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PETER VON CORNELIUS.
weniger vorgebeugt; jedoch ift die Beziehung hier deutlicher, da he hch an
den Verräther felbft anfchmiegt. Ihr Gegenbild ilt Siegfrieds treuer Hund, der
ihn zur Jagd hinzieht, der wüthend dem Mörder nachfpringt, der an der Leiche
des Herrn fein Wehgeheul anftimmt: er hat den Herrn auch im Tode nicht
verlaffen. So wird auch die Tiefe des Schmerzes und der Verzweiflung Chriem-
hildens bei Auffindung ihres todten Gemahls vortrefflich durch das Entfetzen
der Nebenperfonen gefleigert, welches in feiner Gröfse ermeffen läfst, welche
Erfchütterung Chriemhilden felbft betrohen hat.
Aber auch die Umhände felbft ändert Cornelius ab und gehaltet he, ohne
hch an das Gedicht zu kehren, fo wie he ihm und feiner Kunft paffen. Bei der
Berückung Chriemhildens mufs durch das Fenfter der Kriegszug hchtbar werden
der nie zu Stande gekommen ift, den aber der Künftler zur Andeutung der Be-
forgnifs der Königin braucht. Bei dem Wettlauf entkleiden hch Günther und
Hagen bis aufs Hemd, um leichter laufen zu können: hier erfcheinen he mit
Recht voll bekleidet — vom Wettlauf weifs der neue Zufammenhang nichts.
Am deutlichften ift diefe Selbftändigkeit wieder bei der Kompohtion. Um
den trauernden Etzel liegen die Todten wie zur Schau gefchichtet, und
doch heckt Hildebrand eben erh fein Schwert ein, das Chriemhilden den Tod
gebracht. Ihre Wunde wird nur angedeutet — thatfächlich hat er ihr das
Haupt abgefchlagen, und es ih ganz unerfindlich, wie he nach Empfang des
Todeshreiches diefe Lage einnehmen kann: das Einzelne mufs ohne Rücklicht
auf die realihifche Wahrfcheinlichkeit hch dem fügen, was der Künftler aus-
fprechen will.
So ergiebt hch auch diefe zweite felbhändige Schöpfung von Cornelius als
ein bedeutfamesWerk, in welchem feine Eigenart, feine Willkür in der Verarbeitung
des überlieferten Stoffes zu Tage tritt, aber auch feine Fähigkeit, den Gefammt-
charakter einer Dichtung und der in ihr gefchilderten Zeit in fcharfen Zügen
zu erfaffen und zum Ausdruck zu bringen. Mehr noch als in den Stichen, zeigt
hch dies in den Originalzeichnungen, welche das StädelTche Inftitut behtzt und
von welchen der KellerTche Verlag foeben eine neue photographifche Aufnahme
hat machen laffen. Sie ift ebenfo wie die der Fauftzeichnungen in einem be-
henderen Hefte erfchienen.
Noch während Cornelius an den Nibelungen arbeitete, trug hch fein raft-
lofer Geift fchon wieder mit einem anderen Werk, welches geeignet war, ihm
eine neue Welt zu eröffnen, ohne ihn den bisherigen Weg aufgeben zu laffen,
und welches fomit in feiner künftlerifchen Entwicklung eine wichtige Stelle be-
anfprucht. War es der Kampf gegen das akademifche Formelwefen, der ihn
für die formale Seite feiner Kunft neue Wege zu fuchen trieb, fo war es das
echt vaterländifche Gefühl, die Liebe zur deutfchen Heimath, die Begeifterung
für die Gröfse feines Volkes, welche der neuen Kunftentwicklung ihren bedeu-
tungsvollen Inhalt geben follten. Cornelius war hch diefer Richtung wohl be-
wufst. Es legen dafür befonders die im Behtz des Herrn Infpektor Malfs zu
Frankfurt am Main befindlichen und von ihm freundlich!! zur Benutzung mitge-
theilten Briefe Zeugnifs ab, die bisher noch zu wenig für die Erkenntnifs der
inneren Entwicklung des Künftlers verwerthet worden hnd. Dort fchreibt Cor-
PETER VON CORNELIUS.
