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Der verschriebene

er über die höheren und niederen Kräfte der Natur, wie man
allgemein ihm nachrühmt, gebietet und sich selbst die unsichtbaren
Geister zn willfährigen Werkzeugen zu machen versteht."

Der Hofrath Beireis richtete bei diesen Worten seines geist-
vollen Landesherrn das Blaffe Gesicht empor, und seine Augen
blitzten wie von einem wunderbaren electrischen Funken durchftrömt.
Es schien, als ob er die unbehagliche Stimmung, in der er bis-
her die indirekten Angriffe auf sich ertragen hatte, abgeschüttelt
habe, als er sich plötzlich so gleichsam zum Mittelpunkt der
zahlreichen und vornehmen Gesellschaft hingestellt sah. Doch
schwieg er noch, obgleich seine Lippen zuckten, als erwarte er
ungeduldig weitere Vorschläge oder als sinne er über irgend
einen Teusclsspuk nach, den er zum Besten geben wollte.

„Ich kenne meinen langjährigen Freund Beireis zu gut,"
nahm nun der joviale Abt Lichtenstein das Wort, der die
Bolzen verschoß, die der Herzog gedreht hatte, „als daß ich im
geringsten sowohl an seiner Fähigkeit als an seinem Willen,
dem Befehle seines und unsers durchlauchtigsten Landesherrn und
der Bitte der hochgeehrten Gesellschaft auf das glänzendste zu
entsprechen zweifeln sollte. Ich wollte mir daher mit allergnä-
digstcr Erlaubniß Ew. Durchlaucht den Vorschlag erlauben, daß
da er bei einer anderen Gelegenheit dem Herrn Bischof von
Hildcsheim den köstlichsten Becher Weins in Essig verwandelt hat,
er jetzt umgekehrt statt des duftenden Muskatweins, womit Ew.
Durchlaucht uns eben zu erfreuen die gnädige Absicht haben,
einen Becher echten, unverfälschten Bieressigs erhalte und den-
selben vor unfern leiblichen Augen in Muskatwein verwandle,
oder, wenn er unfern Erwartungen nicht entsprechen sollte, den
Becher Essig zur Strafe ausleere."

„Obgleich heute schon diverse Male mit Ew. Durchlaucht
allergnädigster Erlaubniß es zu bekennen, ausgeleert habe,"
begann auf diesen verfänglichen Vorschlag Beireis mit einem
Ausdruck der Siegesgewißheit und höhnischen Lächelns zu ant-
worten, „so erwarte ich doch nur Ew. Durchlaucht allergnädig-
sten Befehl, den Vorschlag meines sehr jovialen Freundes, des
sehr hochwürdigen, Spinnen srestenden Abts, auszuführen."

„Wohlan, es sei!" rief der Herzog, der kaum daran gedacht
hatte, daß seinem Vorschläge ernstliche Folge gegeben würde
und der es eigentlich nur darauf abgesehen hatte, den vermeinten
Charlatan in Gegenwart so vieler Coryphäen der Wisienschaft
in Verlegenheit zu setzen. Schnell ward auf seinen Wink den
Gästen ein Becher perlenden Muskats, dem Hofrath Bcireis
aber ein Becher Essig vorgesetzt.

Beireis sah ohne Verlegenheit den Kreis der Neugierigen
um sich her sich verdichten. Aller Augen waren auf ihn gerichtet.

Er prüfte den Essig mit einem Löffel, nahm dann den Becher
und bedeckte ihn mit einem Zipfel des Tischtuchs. Seine Hände
verriethen dabei ein nerveuses Zucken; seine blassen Wangen
röthcten sich und seine Augen blitzten von unnatürlichem Feuer.
Mehrere Male schien es, als ob er sprechen wolle; aber eben
so oft schienen ihm die Lippen den Dienst zu versagen. Endlich
begann er einen kurzen Vortrag anfangs mit anscheinender Be-
fangenheit, die sich aber bald verlor. Er erhob sich und sprach
über die in der Natur wirksamen Kräfte. „Die unsichtbaren

