marianne der Niederlande) ein! Charakteriflifch für diefe feine Auffaffung ift
auch die oft wiederholte Anekdote von Schinkels Wettflreit mit Clemens Bren-
tano: ob die Malerei ebenfo lebendig fchildern könne wie die Dichtung. Die
Streitfrage follte durch einen Verfuch eptfchieden werden. Eines Abends kam
man im befreundeten Kreife zufammen. Brentano begann die Erzählung einer
Novelle, während der bildende Künfller gleichzeitig zum Bleiflift griff und die
einzelnen Phafen der fortfehreitenden Darftellung auf ein und demfelben Blatte
hxirte. So entftand der erfte Entwurf zu dem Bilde Nr. 292 der Nationalgalerie.
Kaum irgend Jemand wird, wenn überhaupt dem Scherze im Freundeskreife
tiefere Bedeutung beigelegt werden darf, heute auf Seiten Schinkels flehen;
jede Kunft hat ihre beftimmten Gebiete, in denen fie den geeignetilen Ausdruck
für den künftlerifchen Gedanken bietet. Das Nacheinander der gefchichtlichen
Entwickelung, namentlich der Novelle, wird fich nie vollgültig durch das Neben-
einander im Bilde erfetzen laffen.
Dichtungen voller Liebreiz, voll reiner hoher Begeiferung für die Götter-
und Sagenwelt Griechenlands, voll poetifcher Geffaltungskraft find auch feine
grofsen Kompofitionen für die Wandmalereien in der Vorhalle feines Mufeums.
Etwas von der fonnigen Heiterkeit, in der feinem Auge die Griechenwelt er-
fchien, ift in diefes Werk übergegangen; aber Zeichnung und Kolorit des von
feiner Hand herrührenden Entwurfes im Schinkel-Mufeum laffen trotz aller Vor-
züge den Dilettanten auf diefen Gebieten erkennen.
Erfcheint Schinkels Thätigkcit als Maler vom Standpunkt der allgemeinen
Kunftgefchichte aus weniger bedeutend, fo darf der Biograph darüber nicht
vergeffen, dafs diefelbe in der Lokalgefchichte Berlins eine nicht unwefentliche
Rolle gefpielt hat. Theils aus eigner Initiative, theils im Aufträge des Befitzers
des Diorama's, Karl Gropius, malte Schinkel feit dem Jahre 180/ eine Reihe
optifch-perfpectivifcher Bilder gröfsten Mafsftabes, welche Anfichten verfchiede-
KARL FRIEDRICH SCHINKEL.
Sinnesweife Claude's, die freilich, nach der verfchiedenen Art des Talentes bei-
der Männer, bei Schinkel einen neuen Ausdruck findet. Auch er denkt feine
Kompofitionen durchaus malerifch, die Stimmung des Lichtes fpielt bei ihm
ebenfalls — wenigftens der Intention nach — eine grofse Rolle; als Refultat
aber feffelt er immer doch nur durch das gegenftändliche Intereffe.
Aehnlich wie er als Maler in diefer Frühzeit, empfand noch Jahrzehnte
fpäter fein hoher Schüler, König Friedrich Wilhelm IV.; auch er hat eine Fülle
von Kompofitionen hinterlaffen, die in gleichem Geilte gedacht find, gleichen
Reiz auf den für poetifche Geftaltung empfänglichen Befchauer ausüben, aber
trotzdem ftets dilettantifch bleiben. Und etwas Dilettantenhaftes wohnt auch
den SchinkelTchen Arbeiten inne: es ift der phantafiebegabte, glänzend zeich-
nende Architekt, ein Mann mit warmem, empfänglichen Herzen für alle Erfchci-
nungen der Natur, fei es die eigenartige Stimmung der nordifchen Landfchaft,
fei es die lachende Pracht oder die heroifche Gröfse des Südens, — ein Dichter,
der untere Stimmung lebhaft durch feine Darftellung beeinflufst, aber deffen
eigentlich malerifche Mittel uns kalt laffen. Seine Gemälde find in erfter Linie
Dichtungen. Wem fiele als bezeichnendes Beifpiel hierfür nicht das durch den
Stich weitverbreitete Bild »Die Blüthe Griechenlands^ (gemalt für die Prinzefs
Marianne der Niederlande) ein! Charakteriflifch für diefe feine Auffaffung ift
auch die oft wiederholte Anekdote von Schinkels Wettflreit mit Clemens Bren-
tano: ob die Malerei ebenfo lebendig fchildern könne wie die Dichtung. Die
Streitfrage follte durch einen Verfuch eptfchieden werden. Eines Abends kam
man im befreundeten Kreife zufammen. Brentano begann die Erzählung einer
Novelle, während der bildende Künfller gleichzeitig zum Bleiflift griff und die
einzelnen Phafen der fortfehreitenden Darftellung auf ein und demfelben Blatte
hxirte. So entftand der erfte Entwurf zu dem Bilde Nr. 292 der Nationalgalerie.
Kaum irgend Jemand wird, wenn überhaupt dem Scherze im Freundeskreife
tiefere Bedeutung beigelegt werden darf, heute auf Seiten Schinkels flehen;
jede Kunft hat ihre beftimmten Gebiete, in denen fie den geeignetilen Ausdruck
für den künftlerifchen Gedanken bietet. Das Nacheinander der gefchichtlichen
Entwickelung, namentlich der Novelle, wird fich nie vollgültig durch das Neben-
einander im Bilde erfetzen laffen.
Dichtungen voller Liebreiz, voll reiner hoher Begeiferung für die Götter-
und Sagenwelt Griechenlands, voll poetifcher Geffaltungskraft find auch feine
grofsen Kompofitionen für die Wandmalereien in der Vorhalle feines Mufeums.
Etwas von der fonnigen Heiterkeit, in der feinem Auge die Griechenwelt er-
fchien, ift in diefes Werk übergegangen; aber Zeichnung und Kolorit des von
feiner Hand herrührenden Entwurfes im Schinkel-Mufeum laffen trotz aller Vor-
züge den Dilettanten auf diefen Gebieten erkennen.
Erfcheint Schinkels Thätigkcit als Maler vom Standpunkt der allgemeinen
Kunftgefchichte aus weniger bedeutend, fo darf der Biograph darüber nicht
vergeffen, dafs diefelbe in der Lokalgefchichte Berlins eine nicht unwefentliche
Rolle gefpielt hat. Theils aus eigner Initiative, theils im Aufträge des Befitzers
des Diorama's, Karl Gropius, malte Schinkel feit dem Jahre 180/ eine Reihe
optifch-perfpectivifcher Bilder gröfsten Mafsftabes, welche Anfichten verfchiede-