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Kaiserlich-Königliches Versatz-, Verwahrungs- und Versteigerungsamt [Hrsg.]
Das K. K. Versatzamt in Wien: von 1707 bis 1900 — Wien: Selbstverl., 1901

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Versatzamtsvermittler, Winkelversatzämter, Incasso-Geschäfte etc.

wie etwa ein Dienstmann im einzelnen Falle für einen Auftraggeber — geschäftsmäßig
von allen Parteien Pfänder zum Versetzen, Pfandzettel zum Auslösen gegen Entlohnung
übernahmen, auch zuweilen nebenbei der Partei einen Vorschuss auf das Pfand
gaben oder für sie das Geld zum Auslösen vorstreckten, wofür natürlich wieder
eine Vergütung zu leisten war. Diese Vermittler und Vermittlerinnen waren also
eigentliche, ohne Autorisation und ohne Verantwortung des Versatzamtes wirkende
Filialen desselben, welche auf Kosten der Pfandgeber bestanden; aus Anlass eines
speciellen Falles wurde durch Verordnung des Staats-Ministeriums vom 12. Februar 1863,
Z. 422, bestimmt, es sei auf das Geschäft des Versetzens und Auslösens keine
Concession zu ertheilen, wobei die Erwägung maßgebend war, dass für die Con-
fusionen, Verwechslungen und wohl auch für die Unredlichkeiten, welche bei
solchen Vermittlern unterlaufen, das Publicum verleitet werden könnte, das Ver-
satzamt verantwortlich zu machen. Trotzdem nahm aber die Zahl der Mittelspersonen
nicht ab. Erst seit Errichtung der Veratzamtsfilialen lässt sich constatieren, dass sie
sich vermindern. Die Filialen werden wirksamer dem Versetzergeschäfte begegnen, als
Gesetze, die ja, so gut und streng sie sein mögen, doch stets umgangen werden.
Filialen werden aber auch den sogenannten Winkelversatzämtern, welche sich
aus und neben dem Versetzer-Geschäfte allmählich entwickelten, ein Ende
machen.
Winkelversatzämter finden sich schon im 18. Jahrhundert. Die Landesstelle
zeigte im Jahre 1791 ein solches »Amt« wegen Einhebung von zu hohen Zinsen
an und stellte den Antrag, dasselbe »abzuschaffen«. Allein mit Hofentschließung
vom 19. Februar 1791 wurde befohlen, »dass, da dermal1) keine Gesetze be-
stehen, nach welchen Privaten an bestimmte Interessen gebunden sind, dies-
falls dem Beklagten keine Ausstellung zu machen sei«. Im Jahre 1800 bat dann
die Landesregierung wiederum um Aufhebung der Winkelversatzämter, wiederum
vergebens, denn mit Hofbescheid vom 20. September 1800 wurde ihr er-
öffnet, dass eine Resolution erflossen sei, nach welcher weder Filial-Versatz-
ämter errichtet, noch gegen die Winkelversatzämter eingeschritten werden soll.2)
So fanden sich allmählich »Speculanten, welche aus dem Geldausleihen auf Pfänder
ein eigenes Gewerbe« machten, »ordentliche Versatzämter« errichteten, »Pfänder-
bücher führten, Versatzscheine hinausgaben, aber den Pfandgebern für ihre Pfänder
keine Sicherheit zu geben im Stande« waren, »schon gleich bey Abreichung des
Darleihens mehrere Percente« abzogen, »diesen Abzug bey jeder Verlängerung des
kurzen Termins wieder« erneuerten »und überdiess noch ungeheure, in kurzer Zeit
den ganzen Werth des Pfandes verschlingende Zinsen« abnahmen.
Da »diese seit mehreren Jahren entstandenen Winkelversatzämter nur der
Liederlichkeit und Ausschweifung die Hand« boten »und den Dieben sonderheit-
hell den treulosen Dienstbothen die Gelegenheit« verschafften, »das entwendete Gut
durch bedungene Versetzersleute sogleich nach verübter That unbemerkt und mit
dem Bewusstsein versetzen zu können, dass sowohl der Thäter als die entwendete
Sache verheimlicht bleibe und in diesem Falle, unerachtet aller der wirksamsten
Polizeyanstalten der Beschädigte immer verunglückt bleiben« musste, so wurden
auf kaiserlichen Befehl3) alle Winkelversatzämten 1801 »gänzlich abgestellt« und über

9 Durch Patent vom 29. Jänner 1787 wurden alle bisher bestandenen Wuchergesetze in
sämmtlichen Erbländern aufgehoben. (Josephinische Gesetzsammlung 1787, S. 245, Nr. 49.)

~) Bericht der n.-ö. Landesregierung an die Hofkanzlei vom 8, August 1800, Z. 18.898. (Der
Bericht aus 1791 und der aus 1800 ist im Wortlaut nicht erhalten.)

3) Hofdecret vom 22. Juni 1801.
 
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