11
D er verschriebene
kein Irrt hum, sondern geschieht Alles auf ausdrücklichen Aller-
höchsten Befehl Ihre Königlichen Hoheit."
„Kennen Sie denn die Absicht der Frau Herzogin?"
„ S'ist! S'ist! um Gottes und aller Heiligen willen! S'ist!
; Verehrtester. Intimste Allerhöchste Familien-Angelegenheit, die
noch Geheimniß bleiben soll. Ich weiß aber darum, ich ! Alles
weiß ich; Sie haben Briefe erhalten von Jhro Königlichen
Hoheit..."
„Ja! allerdings!" erwiderte der Abt Henke, „Ihre Königl.
Hoheit hat die Gnade gehabt, mir zu schreiben. Also in der
Angelegenheit..."
„Ja in der Angelegenheit," erwiderte der Thorschreiber
dringend, „in derselben Angelegenheit ist's."
Dem Abt Henke, dem freien, offenen Manne der Wissenschaft
war dieses Heimlichthun zwar in seiner innersten Natur zuwider;
indessen er glaubte nun den Grund davon errathen zu haben.
Tie Frau Herzogin hatte ihn wenige Wochen vorher brieftich,
aber auch unter dem Siegel der Verschiegenheit um seinen
vertrauten Nath bei der Wahl eines tüchtigen Religicnslehrers
und Erziehers für die Prinzen und Prinzessinen gebeten; er
wußte, daß die Herzogin, die selbst eine aufgeklärte Dame war,
einen aufgeklärten Theologen von der Richtung, die der Abt
l Henke als Theolog so glücklich eingeschlagen hatte, für ihre
' Kinder wünschte, während die Großmutter der Prinzen einen
frommen, altkirchlichen Candidaten dazu ersehen hatte. „Ganz
gewiß will die Frau Herzogin mit mirpersönlich darüber sprechen,"
dachte er bei sich, „ nur begreife ich nicht, wozu das Heimliche,
Geheimnißvolle dabei. Indessen sie muß ihre Gründe dazu haben,
obgleich ich sie nicht errathen kann. Ich bin bereit, Ihnen zu
folgen, mein Herr!" sprach er dann zu dem Thorschreiber,
„haben Sie nur einen Augenblick Geduld." Dann trat er
wieder an den Wagen zu seinen neugierig harrenden Kollegen
und sagte: „Ich nmß mich auf kurze Zeit von Euch trennen,
meine Freunde, was ich zwar bedaure, doch der Befehl einer
hoben Dame, die ich noch nicht nennen darf..."
„Mann Gottes!" unterbrach ihn Lichtenstein, „du gehst
doch nicht auf Abwege ? Ich erzähl's der Magnifica haarklein,
wenn ich heimkomme, darauf kannst du schwören, obgleich du
dieses Laster nicht an dir hast."
„Dazu geb' ich dir volle Erlaubniß, mein Lieber," ant-
wortete der gutmüthige Mann, „nur darfst du die strenge Linie
der Wahrheit dabei nicht verlassen. Gebt mir doch mein Koffer-
chen und meinem Regenschirm herab."
Eben war der geschäftige Thorschreiber wieder an seiner Seite
erschienen, bemächtigte sich des Koffers und des Regenschirms,
und sagte, indem er seinen Pflegbefohlenen nach dem Thorhause
zusührte: „Erlauben Sie, Verehrtester, daß ich Ihnen das
Instrument und den Notenkasten selbst trage," welche Worte der
gutmüthige Abt für einen faden Thorschreiberwitz hielt und mit-
leidig dazu lächelte. Der Weg ging dann direkt nach dem
grauen Hofe, dem herzoglichen Residenzschlosse, das zwar nicht
so splendid eingerichtet war als das jetzige, dafür aber auch
nicht an Brandstiftung und dergleichen erinnerte. Durch eine
Kammermusikus.
