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Kaiserlich-Königliches Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt [Editor]
Das K. K. Versatzamt in Wien: von 1707 bis 1900 — Wien: Selbstverl., 1901

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I. Einleitung.

Das Aufblühen von Handel und Gewerbe und die damit verbundene größere
Wohlhabenheit hatten bei der für äußere Formen überhaupt leicht empfänglichen
italienischen Nation in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts steigenden Luxus
und Wohlleben, aber auch Betrug und Wucher zur Folge. Da das canonische Recht,
abweichend vom römischen, jeden Zinsvertrag bei Darlehen als Wucher erklärte,
so musste zunächst der Clerus gegen die Geldverleiher auftreten. Allen voran waren
es die Franciscaner, welche in ihren Predigten gegen den Wucher eiferten und
sich in der Folge an die Spitze der gegen die Wucherer gerichteten Bewegung
stellten. Sie waren dazu mehr als andere Orden berufen, denn ihr inniger Verkehr
mit allen Classen der Gesellschaft hatte ihnen einen tiefen Einblick gewährt, in
welch rücksichtsloser Weise die Darlehensgeber, gleichgiltig welcher' Confession
sie angehörten, die zeitweilige Geldverlegenheit ihrer Mitmenschen durch einen
unglaublich hohen Zins auszunutzen verstanden: es wurden damals 70 und 80%
genommen,1) ein Zins von 30% war gar nichts ungewöhnliches.2) Ein heftiger
Gegner der Wucherer war der mit zündender und überzeugender Rednergabe be-
gnadete Franciscaner Barnabas Interamnensis, auch Barnabas von Terni genannt.3)
Er hatte sich dem Studium der Medicin gewidmet, den Doctorgrad erhalten und
war wegen seines Wissens bei seinen Zeitgenossen hoch angesehen. Unbekannt
aus welchem Grunde, trat er in den Franciscaner-Orden, bekleidete in demselben
mehrere Würden und predigte während des Pontificates Pius II. (1458—1464) zu
Perugia, wo ganz besonders die unteren Volksclassen durch Wucherer bedrückt
wurden.
Er gerieth auf den Gedanken, gleichwie für die Bedürfnisse der einzelnen
Staaten an bestimmten Orten Capitalien angesammelt wurden, die montes coacti hießen,4)

9 Moroni, Dizionario di erudizione storico-ecclesiastica da S. Pietro sino ai nostri giorni
(Venezia 1840—1870). 46, 252.

,Pöhlmann, Die Wirtschaftspolitik der Florentiner Renaissance und das Princip der
Verkehrsfreiheit (Leipzig 1878). 80.

, Wadding, Annales Minorum. 14, 93.

4) Mons (ital. monte) bedeutet Berg, dann aber auch Menge, Haufe und endlich der Ort der
»Ansammlung von Capital zu bestimmten Zwecken«. Vgl. Endeman n, Studien in der roma-
nisch-canonistischen Wirtschaftslehre (Berlin 1874). 1, 432—459. Der erste dieser montes coacti
entstand im 12. Jahrhundert in Venedig. Da nämlich durch beständige Kriege der Staatsschatz
erschöpft war, beschloss der Senat, die von Privaten deponierten Gelder bis auf bessere Zeiten
in öffentliche Verwahrung zu nehmen, d. h. man machte ein Zwangsanlehen bei den Deponenten,
deren Antheile imprestitae genannt wurden. (P. Justiniani rerum Venetiarum historia- 2, 25.) Auch
in Florenz griff man zur Bildung eines solchen mons, um den Staatsfinanzen aufzuhelfen
(vgl. Raumer, Geschichte der Hohenstaufen. 4, 248), und die Curie nahm in Geldnoth zu dieser
Anleiheform ebenfalls Zuflucht; es seien nur erwähnt der mons Julius, von Papst Julius III.
(1550—1555) gegründet; Paul IV. (1555—1559) schuf mehrere solcher montes (Endemann,
Die national- ökonomischen Grundsätze der canonischen Lehre [in: Jahrbücher für Nationalökonomie
Das k. k. Versatzamt. 1
 
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