STADT BAD GANDERSHEIM
Am Nordostrand des Northeimer Kreisgebietes
liegt an der Gande, einem Nebenfluss der Leine,
die Kleinstadt Bad Gandersheim, ein bekannter,
geschichtsträchtiger Kloster- und Festspielort.
Mittelpunkt, Wahrzeichen und Keimzelle der
Stadt ist die eindrucksvolle ehemalige Kanonis-
sen-Stiftskirche St, Anastasius und Innocentius
(Ev. Münsterkirche), die durch ihre exponierte
Lage und bauliche Ausprägung maßgeblichen
Einfluss auf die Stadtstruktur hat. Besondere
Bedeutung kommt der monumental wirken-
den, doppeltürmigen Westfront zu, die weithin
sichtbar einen eindrucksvollen Akzent im Land-
schaftsbild setzt. Eng verbunden ist das Stift mit
der Kanonissin Hroswitha von Gandersheim, die
von 935 bis 973 im Stift lebte und dort ihre be-
deutendsten Werke verfasste.
Grundlegend für die Wahl des Siedlungsplatzes
war offenbar die Nähe der am Gandeübergang
sich kreuzenden Fernhandelswege, an deren
Schnittstelle sich ein Handelsplatz reisender
Kaufleute entwickelte. Die eigentliche Keim-
zelle der Stadt bildete das befestigte Stift mit
der Stiftskirche und der Abtei, die sich mit der
Domäne und dem angrenzenden Fronhof zu ei-
nem geschlossenen, mehrgliedrigen Bezirk ent-
wickelte, der noch heute deutlich im Stadtgrund-
riss ablesbar ist. Südlich des Stifts mit seinem
vorgelagerten Kirchhof lag die Stiftsfreiheit, an
der die Stiftskurie und die Höfe der in der Stadt
ansässigen Stiftsvasallen lagen. In der Folge-
zeit konnte das Stift nicht verhindern, dass die
Herzöge von Braunschweig die Oberherrschaft
gewannen und als sichtbares Zeichen ihrer Stel-
lung nördlich des Stiftsbezirks eine Burganlage
errichteten, die erstmals 1447 als „Slot“ bezeich-
net wurde und die 1530 unter Heinrich dem
Jüngeren tiefgreifend umgebaut wurde. An die
Stiftsburg schloss westlich die Marktsiedlung an,
die, historisch gewachsen, sich in Gestalt und
Lage dem Stiftsbezirk unterordnete. Nach fast
1000 Jahren gab im Zuge der Säkularisation das
Stift 1802/03 seine Reichsunmittelbarkeit auf und
wurde als Landesstift dem Herzogtum Braun-
schweig unterstellt; aus dem Stiftsbezirk wurde
eine herzogliche Domäne, die im Laufe des
19. Jahrhunderts ausgebaut wurde. Im Jahre
1934 wurde sie schließlich aufgelöst und an die
Braunschweigische Siedlungsgesellschaft ver-
kauft. Erhalten haben sich nur die Hauptgebäu-
de der ehemaligen Abtei an der Stiftsfreiheit und
an der Tummelburg sowie die Abteischeune.
Einschneidende Veränderungen bewirkte die
Schleifung der Stadtbefestigung im 18. Jahrhun-
dert, nachdem der äußere Befestigungsring sei-
ne wehrhafte Bedeutung eingebüßt hatte. Man
begann mit dem Abriss der Tore und der Stadt-
mauern; auch die Wälle wurden zum größten Teil
eingeebnet und die Gräben aufgefüllt. Der von
Christian Wilhelm Koven vermessene historische
Lageplan von 1753 veranschaulicht noch die
Geschlossenheit und Wehrhaftigkeit der Stadt,
die zu jener Zeit 328 Bürgerhäuser und knapp
1700 Einwohner zählte. Auch nach Schleifung
der Befestigungsanlagen und Niederlegung
der Wälle verblieb die Bebauung noch lange
innerhalb des ummauerten Bereiches. Die An-
bindung der Stadt an die Braunschweigische
Südbahn bewirkte keine nennenswerten Ansied-
lungen jenseits der ehemaligen Befestigung.