Hinterpsorte erreichten sie das Innere des Schloffes und waren
bald in den Wohnzimmern des vertrauten Kammerdieners der
Herzogin. Der Thorschreiber zwinkerte dem Kammerdiener trium-
phirend mit den Augen zu, indem er sagte: „Hier, mein ver-
ehrtester Gönner und Patron, bringe ich Ihnen den bewußten,
berühmten Mann und bitte Sie, mich Jhro Königlichen Hoheit >
in tiefstem Respect allerunterthänigst gehorsamst zu empfehlen
und meine geringsten allerunterthänigsten! Dienste bei sich fügender
Gelegenheit bei Jhro Königl. Hoheit, unserer erhabenen Landes-
mutter gewogentlichst in Erinnerung zu bringen."
Der !i ammerdiener Boffe, zu der Clasft von Menschen ge-
hörend, die geschmeidig wie ein Ohrwurm gegen ihre Herrschaft,
aber brutal wie ein Lindwurm gegen alle übrigen Ebenbilder
Gottes zu sein pflegen, empfing dieses Mal den vermeinten
Musikus mit gebührender Reverenz, führte ihn sofort in das
bereit gehaltene, in dem entlegendsten Tbeile des Schloffes befind-
liche Gemach und entfernte sich dann wieder, um Ihrer König-
lichen Hoheit Meldung zu machen. Bald kam er zurück, besetzte
den Tisch mit allerhand ausgesuchten, kalten Speisen und einigen
Flaschen Wein die er selbst in einem Korbe herbeigebracht hatte
und sprach dem christlichen Professor den Dank seiner hohen
Herrin in wohlgesetzter Rede aus, daß er ihrem Wunsche so
bereitwillig genügt habe und daß sie sich darauf freue, ihm nach
dem Hofconcerte diesen Dank selbst auszusprechen u. s. w. und
dann entfernte er sich.
Alles, was sich seit dem Augenblicke, wo der Abt Henke auf i
die dringende Veranlaffung des Thorschreibers die alte Gelbe
und seine Collegen verlaffen, mit ihm zugetragen, war so rasch
vor sich gegangen, daß unserm Profeffor der Kirchengeschichte
erst nachdem der Kammerdiener das Zimmer längst verlaffen
hatte, Manches einfiel, wonach er sich hätte erkundigen müffen
und was ihm zu wissen durchaus nolhwendig war. Namentlich
hatte er sich nicht nach der Stunde erkundigt, in welcher die
Behörden zu der seierlichen Gratulations-Cour befohlen wären.
Rasch wollte er nun sogleich hinter dem Kammerdiener her, lief
nach der Thüre, faßte auf den Drücker, — aber fand zu seinem
größten Befremden die Thür von außen verschlossen. Er unter-
suchte zwei andere im Zimmer befindliche Thüren; auch sie waren
verschloffen. „Was soll das bedeuten?" dachteer bei sich. „Fürchtet
man denn meine Entweichung?" Ersucht nach einem Klingelzuge
um zu schellen; es ist keiner vorhanden. Er eilt ans Fenster;
es führt nach dem Garten hinaus, wo alles still und menschen-
leer, selbst keine Schildwache zu sehen ist, die er hätte anrufen
können. „Ein herzogliches Schloß! eine deutsche Fürstenwohnung!
und nicht einmal eine Schildwache zu sehen!" wird vielleicht der
geneigte Leser denken. Ja! lieber Leser, so war es damals. Jetzt
wird cs freilich wohl anders aussehen.
Nachdem sich der Abt Henke überzeugt hatte, daß auf eine
Hülfe von außen nicht zu rechnen war, ergab er sich in sein
Schicksal und dachte: „Ich will mich nicht unnöthig ängstigen.
Man wird mich schon rufen, wenn es Zeit zur Cour ist. Mitt-
lerweile will ich Toilette machen." Er trat nun eine Entdeckungs-
reise im Zimmer selbst an, und war so glücklich, einen Waschtisch
D er verschriebene
kein Irrt hum, sondern geschieht Alles auf ausdrücklichen Aller-
höchsten Befehl Ihre Königlichen Hoheit."
