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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Asmus Jakob Carstens: geb. bei Schleswig den 10. Mai 1754, gest. in Rom den 25. Mai 1798
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0294
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ASMUS JAKOB CARSTENS.

auch für andersartige Erfcheinungen auf künhlerifchem Gebiet, bezeugt fein eigener
Bericht über feine Reife von Berlin nach Rom. In Nürnberg gewinnt Dürer, in
Bafel Holbein fein lebhaftes Intereffe ; von letzterem fagt er, wer fei den grofsen
Malern Italiens fehr nahe gekommen.)) In Mailand ift ihm Filarete's gothifches
Hofpital das Sehenswürdigfle in Abficht der Baukunfl. «Alles an diefem grofsen
weitläufigen Gebäude)), bemerkt er, «ift mit grofser Weisheit gemacht. Ich habe
mich nicht fatt daran fehen können. Wie ift doch in der neueren Zeit diefe Kunft
bis zum Kindifchen, ja, Ekelhaften herabgefunken. An den Werken der gothifchen
Baukunft erblickt man überall Genie, an den Werken der neueren nur Regeln.))
In Florenz übte neben der Kunft der italienifchen Glanzperiode auch die der voran-
gehenden Epoche ihre Anziehungskraft; befonders nahmen die Gemälde Mafaccio's
und Ghirlandajo's fein Intereffe in Anfpruch.
Sein künftlerifches Schaffen hielt fich jedoch völlig in der bisher verfolgten
Bahn und zeigte nicht die leifefte Spur eines Einfluffes von Altdeutfch oder Alt-
florentinifch. Seine Vorbilder fah er einzig in der klaffifchen Kunft. In Rom gab
es für ihn aufser der Antike, ftreng genommen, nur zwei Objekte des Studiums :
Michelangelo und Raffael.
Die Art feines Studiums war noch diefelbe wie früher ; lediglich durch ein-
dringliches Betrachten jener grofsen Vorbilder ftrebte er fich ihren Geift zu eigen zu
machen, nicht durch Kopiren, gegen das er noch jetzt denfelben feltfamen Wider-
willen hegte, wie fonft, eine Abneigung, die fich nur aus einer Ueberfpannung feiner
idealiftifchen Sinnesweife erklären läfst und offenbar nicht ohne bedenkliche Folgen
war. Er fürchtete, durch das Kopiren, das finnliche Nachbilden, die Lebendigkeit
der geiftigen Auffaffung zu fchwächen — als ob das Nachbilden, wie bei dem
gewöhnlichen Kopiften, nothwendig den Charakter der Aeufserlichkeit haben
müfste, als ob es, recht geübt, nicht gerade zum beften Mittel des Studiums
werden könnte. Das Bedenklichfte aber war, dafs er diefe Methode des Studiums
auch der Natur gegenüber feflhielt. Jene Meifler des grofsen Stils, die er als
feine Vorbilder verehrte, waren anders verfahren; von Raffael find uns manche
kofibare Zeichnungen erhalten, die beweifen, mit welcher Hingebung er die Natur
ftudirte, wie gründlich er durch Naturfludien die Ausführung feiner bedeutendflen
Kompofitionen vorbereitete. Von einer fo tiefen und intimen Kenntnifs der Natur
und ihrer Formengefetze, wie fie bei allen grofsen Meiflern der klaffifchen Kunft die
Grundlage des idealen Stiles bildete, mufste Carflens bei feiner Weife des Natur-
fludiums weit entfernt bleiben. Mit Recht verachtete er die übliche akademifche
Benutzung des Modells, und keine der fcharfen Aeufserungen ift übertrieben, mit
denen er jener geiftlofen Kunft zu Leibe ging, die Ausdruck, Haltung und Ge-
berde der Gehalten mühfelig aus dem gehellten Modell heraushudirte. Aus
dem Kern eines geiftigen Motivs foll die Kompofition fich entwickeln, der
künhlerifche Entwurf frei aus der Phantafie entfpringen, diefe aber, um lebendig
zu denken und zu gehalten, mufs mit den Formen der Natur aufs Innighe ver-
traut fein, und bei der Ausführung, bei der Durchbildung und Vollendung des
Werkes wird der Künhler die Natur hets aufs Neue befragen müffen. Für Carhens
war das innere Erfinden der wichtighe Theil der Kunft; er pflegte feine Kompo-
htionen in der Phantafie fo weit fertig zu machen, dafs er bei der Aufzeichnung
 
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