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Kaiserlich-Königliches Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt [Editor]
Das K. K. Versatzamt in Wien: von 1707 bis 1900 — Wien: Selbstverl., 1901

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Die Licitationen im Versatzamte.

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Der zweite und größere Übelstand war aber der, dass sich Professionslicitanten
fanden, die jeden nicht in ihren »Ring« gehörigen Käufer bei Licitationen des Ver-
satzamtes, sowie bei anderen öffentlichen Licitationen unmöglich machten und das
ganze Licitationswesen so vollständig beherrschten, dass die Schätzmeister, wollten
sie nicht wider ihre Absicht Mengen von Waren erstehen, auf Kosten der Dar-
lehenswerber mit den »Licitationshyänen« rechnen mussten. Die erste Nachricht
über »Unfüge« bei den öffentlichen Versteigerungen des Versatzamtes stammen'
aus dem Jahre 1793, waren aber auch damals nicht mehr neu; ein Regierungs-
bericht darüber lautet: »Da aber bei den Versteigerungen immer noch eine Art von
Ausgelassenheit, Lärm und Ungezogenheit bestehet, immer noch die Pfandtheile dem
Ausrufer und den Schätzmeistern meistens mit Ungestüm aus den Händen gerissen
und unter der Menge herumgezogen, Dinge von Werth und feiner Gattung hiedurch
ganz verunstaltet und nicht selten zerrissen, zerbrochen, ja sogar manchmal Theile der-
selben unter dem Haufen verloren werden, so sey auch hier wie bey allen andern ämt-
lichen Versteigerungen Ruhe und Anstand unter den Käufern und Sicherheit für
die zu verkaufenden Dinge einzuführen, welche auch hier bald würde gefunden
werden, wenn die Ware von dem Ausrufer vorgezeigt, durch die Schätzmeister auf
die vordere Tafel gelegt, dabey aber niemandem erlaubt würde, sie von da wegzu-
reissen und unter den Schwarm von Menschen hinauszuwerfen; wenn es nicht
erlaubt würde, dass einige der Trödlerinnen die Tische so umlagerten, dass auch
dann, wenn Stücke vorkommen, die sie nicht kaufen, sie doch den kauflustigen
keinen Platz lassen und von den einmal eingenommenen Plätzen nicht weichen wollen;
wenn das Lärmen, Zanken und alle Unanständigkeiten bey Strafe der Abschaffung
aus dem Versteigerungssaale abgestellet, wenn Leuten vom Range und Ansehen
Bequemlichkeit, um die Waare zu sehen und sich aufhalten zu können, durch die
Versteigerungs-Commissäre verschafft Würde.
Die Regierung schritt ein ') und entsandte als Commissär2) zu jeder Licitation
einen Regierungs-Secretär.
Die nächste Klage über Unzukömmlichkeiten bei den Versteigerungen stammen
aus dem Jahre 1821. Eine »befugte Tändlerin« zeigte der Regierung an,3) dass »sich
seit mehreren Jahren eine sogenannte Compagnie gebildet habe, die aus mehreren
(von der Anzeigerin) namentlich aufgeführten Personen besteht, ein Capital zu-
sammenschießt, gemeinschaftlich bey der Licitation einkauft und, um die Sachen
so wohlfeil als möglich an sich zu bringen, bey der Licitation immer die vordersten
Plätze besetzt; auf diese Art komme jedes ausgerufene Stück nur in ihre Hände
und nie in die Hände eines Fremden. Auf diese Weise erhalte die Compagnie
Alles was sie wolle, um die niedrigsten Preise. Während zwei Glieder der Com-
pagnie über die eingekauften Stücke das Protokoll führen, zahle ein anderes In-
dividuum derselben, welches gleich neben dem Versatzamts-Cassier seinen Platz
einnimmt, aus der zusammengeschossenen Cassa für jeden, der aus der Compagnie
etwas erstanden hat und erst nachher werden diese Sachen unter die einzelnen
Glieder um den wahren Werth verkauft.« Die eingeleiteten Erhebungen führten
zu keinem Resultate, da der Versatzamts-Cassier sowie andere Beamte des Ver-

') Decret an den Obereinnehmer vom 3. October 1793, Z. 4345.

2) Jeder öffentlichen Licitation hat, entsprechend der Licitations-Ordnung vom 15. Juli 1786,
ein »obrigkeitlicher Commissär« beizuwohnen (Josephinische Gesetzsammlung 1786, Nr. 425,
S. 296). Eine Instruction für die Liquidations-Commissäre wurde am 9. Jänner 1820 erlassen
(Provinzial-Gesetzsammlung 1820, Nr. 9, S. 11).

3) Geschäfts-Z. 30.923 aus 1821.
 
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