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JULIUS SCHNORR VON CAROLSFELD.
dem Tode des Einen der Erfolg des Ganzen in Frage geRellt, ja aufgehoben iE:
dies kommt aber durch diefen Gegenfatz zu leicht verRändlichem Ausdrucke, zu-
mal lieh der Gedanke nicht unterdrücken läfst, dafs, wo die Brücke fo nahe war,
es des Durchgangs durch das Waffer nicht bedurft hätte, dafs hier alfo ein un-
bedachtes Aufserachtlaffen der Schranken des Alters vorliegt, das bei der ver-
antwortlichen Stellung des FürRen dem Jugendmuthe die Zügel hätte halten
müffen. So wird durch Ueberfchreiten des Maafses nicht nur für den Einen
fondern für Alle das Verderben heraufbefchworen. In der Kompolition bildet
aber die im Hintergründe befindliche Brücke mit dem Heereszug das fymmetrifche
Gegengewicht zu dem Sohne des Kaifers; das zur vollen Herftellung der
Symmetrie nothwendige Mittelglied findet der Künftler in einer Gruppe von
Pilgern, welche im Mittelpunkt etwas weiter in der Tiefe Rehen, jedoch nicht
auf einem Plane mit der Brücke, fo dafs hier die Symmetrie der Entwicklung in
die Breite durch die verfchiedene Tiefe der einzelnen Glieder eine intereffante
Abwechslung erfährt.
Im dritten Saale beRnden Reh, die entfprechende Stelle an den Wänden ein-
nehmend, an der erRen Langwand die Salbung des zwölfjährigen Karl, dann des
Königs Sieg über DeRderius zu Pavia, fodann zwifchen den FenRern (es End in
diefem Saale vier) die Männer aus der Umgebung Karls, Alcuin, Arno und
Eginhard. Auf der zweiten Langwand Karls Sieg zu Fritzlar, ferner die Be-
kehrung der Sachfen; an der Rückwand endlich die Synode zu Frankfurt, welche
die Frage der Bilderverehrung für das Abendland entfehied, und endlich Karls
Kaiferkrönung zu Rom. Von befonderem Intereffe erfcheint hier der Verfuch
des KünRlers, die Bedeutung der Schlacht bei Fritzlar durch ein andres Mittel als
den Kampf, der nichts wefentlich Unterfcheidendes von andren Siegen haben
kann, dem Befchauer deutlich zu machen und fo das IlluRrationsgemälde zu der
Bedeutung eines wirklich hiRorifchen Bildes zu erheben, auf welchem aufser dem
zufälligen Einzelereignifs deffen Bedeutung für das Ganze und dadurch deffen
bleibender Werth erkannt werden mufs. Die brennende Stadt links, der Kampf
davor, der in der Mitte über eine kleine Brücke fprengende Kaifer, der den Speer
fchleudert, die die Verwundeten pHegenden Frauen rechts, die dahinter Eiehen-
den Sachfen können uns nichts derart berichten. Da läfst der KünRler über
Karl im Hintergründe eine chriRliche Kirche in Form der Aachener PalaRkapelle,
von zwei Engeln behütet, erfcheinen, offenbar als ViEon, um dadurch dem Be-
fchauer anzudeuten, dafs diefe Schlacht den Sieg des ChriRenthums entfehied,
dafs der Kaifer hier nicht nur die Sachfen, fondern auch das Heidenthum be-
Regte, wodurch zugleich das nächRe Bild, die Taufe der Sachfen, erR feine volle
Bedeutung erhält. (Da die Kirche Reh aufserhalb der Stadt beRndet, fo fcheint
mir die Deutung, als befchützten die Engel die Kirche vor den Flammen der
brennenden Stadt, nicht richtig.) Man kann fragen, ob diefes fonR nirgends
wieder hervortretende Hereinziehen überirdifcher Dinge glücklich iR; uns aber
iR es vor allen Dingen wichtig als ein Beweis für die dem KünRler innewohnende
Erkenntnifs, dals die ihm auferlegte IlluRration der Weltgefchichte nicht das zu
bieten vermag, was feine künRlerilcheEmpRndung vonfolchen Bildern verlangte:
ein allgemeines Gefchick mufs durch das Einzelereignifs zum Ausdruck gebracht
JULIUS SCHNORR VON CAROLSFELD.