Wie die Preußische Landesaufnahme von 1910
zeigt, dehnte sich die Stadt entlang der alten
städtischen Hauptdurchgangsstraßen aus: der
Hildesheimer Straße im Nordosten, der Bism-
arckstraße im Südosten, der Verlängerung des
Steinwegs, der K 641, im Westen sowie nach
Süden der Erweiterung der Moritzstraße, einher-
gehend mit der Anbindung des Bahnhofes und
der Anlage der Neuen Straße. Es erfolgte die
räumliche Erweiterung nach Nordosten mit dem
Bau des 1878 eröffneten Herzog-Ludolf-Bades,
das fortan für die wirtschaftliche Entwicklung der
Stadt von großer Bedeutung war.
Folgt man dem Verlauf des Steinwegs weiter
stadtauswärts, so erreicht man nach Überque-
rung der Gande nach wenigen Metern die Kir-
che St. Georg, die eigentliche Pfarrkirche des
mittelalterlichen Gandersheim, deren Kern bis in
die Zeit des 12. Jahrhunderts zurückreicht.
BAD GANDERSHEIM/ACKENHAUSEN
Die Feldmark des erstmals 1007 als „Akkanhu-
si“ urkundlich erwähnten Dorfes Ackenhausen
wird nach Osten durch den langgestreckten
und bewaldeten Höhenzug des Hebers abge-
schlossen. Die Ortsstruktur des Haufendorfes
hat sich seit der Braunschweiger Landesauf-
nahme von 1796 kaum verändert.
An die Kapelle grenzt der stattliche Schriftsas-
senhof, dessen Herrenhaus seit jeher zur Wir-
kung des Ortsbildes beiträgt. Des Weiteren sind
im historischen Lageplan drei Ackerhöfe, drei
Drittelspänner, ein Großköter, acht Kleinköter (mit
Wassermühle) und zwei Halbköter verzeichnet.
Das eigentliche Herzstück Ackenhausens ist
die unweit vom Gutshaus gelegene Kapelle,
ein kleiner, rechteckiger, verputzter Bruch-
steinbau, dessen Anfänge bis in das Jahr
1703 zurück reichen.
Aus dem frühen 19. Jahrhundert stammt das
Wohnwirtschaftsgebäude des ehemaligen
Großkötnerhofes, Unterm Baumhof 3, aus
dem Jahre 1821. Hervorzuheben ist auch die
Hofanlage, An der Wanne 9, ein überwiegend
in Fachwerk errichteter Dreiseithof, dessen
Wohnwirtschaftsgebäude erst 1904 entstand.
BAD GANDERSHEIM/ALTGANDERSHEIM
Der in den Schriftquellen erstmals um 1007
als „Aldangandesheim“ genannte Ort liegt
nur wenige Kilometer nördlich von Bad Gan-
dersheim, nahe der nach Hildesheim führen-
den Frankfurter Heerstraße. Der haufendorf-
artige Siedlungsplatz mit sechs Ackerhöfen,
fünf Halbspännern, zwei Viertelspännern,
16 Großkötern, neun Kleinkötern und sechs
Brinksitzern gruppiert sich um die Kirche
St. Johannis. Das Langhaus der heutigen
Kirche entstand 1816 (i) als Ersatzneubau in
Form eines flach gedeckten Saalbaus. Der
im Kern wohl mittelalterliche Turm an der
Südwestecke blieb vom Vorgängerbau er-
halten.
Ortsbildwirksam sind auch die beiden Fach-
werkscheunen, Rück 17 und Kampstraße 1,
die eine Torsituation ausbilden. Die 1878 (i) da-
tierte Querdurchfahrtscheune, Rück 17, ist Teil
des ehemaligen Großkötnerhofes (Ass. Nr. 43).
Wenige Jahre zuvor entstand die gleichartig
aufgebaute Scheune von 1865 (i) der einstigen
Großkötnerhofstelle (Ass. Nr. 40), Kampstraße 1.
Ortskarten: Bad Gandersheim, Ortsteile Bad Gandersheim M 1:4500, Ackenhausen 1:7500, Altgandersheim 1:8000, Auszüge aus der Deutschen Grundkarte Maßstab
1:5000, Geobasisdaten der Niedersächsischen Vermessungs- und Katasterverwaltung, LGLN 2005, Aschenberner 2009/letztmalig aktualisiert 2016.
