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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Schmarsow, August: Pierre-Jean David d'Angers: geb. zu Angers d. 12. März 1788, gest. in Paris d. 5. Januar 1856
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0232
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PIERRE-JEAN DAVID D'ANGERS.

d'Angers, während Mainz das feine dem Dänen Thorwaldsen verdankt. Thor-
waldsen's Guttenberg mit der Bibel im Arm und den beweglichen Lettern in
der Hand ifl eine hausbackene Bürgerfigur, nichts als der Drucker. Davids Ge-
walt verräth fchon in dem fchlanken Wuchs, den hageren aber nervigen Gliedern
mit feinen Gelenken eine höhere Organifation. Die Züge des fchmalen Geflchts
mit dem langwallenden Barte zeigen die Spur des Nachdenkens, die ganze Be-
wegung hat etwas Erregtes; denn er bietet uns das erlte Blatt feines Druckes
mit den Worten: aUnd es ward Lichte. Die Reliefs am Sockel, deren jedes eine
Schaar berühmter Männer um eine Preffe vereinigt, find trotz der trefflichen
Profilköpfe nichts werth. Diefe Köpfe find zu fchwer für die Leiber, und die
Kompofltionen langweilig; aber das Standbild verdient das Lob, das ihm bei der
Einweihung am 24. Juni 1840 von allen Seiten zu Theil ward.
Als Gegenflück zum Bonchamps und als Seitenflück zum Griechenmädchen
auf dem Grabe des Botzaris entfland der Tod des jungen Barra. Die royaliflifchen
Vendeer hatten den Schwerverwundeten zu dem Rufe »Vive le Roi« zwingen
wollen, aber er hatte ffatt deffen die dreifarbige Kokarde ans Herz gedrückt und
mit dem Rufe avive la republique« fein junges Leben ausgehaucht. Diefen Mo-
ment fafst David in voller Wahrheit. Nackt liegt der Knabe am Boden; ein
letztes Zittern geht durch den Körper, die Beine zeigen fchon die Spur des
Todes, die Muskeln flrecken fleh und die Zehe des Fufses krümmt fleh erffarrt.
Das Leben ifl zurückgeflohen zum Herzen, noch fchwellt ein Athemzug die Bruft,
zuckt der Schmerz im Antlitz, leuchtet ein Strahl der Begeiferung aus dem
brechenden Auge.
Am 7. September 184$ weihte Dünkirchen feinem Jean Bart, dem wFlotten-
verbrennera, eine Bronzefigur, in der David feiner Neigung zum Ausdruck einer
plötzlichen, von innen herausbrechenden Action rückhaltlos gefolgt ifl. Nicht
lange darnach forderte Calais feinen Eustache und Havre feine beiden Dichter:
Bernardin de St. Pierre und Casimir Delavigne, beide wiederum unverkennbare
Beifpiele der volkstümlichen Richtung des Meifers. Einander ebenbürtig, was
die Arbeit allein betrifft, find fie ihrem künflerifchen Werth nach fehr ungleich.
Der Dichter von Paul und Virginie bot an fleh den Vortheil einer fchönen Er-
fcheinung; der Kopf des Greifes befonders mit dem langen Seidenhaar und dem
Ausdruck füfser Melancholie erregt fchon Theilnahme und Bewunderung; aber
der Gedanke an die liebliche Erzählung, die den Namen des Dichters vor der
Vergeffenheit rettet, hat eine reizende Zuthat veranlafst: zu feinen Füfsen fchlum-
mern zwei neugeborene Kinder in einer Wiege von Palmzweigen, unfchuldig und
ahnungslos gefeilt. Der Anblick der Kleinen fpricht unmittelbar zum Herzen
des Befchauers; das Auge fchweift mit Wohlgefallen von ihnen hinauf zum Alten
und wird nicht müde die Zartheit und Mannichfaltigkeit der Arbeit zu bewundern.
Was den Verfaifer von Paul und Virginie fo trefflich charakterifirt und unter-
fcheidet war bei Casimir Delavigne fchwer zu finden. Dem ungünftigen Aeufsern
der Perfönlichkeit konnte überdies nicht abgeholfen werden, und fo iff David
darauf verfallen, dem Poeten die Tricolore in die Hand zu geben. Eine mehr-
farbige Fahne in Erz ilt fchon etwas Verfehltes; wie grade Delavigne dazukommt,
mufs die patriotifche Anwandlung des Bildners verantworten. Das fchlimmfte
 
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