Kammermusikus. 19

Kräfte, die das allmächtige, unergründliche Wesen, das wir
Gott nennen, das aber Urgeist heißen müßte, noch heut zu
Tage in der sichtbaren Welt wirksam sein läßt, sind ihrer Natur
nach dieselben, die seit Anbeginn der Welt, das heißt also von
Ewigkeit her, wirksam gewesen sind. Dieselbe Kraft, die nach
dem Berichte der geossenbarten evangelischen Geschichte fähig war,
Wasser in Wein zu verwandeln, warum sollte sie nicht noch
heute fähig sein, Essig in Wein zu wandeln? Aber nicht Jedem
vom Weibe Gebornen sind diese Kräfte bekannt, verwandt und
unterihan. Es bedarf schlafloser Nächte und harmvoller, mühe-
belasteter Tage, sie zu erkennen in ihrer allscitigen Wirksamkeit
und sie sich unterthan zu machen. Ein enthaltsames, ascetisches
Leben muß von Jugend auf sein Begleiter sein; man muß eine
strotzende Gesundheit haben und doch Feind alles materiellen
Lebensgenusses sein. Wer diesen liebt, wie mein hochwürdiger
Freund zur Rechten, der behagliche Abt, der wird Mühe haben,
den eignen, winzigen Geist in der umfassenden Hülle des Leibes
in Unterthänigkeit zu erhalten, geschweige über andere, feinsinn-
lichere Geister zu gebieten." Ein lautes Gelächter der Anwesen-
den, in welches der joviale Abt von Herzen mit einstimmte,
indem er sich die breiten Wangen seines feisten Gesichts behag-
lich strich, unterbrach hier den Redenden, der dann nach einer
Weile fortfuhr: „Aber das Alles reicht noch nicht aus; man
muß auch ein Auserwählter des Urgeistes, man muß dazu prä-
destinirt sein. Der Urgeist will die Perlen nicht vor die Säue
werfen, sondern unter vielen Hunderttausenden nur einen aus-
rüsten, und ihm die Augen lüften, das zu schauen, was sonst
verborgen sein soll bis an das Ende der Tage. Wenn ich nun
dreist behauptete, ein solcher Auserwählter zu sein, so würden
Ew. herzogliche Durchlaucht darin nur das demüthige Bekennt-
niß meiner eigenen Schwäche, meines eignen Unwerlhs finden
können, nicht aber das Frohlocken des Selbstbewußseins. Denn
nicht meinem Eifer, nicht meinen rastlosen, Tag und Nacht fort-
gesetzten Arbeiten, nicht meinen mühevollen Studien, nicht meinem
enthaltsamen, den Freuden der Welt entsagenden Leben, das
Alles theilen ja Viele mit mir, dankte ich diesen Blick in das
geheimnißvolle Walten der Naturkräfte, sondern der Gabe, der
unverdienten Bestimmung durch den Urgeist, der mich oft wider
meinen Willen und auf Kosten meines gebrechlichen Körpers,"
hier entblößte er den dürren, fleischlosen aber muskelstarkeu Arm,
„und unter dem ängstlichen Sträuben der Creatur zwingt, mich
ihm hinzugeben und in treuem Gehorsam unter seinen allmäch-
tigen Willen zugleich die Herrschaft zu theilen über die tausend
Millionen Kräfte, die er verschwenderisch, aber dem Auge des
gewöhnlichen Menschen verborgen walten läßt in dem Reiche
der Natur und die trotz ihrer unendlichen Mannigfaltigkeit doch
nur eine und dieselbe Kraft sind." Er holte bei diesen Worten
aus einer silbernen Kapsel eine feine Drahtspitze von unbekann-
tem Metall hervor, die vorne einen schimmernden Diamant an
der Spitze hatte, der ein wunderbares Licht verbreitete, schlug
damit dreimal gegen den Becher, daß es klang wie ein helles
Glöckchen von der Höhe eines Berges, erhob ihn dann und sagte
zu dem ihm zur Rechten sitzenden Abt: „Nun treuester meiner
Freunde! trinke mit mir auf das Verderben meiner Neider!"
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