„Kennen Sie denn die Absicht der Frau Herzogin?"
„ S'ist! S'ist! um Gottes und aller Heiligen willen! S'ist!
; Verehrtester. Intimste Allerhöchste Familien-Angelegenheit, die
noch Geheimniß bleiben soll. Ich weiß aber darum, ich ! Alles
weiß ich; Sie haben Briefe erhalten von Jhro Königlichen
Hoheit..."
„Ja! allerdings!" erwiderte der Abt Henke, „Ihre Königl.
Hoheit hat die Gnade gehabt, mir zu schreiben. Also in der
Angelegenheit..."
„Ja in der Angelegenheit," erwiderte der Thorschreiber
dringend, „in derselben Angelegenheit ist's."
Dem Abt Henke, dem freien, offenen Manne der Wissenschaft
war dieses Heimlichthun zwar in seiner innersten Natur zuwider;
indessen er glaubte nun den Grund davon errathen zu haben.
Tie Frau Herzogin hatte ihn wenige Wochen vorher brieftich,
aber auch unter dem Siegel der Verschiegenheit um seinen
vertrauten Nath bei der Wahl eines tüchtigen Religicnslehrers
und Erziehers für die Prinzen und Prinzessinen gebeten; er
wußte, daß die Herzogin, die selbst eine aufgeklärte Dame war,
einen aufgeklärten Theologen von der Richtung, die der Abt
l Henke als Theolog so glücklich eingeschlagen hatte, für ihre
' Kinder wünschte, während die Großmutter der Prinzen einen
frommen, altkirchlichen Candidaten dazu ersehen hatte. „Ganz
gewiß will die Frau Herzogin mit mirpersönlich darüber sprechen,"
dachte er bei sich, „ nur begreife ich nicht, wozu das Heimliche,
Geheimnißvolle dabei. Indessen sie muß ihre Gründe dazu haben,
obgleich ich sie nicht errathen kann. Ich bin bereit, Ihnen zu
folgen, mein Herr!" sprach er dann zu dem Thorschreiber,
„haben Sie nur einen Augenblick Geduld." Dann trat er
wieder an den Wagen zu seinen neugierig harrenden Kollegen
und sagte: „Ich nmß mich auf kurze Zeit von Euch trennen,
meine Freunde, was ich zwar bedaure, doch der Befehl einer
hoben Dame, die ich noch nicht nennen darf..."
„Mann Gottes!" unterbrach ihn Lichtenstein, „du gehst
doch nicht auf Abwege ? Ich erzähl's der Magnifica haarklein,
wenn ich heimkomme, darauf kannst du schwören, obgleich du
dieses Laster nicht an dir hast."
„Dazu geb' ich dir volle Erlaubniß, mein Lieber," ant-
wortete der gutmüthige Mann, „nur darfst du die strenge Linie
der Wahrheit dabei nicht verlassen. Gebt mir doch mein Koffer-
chen und meinem Regenschirm herab."
Eben war der geschäftige Thorschreiber wieder an seiner Seite
erschienen, bemächtigte sich des Koffers und des Regenschirms,
und sagte, indem er seinen Pflegbefohlenen nach dem Thorhause
zusührte: „Erlauben Sie, Verehrtester, daß ich Ihnen das
Instrument und den Notenkasten selbst trage," welche Worte der
gutmüthige Abt für einen faden Thorschreiberwitz hielt und mit-
leidig dazu lächelte. Der Weg ging dann direkt nach dem
grauen Hofe, dem herzoglichen Residenzschlosse, das zwar nicht
so splendid eingerichtet war als das jetzige, dafür aber auch
nicht an Brandstiftung und dergleichen erinnerte. Durch eine
Kammermusikus.