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Am Nordostrand des Northeimer Kreisgebietes
liegt an der Gande, einem Nebenfluss der Leine,
die Kleinstadt Bad Gandersheim, ein bekannter,
geschichtsträchtiger Kloster- und Festspielort.
Mittelpunkt, Wahrzeichen und Keimzelle der
Stadt ist die eindrucksvolle ehemalige Kanonis-
sen-Stiftskirche St, Anastasius und Innocentius
(Ev. Münsterkirche), die durch ihre exponierte
Lage und bauliche Ausprägung maßgeblichen
Einfluss auf die Stadtstruktur hat. Besondere
Bedeutung kommt der monumental wirken-
den, doppeltürmigen Westfront zu, die weithin
sichtbar einen eindrucksvollen Akzent im Land-
schaftsbild setzt. Eng verbunden ist das Stift mit
der Kanonissin Hroswitha von Gandersheim, die
von 935 bis 973 im Stift lebte und dort ihre be-
deutendsten Werke verfasste.
Grundlegend für die Wahl des Siedlungsplatzes
war offenbar die Nähe der am Gandeübergang
sich kreuzenden Fernhandelswege, an deren
Schnittstelle sich ein Handelsplatz reisender
Kaufleute entwickelte. Die eigentliche Keim-
zelle der Stadt bildete das befestigte Stift mit
der Stiftskirche und der Abtei, die sich mit der
Domäne und dem angrenzenden Fronhof zu ei-
nem geschlossenen, mehrgliedrigen Bezirk ent-
wickelte, der noch heute deutlich im Stadtgrund-
riss ablesbar ist. Südlich des Stifts mit seinem
vorgelagerten Kirchhof lag die Stiftsfreiheit, an
der die Stiftskurie und die Höfe der in der Stadt
ansässigen Stiftsvasallen lagen. In der Folge-
zeit konnte das Stift nicht verhindern, dass die
Herzöge von Braunschweig die Oberherrschaft
gewannen und als sichtbares Zeichen ihrer Stel-
lung nördlich des Stiftsbezirks eine Burganlage
errichteten, die erstmals 1447 als „Slot“ bezeich-
net wurde und die 1530 unter Heinrich dem
Jüngeren tiefgreifend umgebaut wurde. An die
Stiftsburg schloss westlich die Marktsiedlung an,
die, historisch gewachsen, sich in Gestalt und
Lage dem Stiftsbezirk unterordnete. Nach fast
1000 Jahren gab im Zuge der Säkularisation das
Stift 1802/03 seine Reichsunmittelbarkeit auf und
wurde als Landesstift dem Herzogtum Braun-
schweig unterstellt; aus dem Stiftsbezirk wurde
eine herzogliche Domäne, die im Laufe des
19. Jahrhunderts ausgebaut wurde. Im Jahre
1934 wurde sie schließlich aufgelöst und an die
Braunschweigische Siedlungsgesellschaft ver-
kauft. Erhalten haben sich nur die Hauptgebäu-
de der ehemaligen Abtei an der Stiftsfreiheit und
an der Tummelburg sowie die Abteischeune.
Einschneidende Veränderungen bewirkte die
Schleifung der Stadtbefestigung im 18. Jahrhun-
dert, nachdem der äußere Befestigungsring sei-
ne wehrhafte Bedeutung eingebüßt hatte. Man
begann mit dem Abriss der Tore und der Stadt-
mauern; auch die Wälle wurden zum größten Teil
eingeebnet und die Gräben aufgefüllt. Der von
Christian Wilhelm Koven vermessene historische
Lageplan von 1753 veranschaulicht noch die
Geschlossenheit und Wehrhaftigkeit der Stadt,
die zu jener Zeit 328 Bürgerhäuser und knapp
1700 Einwohner zählte. Auch nach Schleifung
der Befestigungsanlagen und Niederlegung
der Wälle verblieb die Bebauung noch lange
innerhalb des ummauerten Bereiches. Die An-
bindung der Stadt an die Braunschweigische
Südbahn bewirkte keine nennenswerten Ansied-
lungen jenseits der ehemaligen Befestigung.