weniger vorgebeugt; jedoch ift die Beziehung hier deutlicher, da he hch an
den Verräther felbft anfchmiegt. Ihr Gegenbild ilt Siegfrieds treuer Hund, der
ihn zur Jagd hinzieht, der wüthend dem Mörder nachfpringt, der an der Leiche
des Herrn fein Wehgeheul anftimmt: er hat den Herrn auch im Tode nicht
verlaffen. So wird auch die Tiefe des Schmerzes und der Verzweiflung Chriem-
hildens bei Auffindung ihres todten Gemahls vortrefflich durch das Entfetzen
der Nebenperfonen gefleigert, welches in feiner Gröfse ermeffen läfst, welche
Erfchütterung Chriemhilden felbft betrohen hat.
Aber auch die Umhände felbft ändert Cornelius ab und gehaltet he, ohne
hch an das Gedicht zu kehren, fo wie he ihm und feiner Kunft paffen. Bei der
Berückung Chriemhildens mufs durch das Fenfter der Kriegszug hchtbar werden
der nie zu Stande gekommen ift, den aber der Künftler zur Andeutung der Be-
forgnifs der Königin braucht. Bei dem Wettlauf entkleiden hch Günther und
Hagen bis aufs Hemd, um leichter laufen zu können: hier erfcheinen he mit
Recht voll bekleidet — vom Wettlauf weifs der neue Zufammenhang nichts.
Am deutlichften ift diefe Selbftändigkeit wieder bei der Kompohtion. Um
den trauernden Etzel liegen die Todten wie zur Schau gefchichtet, und
doch heckt Hildebrand eben erh fein Schwert ein, das Chriemhilden den Tod
gebracht. Ihre Wunde wird nur angedeutet — thatfächlich hat er ihr das
Haupt abgefchlagen, und es ih ganz unerfindlich, wie he nach Empfang des
Todeshreiches diefe Lage einnehmen kann: das Einzelne mufs ohne Rücklicht
auf die realihifche Wahrfcheinlichkeit hch dem fügen, was der Künftler aus-
fprechen will.
So ergiebt hch auch diefe zweite felbhändige Schöpfung von Cornelius als
ein bedeutfamesWerk, in welchem feine Eigenart, feine Willkür in der Verarbeitung
des überlieferten Stoffes zu Tage tritt, aber auch feine Fähigkeit, den Gefammt-
charakter einer Dichtung und der in ihr gefchilderten Zeit in fcharfen Zügen
zu erfaffen und zum Ausdruck zu bringen. Mehr noch als in den Stichen, zeigt
hch dies in den Originalzeichnungen, welche das StädelTche Inftitut behtzt und
von welchen der KellerTche Verlag foeben eine neue photographifche Aufnahme
hat machen laffen. Sie ift ebenfo wie die der Fauftzeichnungen in einem be-
henderen Hefte erfchienen.
Noch während Cornelius an den Nibelungen arbeitete, trug hch fein raft-
lofer Geift fchon wieder mit einem anderen Werk, welches geeignet war, ihm
eine neue Welt zu eröffnen, ohne ihn den bisherigen Weg aufgeben zu laffen,
und welches fomit in feiner künftlerifchen Entwicklung eine wichtige Stelle be-
anfprucht. War es der Kampf gegen das akademifche Formelwefen, der ihn
für die formale Seite feiner Kunft neue Wege zu fuchen trieb, fo war es das
echt vaterländifche Gefühl, die Liebe zur deutfchen Heimath, die Begeifterung
für die Gröfse feines Volkes, welche der neuen Kunftentwicklung ihren bedeu-
tungsvollen Inhalt geben follten. Cornelius war hch diefer Richtung wohl be-
wufst. Es legen dafür befonders die im Behtz des Herrn Infpektor Malfs zu
Frankfurt am Main befindlichen und von ihm freundlich!! zur Benutzung mitge-
theilten Briefe Zeugnifs ab, die bisher noch zu wenig für die Erkenntnifs der
inneren Entwicklung des Künftlers verwerthet worden hnd. Dort fchreibt Cor-