Hinterpsorte erreichten sie das Innere des Schloffes und waren
bald in den Wohnzimmern des vertrauten Kammerdieners der
Herzogin. Der Thorschreiber zwinkerte dem Kammerdiener trium-
phirend mit den Augen zu, indem er sagte: „Hier, mein ver-
ehrtester Gönner und Patron, bringe ich Ihnen den bewußten,
berühmten Mann und bitte Sie, mich Jhro Königlichen Hoheit >
in tiefstem Respect allerunterthänigst gehorsamst zu empfehlen
und meine geringsten allerunterthänigsten! Dienste bei sich fügender
Gelegenheit bei Jhro Königl. Hoheit, unserer erhabenen Landes-
mutter gewogentlichst in Erinnerung zu bringen."
Der !i ammerdiener Boffe, zu der Clasft von Menschen ge-
hörend, die geschmeidig wie ein Ohrwurm gegen ihre Herrschaft,
aber brutal wie ein Lindwurm gegen alle übrigen Ebenbilder
Gottes zu sein pflegen, empfing dieses Mal den vermeinten
Musikus mit gebührender Reverenz, führte ihn sofort in das
bereit gehaltene, in dem entlegendsten Tbeile des Schloffes befind-
liche Gemach und entfernte sich dann wieder, um Ihrer König-
lichen Hoheit Meldung zu machen. Bald kam er zurück, besetzte
den Tisch mit allerhand ausgesuchten, kalten Speisen und einigen
Flaschen Wein die er selbst in einem Korbe herbeigebracht hatte
und sprach dem christlichen Professor den Dank seiner hohen
Herrin in wohlgesetzter Rede aus, daß er ihrem Wunsche so
bereitwillig genügt habe und daß sie sich darauf freue, ihm nach
dem Hofconcerte diesen Dank selbst auszusprechen u. s. w. und
dann entfernte er sich.
Alles, was sich seit dem Augenblicke, wo der Abt Henke auf i
die dringende Veranlaffung des Thorschreibers die alte Gelbe
und seine Collegen verlaffen, mit ihm zugetragen, war so rasch
vor sich gegangen, daß unserm Profeffor der Kirchengeschichte
erst nachdem der Kammerdiener das Zimmer längst verlaffen
hatte, Manches einfiel, wonach er sich hätte erkundigen müffen
und was ihm zu wissen durchaus nolhwendig war. Namentlich
hatte er sich nicht nach der Stunde erkundigt, in welcher die
Behörden zu der seierlichen Gratulations-Cour befohlen wären.
Rasch wollte er nun sogleich hinter dem Kammerdiener her, lief
nach der Thüre, faßte auf den Drücker, — aber fand zu seinem
größten Befremden die Thür von außen verschlossen. Er unter-
suchte zwei andere im Zimmer befindliche Thüren; auch sie waren
verschloffen. „Was soll das bedeuten?" dachteer bei sich. „Fürchtet
man denn meine Entweichung?" Ersucht nach einem Klingelzuge
um zu schellen; es ist keiner vorhanden. Er eilt ans Fenster;
es führt nach dem Garten hinaus, wo alles still und menschen-
leer, selbst keine Schildwache zu sehen ist, die er hätte anrufen
können. „Ein herzogliches Schloß! eine deutsche Fürstenwohnung!
und nicht einmal eine Schildwache zu sehen!" wird vielleicht der
geneigte Leser denken. Ja! lieber Leser, so war es damals. Jetzt
wird cs freilich wohl anders aussehen.
Nachdem sich der Abt Henke überzeugt hatte, daß auf eine
Hülfe von außen nicht zu rechnen war, ergab er sich in sein
Schicksal und dachte: „Ich will mich nicht unnöthig ängstigen.
Man wird mich schon rufen, wenn es Zeit zur Cour ist. Mitt-
lerweile will ich Toilette machen." Er trat nun eine Entdeckungs-
reise im Zimmer selbst an, und war so glücklich, einen Waschtisch