Wie die Preußische Landesaufnahme von 1910
zeigt, dehnte sich die Stadt entlang der alten
städtischen Hauptdurchgangsstraßen aus: der
Hildesheimer Straße im Nordosten, der Bism-
arckstraße im Südosten, der Verlängerung des
Steinwegs, der K 641, im Westen sowie nach
Süden der Erweiterung der Moritzstraße, einher-
gehend mit der Anbindung des Bahnhofes und
der Anlage der Neuen Straße. Es erfolgte die
räumliche Erweiterung nach Nordosten mit dem
Bau des 1878 eröffneten Herzog-Ludolf-Bades,
das fortan für die wirtschaftliche Entwicklung der
Stadt von großer Bedeutung war.
Folgt man dem Verlauf des Steinwegs weiter
stadtauswärts, so erreicht man nach Überque-
rung der Gande nach wenigen Metern die Kir-
che St. Georg, die eigentliche Pfarrkirche des
mittelalterlichen Gandersheim, deren Kern bis in
die Zeit des 12. Jahrhunderts zurückreicht.
BAD GANDERSHEIM/ACKENHAUSEN
Die Feldmark des erstmals 1007 als „Akkanhu-
si“ urkundlich erwähnten Dorfes Ackenhausen
wird nach Osten durch den langgestreckten
und bewaldeten Höhenzug des Hebers abge-
schlossen. Die Ortsstruktur des Haufendorfes
hat sich seit der Braunschweiger Landesauf-
nahme von 1796 kaum verändert.
An die Kapelle grenzt der stattliche Schriftsas-
senhof, dessen Herrenhaus seit jeher zur Wir-
kung des Ortsbildes beiträgt. Des Weiteren sind
im historischen Lageplan drei Ackerhöfe, drei
Drittelspänner, ein Großköter, acht Kleinköter (mit
Wassermühle) und zwei Halbköter verzeichnet.
Das eigentliche Herzstück Ackenhausens ist
die unweit vom Gutshaus gelegene Kapelle,
ein kleiner, rechteckiger, verputzter Bruch-
steinbau, dessen Anfänge bis in das Jahr
1703 zurück reichen.
Aus dem frühen 19. Jahrhundert stammt das
Wohnwirtschaftsgebäude des ehemaligen
Großkötnerhofes, Unterm Baumhof 3, aus
dem Jahre 1821. Hervorzuheben ist auch die
Hofanlage, An der Wanne 9, ein überwiegend
in Fachwerk errichteter Dreiseithof, dessen
Wohnwirtschaftsgebäude erst 1904 entstand.
BAD GANDERSHEIM/ALTGANDERSHEIM
Der in den Schriftquellen erstmals um 1007
als „Aldangandesheim“ genannte Ort liegt
nur wenige Kilometer nördlich von Bad Gan-
dersheim, nahe der nach Hildesheim führen-
den Frankfurter Heerstraße. Der haufendorf-
artige Siedlungsplatz mit sechs Ackerhöfen,
fünf Halbspännern, zwei Viertelspännern,
16 Großkötern, neun Kleinkötern und sechs
Brinksitzern gruppiert sich um die Kirche
St. Johannis. Das Langhaus der heutigen
Kirche entstand 1816 (i) als Ersatzneubau in
Form eines flach gedeckten Saalbaus. Der
im Kern wohl mittelalterliche Turm an der
Südwestecke blieb vom Vorgängerbau er-
halten.
Ortsbildwirksam sind auch die beiden Fach-
werkscheunen, Rück 17 und Kampstraße 1,
die eine Torsituation ausbilden. Die 1878 (i) da-
tierte Querdurchfahrtscheune, Rück 17, ist Teil
des ehemaligen Großkötnerhofes (Ass. Nr. 43).
Wenige Jahre zuvor entstand die gleichartig
aufgebaute Scheune von 1865 (i) der einstigen
Großkötnerhofstelle (Ass. Nr. 40), Kampstraße 1.
Ortskarten: Bad Gandersheim, Ortsteile Bad Gandersheim M 1:4500, Ackenhausen 1:7500, Altgandersheim 1:8000, Auszüge aus der Deutschen Grundkarte Maßstab
1:5000, Geobasisdaten der Niedersächsischen Vermessungs- und Katasterverwaltung, LGLN 2005, Aschenberner 2009/letztmalig aktualisiert 2016.
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