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PIERRE-JEAN DAVID D'ANGERS.
Grazie des Venezianers, deren Wirkung auf die Zeitgenoffen wir kaum mehr
begreifen. Jacques Louis David hatte ihm durch feine Empfehlung den Zutritt
in das Atelier geöffnet, aber dem Rath, foviel wie möglich dort zu lernen, auch
die Warnung beigefügt, die falfche und affektirte Manier nicht nachzuahmen;
denn he richte einen jungen KünfHer zu Grunde. So kam der Schüler Rolands
bald von feiner Bewunderung zurück; fein Naturell drängte ihn auf ganz andere
Bahn. Neben Canova Rand nur Thorwaldfen, ernft, keufch und verlchloffen, auch
für David. Sie haben damals keine Beziehungen gehabt, und das Urtheil des Fran-
zofen über den Nordländer, den »reinen KlafRker«, iR immer einfeitig geblieben.
Studien nach den Werken der Antike, deren Reihen damals allerdings durch
Napoleons Plünderung gelichtet waren, Randen in erRer Linie auf dem Programm
der Schule; er betrieb he mit Eifer, und fein Briehvechfel mit Roland enthält
manches wichtige Refultat, zu dem er hch angehchts diefer Vorbilder hindurch-
gerungen. »Ein fchlecht berathenes Studium der Antike führt zur Starrheit und
Kälte; aber wenn die Antike dazu dient unfern Gefchmack zu läutern und uns die
Schönheiten fehen lehrt, die wirklich in der Natur exiRiren, dann mufs dies
Studium von grofsem Nutzen fein; denn die Natur iR ficherlich fchön.«
»Die Antike iR das Gegengift gegen den fchlechten Gefchmack, zu dem ein
mifsverRandenes Studium der Natur leicht verführt.« — Was diefe Sätze praktifch
bei ihm bedeuten, fagen uns die Arbeiten, die er damals geliefert: ein Studien-
kopf nach einem bärtigen Modell, den er hernach als Odyffeus in Marmor aus-
geführt und feiner VaterRadt Angers gefchenkt hat; eine BüRe der Omphale,
die, wie ein für Louis Bonaparte gearbeitetes Nere'idenhaupt, verloren iR; ein
Relief mit einer Nereide, die, auf einem Seethier htzend, den Helm Achill's
emporhält, zu welchem er noch ein GegenRück mit der Schildträgerin gezeichnet;
vor allem aber ein »Junger Hirt«, der Canova's Beifall fand. Es iR die ruhig Rehende
Figur eines Epheben, der die Augen niederfchlägt und im Bache fein eigenes
Bild Reht. Frei von dem Fratzenhaften der ewig lächelnden NarziRe drückt
hier die linkifche Bewegung des erhobenen Armes trefflich die naive Ueber-
rafchung aus, während das GeRcht den träumerifchen ErnR bewahrt. Von glück-
licher Naturbeobachtung zeugt auch das Haar, das, Ratt in regelrechten Ringeln,
in langen Strähnen nachläfRg auf die Schultern fällt.
Beinahe hätte der römifche Aufenthalt des vielverfprechenden PenRonärs
ein jähes Ende genommen; denn der Sohn des Republikaners nahm Murats
Proklamation der Befreiung Italiens für ErnR, entwich zu einer Schaar Carbonari
in die Campagna und wäre bei PaeRum um ein Haar erfchoffen worden, hätte
ihn nicht ein ungarifcher OfRzier befreit. In Rom gelang es Lethiere nur mit
Mühe den franzöRfchen Gefandten zu befänftigen und die AusRofsung zu ver-
hindern. So arbeitete er in den letzten Monaten noch die Porträtmedaillons
feines Genoffen Herold und der Cecilia Odescalchi, lehnte die Aufforderung der
unglücklichen Karoline von Braunfchweig, Re nach Aegypten zu begleiten, ab
und kehrte im Frühjahr 1816 über die Alpen zurück.
Frankreich feufzte damals unter der Occupation durch die Alliirten, fein
geliebtes Angers war von den Preufsen befetzt, und fo litt es den warmen
Patrioten nicht lange daheim. Canova's begeiRerte Schilderung der Skulpturen
PIERRE-JEAN DAVID D'ANGERS.
