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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Schmarsow, August: Pierre-Jean David d'Angers: geb. zu Angers d. 12. März 1788, gest. in Paris d. 5. Januar 1856
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0217
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DIE ERSTLINGSARBEITEN.

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auf dem Marsfelde« ausgehellt, Guerin: "Andromache undPyrrhus« nebh "Aurora
und Cephalus«, Girodet die "Sinnende Männergehalt auf den Ruinen Roms«, welche
Chateaubriands Züge trug, Gros die "Einnahme von Madrids und die "Schlacht
bei den Pyramiden«. Unter den 103 Bildhauerarbeiten befanden fleh Canova's
Tänzerin, Rolands Bacchantin, Chaudets Cyparifse und Boho's Gruppe "die
Liebe verführt die Unfchuld«. — Die ganze Richtung der franzöflfchen Schule
zeigte damals eine ausgefprochene Vorliebe für die plahifche Auffaffung der
Form; das Intereffe des Publikums und das Streben der Künfller begegneten
lieh und bereiteten der Bildhauerei den günfligflen Boden.
Pierre-Jean David liefs nicht auf fleh warten; die Darflellung des "Schmerzes«
in einem Jünglingskopf wurde mit dem Preife des Grafen Caylus gekrönt, und bald
darauf brachte die Bewerbung von 1811 ihn an das heifserfehnte Ziel, die italie-
nifche Reife. Die Aufgabe von 1810 war eine Freifigur gewefen, die Gehalt
des Othryades, des letzten Ueberlebenden von dreihundert Spartiaten, die nach
Herodots Erzählung gegen ebenfoviel Argiver gekämpft. Jetzt follte in einem
Relief der Tod des Epaminondas gegeben werden. Davids Arbeit hat unver-
kennbare Vorzüge. Der fterbende Held fitzt, vom Arzte im Rücken gehalten,
in der Mitte. Mit der erlahmenden Rechten liebkoft er feinen Schild, den ihm
ein Krieger knieend darreicht. Zur Linken fleht in verzweifelndem Schmerz ein
bärtiger Thebaner, bedeckt mit der Rechten die Augen und prefst mit der
Linken die Hand eines jungen Gefährten ans Herz, der neben ihm, dem Helden
zugewendet, ängfllich jede Bewegung beobachtet, während drüben hinter dem
Arzte zwei andere Kampfgenoffen in flummer Trauer herüberfchauen. Alle Ge-
halten find im ganzen gut bewegt, mannichfach in Alter und Charakter, aus-
drucksvoll, ohne — was bei einem Franzofen viel fagen will — theatralifch zu
fein. Ernhe Feierlichkeit waltet über den letzten Augenblicken des Führers.
Die wohlabgewogene Kompofition und die geringe Tiefe des Reliefs zeugen
vom Studium der Antike.
Alle drei Erhlingsarbeiten haben eine Eigenthümlichkeit: die Energie des
feelifchen Ausdrucks. Kein Wunder; fchon 180p fchreibt David einem Freunde:
"Ich hudire unausgefetzt den äufsern Menfchen; aber trotz allen Wundern, die
fleh meinen Augen enthüllen, bemerke ich, dafs der innere Menfch noch viel
haunenswerther ih; denn aus dem Innern entheigt all dies Wunderbare. Die
Leiden des menfchlichen Herzens find ein herrliches Studium und eins der
wichtighen für den Künhler«.
So trat David wohlvorbereitet den fünfjährigen Aufenthalt in Italien an.
Die franzöfifche Akademie in Rom war feit 1804 in die Villa Medici über-
gefledelt; feit 1808 hand der tüchtige Maler Lethiere an der Spitze, und aus-
erlefene Schüler wie Drolling, Abel de Pujol, Ingres und Horace Vernet, Bild-
hauer wie Cortot, Pradier und Bartolini, dazu Herold, der nachmalige Komponih
der Opern Zampa und Pre aux Clercs fanden fleh mit David zufammen. Aus diefer
Zeit hammt fein an die Spitze diefes Auffatzes gehelltes Jugendbildnifs, das
Ingres in Rom gezeichnet.
Ganz Italien huldigte damals Canova. Der Enthuflasmus ging bis zur Ver-
irrung. Eine Zeit lang feffelte auch den jungen Franzofen die verführerifche
 
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