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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0077
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DER JASON.

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Richtung feiner künfUerifchen Intereflen, die Nachbildung eines der beiden
Roffebändiger auf Montecavallo. Von Originalarbeiten, die er meift wieder zer-
fchlug, weil he ihm nicht genügten, kamen faft nur die wenigen zu Stande, die
er feiner Verpflichtung gemäfs der Kopenhagener Akademie als Beweife feiner
römifchen Thätigkeit einfandte. Seine Penhonszeit war um zwei Jahre verlängert
worden; als diefe Frih zu Ende ging und er noch immer ohne Aufträge war, auch
keine Hoffnung hatte, folche zu erhalten, mufste er an die Heimreife denken.
Doch wollte er nicht gehen, ohne an einem gröfseren Werk feine ganze Kraft
verfucht zu haben; er befchlofs das Modell eines Jafon, das er kurz vorher
in Eebensgröfse ausgeführt, dann aber wieder zerflört hatte, noch einmal in
koloffalem Mafsffab aufzubauen. Gegen Schlufs des Jahres 1802 war die Arbeit
vollendet; die Mittel für den Abgufs des Modelles erhielt er von feiner kunft-
verftändigen Landsmännin Friederike Brun, der Schwefter des Bifchofs Münter,
die lieh damals in Rom aufhielt. Jafon ift dargeftellt als Beheger des Drachen,
in ftolzer fchreitender Bewegung, in der Rechten die Lanze, über dem linken Arm
das goldene Vliefs. Diefes Werk endlich — Thorwaldfen war 32 Jahre alt —
hatte einen entfehiedenen Erfolg, es erregte in Rom allgemeine Aufmerkfamkeit,
der kritifche Zoega und Canova, der damals auf der Hohe eines völlig unbe-
dingten Anfehens ftand, gaben dem Werk ihren Beifall. Gleichwohl follte Thor-
waldfen Rom nun verlaffen. Der Tag der Abreife kam; als der Vetturin fchon
vor der Thtire wartete und Thorwaldfen zum Einfleigen bereit war, verlangte fein
Reifegefährte, deffen Pafs hch nicht in Ordnung befand, einen Tag Auffchub.
Dies war der nämliche Tag, an welchem der englifche Banquier Sir Thomas Hope
das Atelier Thorwaldfens befuchte, um feinen Jafon zu fehen; die Statue gefiel
ihm in fo hohem Mafse, dafs er fofort entfchloffen war, fie in Marmor ausführen
zu laffen und dem KünfHer den Auftrag dazu auf der Stelle ertheilte. Hiermit
war über die Zukunft Thorwaldfens entfehieden. Er blieb in Rom.
Bald nachher las man in Wielands »Teutfchem Merkur« (in der Auguft-
Nummer von 1803) eine Mittheilung Fernow's aus Rom, in welcher über Thor-
waldfens Jafon als die wichtigffe römifche Elunffneuigkeit berichtet wurden
^niemals«, hiefs es darin, ^habe man in neueren Zeiten ein Bildwerk von fo
reinem und grofsem Stile gefehn.« Die November-Nummer des Merkur enthielt
ein von Friederike Brun verfafstes Epigramm, in welchem die Bewunderung der
Statue nicht minder lebhaften Ausdruck fand. 4) Den Werken des clafhfchen
Canova, mit denen man die Arbeit des bis dahin völlig unbekannten Künhlers
direct in Vergleich brachte, diefen gepriefenften Leitungen der damaligen Plaflik,
fchien he nicht blofs ebenbürtig zu fein, fondern he an echter Clafhcität zu über-
treffen. Canova felbff foll beim Anblick des Jafon, nach einer Mittheilung von
Friederike Brun (im Morgenblatt 1812, Nr. 192), geäufsert haben: aQuest'opera di
quel giovane danese e fatto in un stile nuovo e grandioso.« Und in der That zeigte
die Statue in ihrer fchlichten Gröfse und ruhigen Kraft eine Strenge und Rein-
heit des antiken Stils, die als etwas Neues zu gelten hatte, das in den Werken
Canova's nicht zu hnden war; in keiner von feinen Geffalten der heroifchen
Gattung war der Heroentypus der alten Kunft fo klar, behimmt und charakter-
voll ausgeprägt, wie in diefer Statue des Jafon, die mit ihren grofs und breit
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