Grazie des Venezianers, deren Wirkung auf die Zeitgenoffen wir kaum mehr
begreifen. Jacques Louis David hatte ihm durch feine Empfehlung den Zutritt
in das Atelier geöffnet, aber dem Rath, foviel wie möglich dort zu lernen, auch
die Warnung beigefügt, die falfche und affektirte Manier nicht nachzuahmen;
denn he richte einen jungen KünfHer zu Grunde. So kam der Schüler Rolands
bald von feiner Bewunderung zurück; fein Naturell drängte ihn auf ganz andere
Bahn. Neben Canova Rand nur Thorwaldfen, ernft, keufch und verlchloffen, auch
für David. Sie haben damals keine Beziehungen gehabt, und das Urtheil des Fran-
zofen über den Nordländer, den »reinen KlafRker«, iR immer einfeitig geblieben.
Studien nach den Werken der Antike, deren Reihen damals allerdings durch
Napoleons Plünderung gelichtet waren, Randen in erRer Linie auf dem Programm
der Schule; er betrieb he mit Eifer, und fein Briehvechfel mit Roland enthält
manches wichtige Refultat, zu dem er hch angehchts diefer Vorbilder hindurch-
gerungen. »Ein fchlecht berathenes Studium der Antike führt zur Starrheit und
Kälte; aber wenn die Antike dazu dient unfern Gefchmack zu läutern und uns die
Schönheiten fehen lehrt, die wirklich in der Natur exiRiren, dann mufs dies
Studium von grofsem Nutzen fein; denn die Natur iR ficherlich fchön.«
»Die Antike iR das Gegengift gegen den fchlechten Gefchmack, zu dem ein
mifsverRandenes Studium der Natur leicht verführt.« — Was diefe Sätze praktifch
bei ihm bedeuten, fagen uns die Arbeiten, die er damals geliefert: ein Studien-
kopf nach einem bärtigen Modell, den er hernach als Odyffeus in Marmor aus-
geführt und feiner VaterRadt Angers gefchenkt hat; eine BüRe der Omphale,
die, wie ein für Louis Bonaparte gearbeitetes Nere'idenhaupt, verloren iR; ein
Relief mit einer Nereide, die, auf einem Seethier htzend, den Helm Achill's
emporhält, zu welchem er noch ein GegenRück mit der Schildträgerin gezeichnet;
vor allem aber ein »Junger Hirt«, der Canova's Beifall fand. Es iR die ruhig Rehende
Figur eines Epheben, der die Augen niederfchlägt und im Bache fein eigenes
Bild Reht. Frei von dem Fratzenhaften der ewig lächelnden NarziRe drückt
hier die linkifche Bewegung des erhobenen Armes trefflich die naive Ueber-
rafchung aus, während das GeRcht den träumerifchen ErnR bewahrt. Von glück-
licher Naturbeobachtung zeugt auch das Haar, das, Ratt in regelrechten Ringeln,
in langen Strähnen nachläfRg auf die Schultern fällt.
Beinahe hätte der römifche Aufenthalt des vielverfprechenden PenRonärs
ein jähes Ende genommen; denn der Sohn des Republikaners nahm Murats
Proklamation der Befreiung Italiens für ErnR, entwich zu einer Schaar Carbonari
in die Campagna und wäre bei PaeRum um ein Haar erfchoffen worden, hätte
ihn nicht ein ungarifcher OfRzier befreit. In Rom gelang es Lethiere nur mit
Mühe den franzöRfchen Gefandten zu befänftigen und die AusRofsung zu ver-
hindern. So arbeitete er in den letzten Monaten noch die Porträtmedaillons
feines Genoffen Herold und der Cecilia Odescalchi, lehnte die Aufforderung der
unglücklichen Karoline von Braunfchweig, Re nach Aegypten zu begleiten, ab
und kehrte im Frühjahr 1816 über die Alpen zurück.
Frankreich feufzte damals unter der Occupation durch die Alliirten, fein
geliebtes Angers war von den Preufsen befetzt, und fo litt es den warmen
Patrioten nicht lange daheim. Canova's begeiRerte Schilderung der Skulpturen