dem Tode des Einen der Erfolg des Ganzen in Frage geRellt, ja aufgehoben iE:
dies kommt aber durch diefen Gegenfatz zu leicht verRändlichem Ausdrucke, zu-
mal lieh der Gedanke nicht unterdrücken läfst, dafs, wo die Brücke fo nahe war,
es des Durchgangs durch das Waffer nicht bedurft hätte, dafs hier alfo ein un-
bedachtes Aufserachtlaffen der Schranken des Alters vorliegt, das bei der ver-
antwortlichen Stellung des FürRen dem Jugendmuthe die Zügel hätte halten
müffen. So wird durch Ueberfchreiten des Maafses nicht nur für den Einen
fondern für Alle das Verderben heraufbefchworen. In der Kompolition bildet
aber die im Hintergründe befindliche Brücke mit dem Heereszug das fymmetrifche
Gegengewicht zu dem Sohne des Kaifers; das zur vollen Herftellung der
Symmetrie nothwendige Mittelglied findet der Künftler in einer Gruppe von
Pilgern, welche im Mittelpunkt etwas weiter in der Tiefe Rehen, jedoch nicht
auf einem Plane mit der Brücke, fo dafs hier die Symmetrie der Entwicklung in
die Breite durch die verfchiedene Tiefe der einzelnen Glieder eine intereffante
Abwechslung erfährt.
Im dritten Saale beRnden Reh, die entfprechende Stelle an den Wänden ein-
nehmend, an der erRen Langwand die Salbung des zwölfjährigen Karl, dann des
Königs Sieg über DeRderius zu Pavia, fodann zwifchen den FenRern (es End in
diefem Saale vier) die Männer aus der Umgebung Karls, Alcuin, Arno und
Eginhard. Auf der zweiten Langwand Karls Sieg zu Fritzlar, ferner die Be-
kehrung der Sachfen; an der Rückwand endlich die Synode zu Frankfurt, welche
die Frage der Bilderverehrung für das Abendland entfehied, und endlich Karls
Kaiferkrönung zu Rom. Von befonderem Intereffe erfcheint hier der Verfuch
des KünRlers, die Bedeutung der Schlacht bei Fritzlar durch ein andres Mittel als
den Kampf, der nichts wefentlich Unterfcheidendes von andren Siegen haben
kann, dem Befchauer deutlich zu machen und fo das IlluRrationsgemälde zu der
Bedeutung eines wirklich hiRorifchen Bildes zu erheben, auf welchem aufser dem
zufälligen Einzelereignifs deffen Bedeutung für das Ganze und dadurch deffen
bleibender Werth erkannt werden mufs. Die brennende Stadt links, der Kampf
davor, der in der Mitte über eine kleine Brücke fprengende Kaifer, der den Speer
fchleudert, die die Verwundeten pHegenden Frauen rechts, die dahinter Eiehen-
den Sachfen können uns nichts derart berichten. Da läfst der KünRler über
Karl im Hintergründe eine chriRliche Kirche in Form der Aachener PalaRkapelle,
von zwei Engeln behütet, erfcheinen, offenbar als ViEon, um dadurch dem Be-
fchauer anzudeuten, dafs diefe Schlacht den Sieg des ChriRenthums entfehied,
dafs der Kaifer hier nicht nur die Sachfen, fondern auch das Heidenthum be-
Regte, wodurch zugleich das nächRe Bild, die Taufe der Sachfen, erR feine volle
Bedeutung erhält. (Da die Kirche Reh aufserhalb der Stadt beRndet, fo fcheint
mir die Deutung, als befchützten die Engel die Kirche vor den Flammen der
brennenden Stadt, nicht richtig.) Man kann fragen, ob diefes fonR nirgends
wieder hervortretende Hereinziehen überirdifcher Dinge glücklich iR; uns aber
iR es vor allen Dingen wichtig als ein Beweis für die dem KünRler innewohnende
Erkenntnifs, dals die ihm auferlegte IlluRration der Weltgefchichte nicht das zu
bieten vermag, was feine künRlerilcheEmpRndung vonfolchen Bildern verlangte:
ein allgemeines Gefchick mufs durch das Einzelereignifs zum Ausdruck gebracht