WIEDER IN PARIS UND IM DIENSTE NAPOLEONS.
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nicht blofs der politifche Mittelpunkt, fondern zugleich auch das Centrum der
modernen Cultur werden. Hier hatte Napoleon die aus Italien, Deutfchland und
Spanien als Kriegsbeute weggeführten Kunftwerke in einer Sammlung vereinigt,
wie lie die Welt reicher und herrlicher noch nicht gefehen hatte. Ihm felblt war
die Kunft vor Allem ein Mittel, den Glanz, die Gloire feiner Herrfchaft zu er-
höhen, und hauptfächlich in diefer Ablicht wollte er Canova für Paris gewinnen.
Diefer lehnte den glänzenden Antrag ab, wie es fcheint, vornehmlich aus patrio-
tifcher Anhänglichkeit an Rom. In den Unterredungen mit dem Kaifer, deren
Inhalt von Ouatremere und Miffirini ausführlich mitgetheilt worden ih, wagte er
das Schickfal des eben damals durch Napoleon tief gedemüthigten Rom und
den Verluh feiner KunRfchätze mit freimüthigen Worten zu beklagen, die dem
Imperator aus dem Munde eines KünfHers freilich unwichtig genug erfcheinen
mochten. Dem Antrag Napoleons gegenüber machte er hauptfächlich die Un-
möglichkeit geltend, die grofse Maffe der von ihm begonnenen und entworfenen
Arbeiten nach Paris überzuführen. Das Modell zur Büfte der Kaiferin Marie
Uuife war innerhalb kurzer Zeit vollendet; nach der letzten Sitzung ward Canova
von Napoleon mit den Worten wAndate come voletea entlaffen und wenige
Wochen fpäter fah er hch in Rom feinen Arbeiten zurückgegeben.
Die Kolohalhatue Napoleons, bei deren Ausführung der Kaifer ihm völlig
freie Hand liefs, wurde bald nach der Rückkehr vollendet. Nach einigem
Schwanken hatte hch Canova hinhchtlich der Auffahung für eine Idealifirung in
abfolut klafhfeher Weife entfehieden. Napoleon ih nach dem Vorbild einiger
römifcher Kaiferhatuen als Heros dargehellt, oder richtiger in der Gehalt eines
Gottes, behend, lorbeerbekränzt, in der rechten Hand eine Victoria auf der
Weltkugel, in der linken das lange Scepter; ein Gewand, das den Körper völlig
frei läfst, hängt von der linken Schulter herab. Zu Anfang des Jahres 1812 kam
die in Marmor ausgeführte Statue nach Paris. Sie wurde in einem niedrigen
Raum des Louvre untergebracht, wo he einen wenig günhigen Eindruck machte.
Napoleon verhielt hch entfehieden ablehnend; fei es, dafs er an diefer Art von
Idealifirung keinen Gefchmack fand, fei es, dafs die drohende Gehalt, welche
die politifchen Verhältniffe Europa's damals annahmen, der heraufziehende Schat-
ten feines Verhängniffes ihm den Anblick diefer Gottähnlichkeit verleidete, er
verbot die öffentliche Ausheilung der Statue. Sie mufste hch, von einem Bretter-
gerüh umgeben, in eine Ecke jenes dunkeln Raumes zurückziehen. Hier ver-
harrte das Standbild, während hch auf den Schneefeldern Rufslands, in der Schlacht
bei Leipzig und fchliefslich bei Waterloo das Gefchick des Kaifers erfüllte.
Die Statue hei in die Hände Wellingtons, der he nach England bringen liefs.
Eine Kopie derfelben in Bronze heht im Hofe der Brera zu Mailand. — Das
Schickfal des Standbildes der Kaiferin Marie Luife, die Canova in der Gehalt
einer Concordia darhellte, war kaum minder tragifch; es war bei dem Sturze
Napoleons nur eben erh vollendet und gelangte fpäter in den Behtz des Kaifers
von Oeherreich, der es in Colorno aufhellen liefs.
