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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 1, Jugendzeit in Rom
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0331
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DER CYKLUS »ROMEO UND JULIA".

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Kunfltempels lege, fo werde ich mich in der Ueberzeugung nicht ganz vergeb-
lich gelebt zu haben, befriedigt fühlen." So bleibt die deutfche Gehnnung auch
dann noch die Grundlage feines Empfindens, nachdem er fich über die Eng-
herzigkeit des Gebanntfeins an deutfchen Stoff hinaüsgehoben und dadurch eine
höhere, wahrhaft ktinftlerifche Anfchauung gewonnen hatte, deren konfequente
Verfolgung ihn allein zu dem hätte machen können, was zu werden er feinen
Anlagen nach wohl geeignet war: der Gründer einer neuen Entwicklung der
deutfchen Kunfl.
Das begonnene Werk wurde indeffen nicht vollendet. Am 20. Oktober 1813
find zwar fchon drei Zeichnungen fertig, drei andre find angefangen. Der Künftler
berichtet felbfl darüber: »Die drei fertigen Blätter zu Romeo und Julia find:
1) wie Romeo auf dem Ball die Hand der Julia fafst etc.; 2) wie Graf Paris und
Eorenzo am Morgen mit den Mufikanten kommen, um die Braut zu holen, die
von ihren Eltern für todt beweint wird; 3) wie Lorenzo früh morgens ins Fa-
milienbegräbnifs der Capulets kommt um die Julia zu holen, aber an ihrer freite
Romeo vergiftet und Graf Paris von demfelben erftochen findet. Jetzt habe ich
wieder drei andere angefangen, die bis im Februar fertig fein können. 1) wie
Romeo, der die Nacht über bei der Julia gewefen, am auf brechenden Morgen
von ihr eilen will, iie ihn länger zu verweilen bittet; 2) die Verföhnung beider
Familien über den Leichen ihrer Kinder als Schlufs und 3) wie Romeo fich Gift
bei dem armen Apotheker in Mantua kauft." Er erklärt, dafs er fich einige
»Freiheiten« erlaubt habe, und fügt den für ihn fehr charakterifhfchen Satz hin-
zu, der fich bis zu feinem letzten grofsen Werke, und hier ganz befonders be-
wahrheiten follte: »Uebrigens nehme ich immer denjenigen Gegenftand , der
mich am meiften erfüllt und begeiftert hat, und fo gefchieht es dann oft, dafs ich
wie Wilhelm Meifter am letzten Akt, wo es fo recht ans Maffakriren geht, anfange."
Veröffentlicht ift jedoch nur ein Blatt, und zwar durch den Stich E. Schäffers.
Es ftellt die Scene dar, in der es in der That »fo recht ans Maffakriren geht":
es ift das oben unter 3 erwähnte Blatt. Es hiefse nun des Künftlers Eigenthüm-
lichkeit gänzlich mifsverftehen, wollte man mit dem Dichtwerk in der Hand eine
Konfrontation des Augenblicks und der Perfonen in Drama und Bild vornehmen.
Der bildende KünfHer fchafft auch hier nicht als Illuftrator, fondern als felb-
ftändiger Dichter, welcher feinen Stoff zwar einem Drama entnimmt, im übrigen
aber feine Scene fo geftaltet, wie es ihm feine Erzählungsmittel, im Ausgleich mit
den nothwendigen Anforderungen einer die fchöne Erfcheinung nicht nur in der
Gruppirung fondern auch in der Einzelform fuchenden bildlichen Geftaltung ge-
bracht, erlauben. Dafs Romeo fleh erft vergiftet, Lorenzo dann zum Erwachen der
Julia kommt, vor den nahenden Wächtern flieht und Julia fich dann erdolcht, fo
dafs die nun herbeikommenden Wächter nur noch Leichen finden, das giebt er
freilich nicht. Er geht, wie auch fonft darauf aus, nicht nur eine Handlung fon-
dern auch deren Wirkung und in diefer die Furchtbarkeit der Handlung felbfl
zu fchildern. Ihm ift Julia todt, und offenbar nicht durch Selbftmord: man fleht
weder Wunde noch Dolch, und die Haltung des an Romeo gelehnten, ruhig wie
fchlafend daliegenden Körpers fowie die noch gefalteten und das Kruzifix um-
faffenden Hände laffen überhaupt den Gedanken gar nicht aufkommen dafs Romeo
 
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