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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0176
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CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1830—1857.

nichts unterrichtender ifl, als wenn he vom Beginn bis zum Schlufs das Ver-
fahren des Meifters beobachten können".
Als Schadow am 26. Januar 1838 feine fünfzigjährige Mitgliedfchaft der
Akademie feierte, hatte er den Wunfch, hch penhoniren zu Iahen. Es ward ihm
ein Jubelfefl gegeben, «in würdigher Weife" — bemerkt Rauch — «wie es ihm
als tüchtigem Lehrer und Künfller zukam. — Bei vierundhebzig Jahren verliefs er
Abends / Uhr den Speife- und Fehfaal geiftesmunter und frifch; mit einem
tüchtigen Führer durch den Schnee fchritt er nach Haus" ; — und ftatt der
Penhonirung erfolgte nur die Beiordnung Tieck's als Vicedirektor. Es ward
damit im Lebensgang und in der Thätigkeit Schadow's nichts geändert, und noch
zwölf weitere Jahre führte er das akademifche Scepter mit willig anerkannter, un-
angefochtener Hcrrfcherkraft.
Einmal noch nach langer, langer Paufe griff er zum Modellirholz. Es war
weniger der künhlerifche Schaffensdrang, als vielmehr eine Laune des Alters,
welche ihn dazu trieb, feine bildnerifche Thätigkeit formell fo zu befchliefsen, wie
er he begonnen — durch eine Arbeit für die königliche Porzellanmanufaktur.
Achtzigjährig modellirte er 1844 die Weinsbergerin, welche ihren Mann Huke-
pack trägt; ziemlich charakterlos und ohne Humor. Wenn die Arbeit auch nach
Schadow's Meinung durch einen Schüler etwas «verledert" ift, fo zeigt he doch
auch in der Kompohtion und der Detailausführung nicht viel echt Schadow'fches.
Immerhin fei ihr auch jetzt der Achtungserfolg nicht vertagt, der ihr feiner Zeit
zu Theil ward, da he in der Biscuitausführung vielfach gekauft wurde.
Als Schadow hiermit feinem plaftifchen Schaffen den Abfchlufs gegeben
hatte im vollem Bewufstfein, er fei damit fertig, griff er zu gänzlicher Abrundung
feiner Thätigkeit nochmals zur Feder, um in der tagebuchartigenSchrift: «Kunfl-
werke und Kunflanhchten von Dr. Johann Gottfried Schadow" die Erinnerungen
feines Lebens niederzulegen, welche hch auf die miterlebte Entwickelung der
Kunft beziehen. Wenn hch einzelne faktifche Irrthümer finden, fo will dies wenig
tagen gegenüber der Schützbarkeit des maffenhaft angefammelten thatfächlichen
Materials, in deffen Darftellung und Mittheilung hch zugleich die ganze Liebens-
würdigkeit feiner Perfon wiederfpiegelt. So wie er war, fo fchrieb er. Mit
biederfter Offenheit tagt er, was er denkt, ernft oder mit einem Anflrich von
Jovialität und Humor, je nachdem es pafst, bisweilen mit freundlicher Ironie, nie
mit Bitterkeit, voller Anerkennung für alles Schaffen, ohne blinden Parteieifer für
oder wider eine künhlerifche Richtung, die Berechtigung und den Werth einer
jeden anerkennend, ein ganzer Mann, ein ganzer Künfller.
Als er auch dies Werk vollendet und mit dem Schlufs des Jahres 184p der
Oeffentlichkeit übergeben hatte, betrat er das neue Jahr nur noch, um hch von
der gelammten Erdenarbeit zur Ruhe zu begeben. Er erkrankte an einem akuten
Lungenleiden und flarb am 28. Januar 1850.
*
Der Schlufs der Schadow'fchen Bildhauerwerkflatt gegen Ende der Zwanziger-
Jahre war eine felbftverfländliche Folge des Aufblühens von Rauch's Werkflatt
gewefen. Von Niemandem ward diefe Konfequenz williger anerkannt, als von dem
 
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