Unter den fpäteren Werken Canova's ih keines mehr, das auf befonderes
Intereffe Anfpruch hat. Zwar wurden die Mufen und die Gruppe der Grazien
(1814), obfehon der Gefchmack der Zeit hch von Canova's Richtung abzu-
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nicht blofs der politifche Mittelpunkt, fondern zugleich auch das Centrum der
modernen Cultur werden. Hier hatte Napoleon die aus Italien, Deutfchland und
Spanien als Kriegsbeute weggeführten Kunftwerke in einer Sammlung vereinigt,
wie lie die Welt reicher und herrlicher noch nicht gefehen hatte. Ihm felblt war
die Kunft vor Allem ein Mittel, den Glanz, die Gloire feiner Herrfchaft zu er-
höhen, und hauptfächlich in diefer Ablicht wollte er Canova für Paris gewinnen.
Diefer lehnte den glänzenden Antrag ab, wie es fcheint, vornehmlich aus patrio-
tifcher Anhänglichkeit an Rom. In den Unterredungen mit dem Kaifer, deren
Inhalt von Ouatremere und Miffirini ausführlich mitgetheilt worden ih, wagte er
das Schickfal des eben damals durch Napoleon tief gedemüthigten Rom und
den Verluh feiner KunRfchätze mit freimüthigen Worten zu beklagen, die dem
Imperator aus dem Munde eines KünfHers freilich unwichtig genug erfcheinen
mochten. Dem Antrag Napoleons gegenüber machte er hauptfächlich die Un-
möglichkeit geltend, die grofse Maffe der von ihm begonnenen und entworfenen
Arbeiten nach Paris überzuführen. Das Modell zur Büfte der Kaiferin Marie
Uuife war innerhalb kurzer Zeit vollendet; nach der letzten Sitzung ward Canova
von Napoleon mit den Worten wAndate come voletea entlaffen und wenige
Wochen fpäter fah er hch in Rom feinen Arbeiten zurückgegeben.
Die Kolohalhatue Napoleons, bei deren Ausführung der Kaifer ihm völlig
freie Hand liefs, wurde bald nach der Rückkehr vollendet. Nach einigem
Schwanken hatte hch Canova hinhchtlich der Auffahung für eine Idealifirung in
abfolut klafhfeher Weife entfehieden. Napoleon ih nach dem Vorbild einiger
römifcher Kaiferhatuen als Heros dargehellt, oder richtiger in der Gehalt eines
Gottes, behend, lorbeerbekränzt, in der rechten Hand eine Victoria auf der
Weltkugel, in der linken das lange Scepter; ein Gewand, das den Körper völlig
frei läfst, hängt von der linken Schulter herab. Zu Anfang des Jahres 1812 kam
die in Marmor ausgeführte Statue nach Paris. Sie wurde in einem niedrigen
Raum des Louvre untergebracht, wo he einen wenig günhigen Eindruck machte.
Napoleon verhielt hch entfehieden ablehnend; fei es, dafs er an diefer Art von
Idealifirung keinen Gefchmack fand, fei es, dafs die drohende Gehalt, welche
die politifchen Verhältniffe Europa's damals annahmen, der heraufziehende Schat-
ten feines Verhängniffes ihm den Anblick diefer Gottähnlichkeit verleidete, er
verbot die öffentliche Ausheilung der Statue. Sie mufste hch, von einem Bretter-
gerüh umgeben, in eine Ecke jenes dunkeln Raumes zurückziehen. Hier ver-
harrte das Standbild, während hch auf den Schneefeldern Rufslands, in der Schlacht
bei Leipzig und fchliefslich bei Waterloo das Gefchick des Kaifers erfüllte.
Die Statue hei in die Hände Wellingtons, der he nach England bringen liefs.
Eine Kopie derfelben in Bronze heht im Hofe der Brera zu Mailand. — Das
Schickfal des Standbildes der Kaiferin Marie Luife, die Canova in der Gehalt
einer Concordia darhellte, war kaum minder tragifch; es war bei dem Sturze
Napoleons nur eben erh vollendet und gelangte fpäter in den Behtz des Kaifers
von Oeherreich, der es in Colorno aufhellen liefs.
Unter den fpäteren Werken Canova's ih keines mehr, das auf befonderes
Intereffe Anfpruch hat. Zwar wurden die Mufen und die Gruppe der Grazien
(1814), obfehon der Gefchmack der Zeit hch von Canova's Richtung abzu-
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