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Ein reicher Mann.

„Herr! keine Beleidigung in meinen vier Pfählen," fuhr
Sippinar heftig auf. „Ich verbitte mir das."

„Und ich verbitte mir, sich je wieder an mich zu wenden.
Adieu." Mit diesen Worten ging der Advokat zur Thnre hinaus,
während Sippmar über diese erduldete Demüthigung wüthend,
einer geraumen Zeit bedurfte, um mit anscheinend ruhiger Stimm-
ung ins Gesellschaftszimmer zu treten.

Hier fand er Mutter und Tochter in der rosigsten Laune
von dem jüngern Theile der Männer umgeben, während die drei
ältlicheren Herren, wie es schien, in ein Gespräch vertieft, ihm
vertraulich zunickten.

Tie Tochter, sichtbar aufgeregt durch den Champagner, von
welchem eben die letzte Flasche entkorkt war, während ein nur
noch kleiner Rest der aufgetragenen kalten Speisen bewies, daß
das Frühstück ziemlich beendigt sei, eilte dein Vater entgegen,
küßte ihn schmeichelnd und rief:

„Väterchen! wir haben auf deinen Credit holen lassen, aber
siehe, es will zur Neige gehen, und die Mutter als sorgsame
Wirthin findet es nöthig, daß dein alter Chiapone noch eine
zweite Lieferung sendet."

„Rosalia! nicht so voreilig!" warnte die Mutter mit ver-
stelltem Ernste.

„Nun," entgegnete diese, Sippmar der Gesellschaft näher
führend, „gibst du mir nicht Recht, Väterchen? Wenn wir auch
bei Tisch einen ehrsamen Rheinwein versuchen, zur Mutter Wie-
genfeste müssen wir ivieder mit Champagner schließen."

„S'istein wildes Mädchen," sprach die Mutter zu den bei-
den Kaufleuten gewendet, während der Offizier seinen Schnurr-
bart strich und lachend ausrief: „Famos! aus Ehre famos!"

„Ja, Rosalchen," entgegnete sich heiter stellend Sippmar.
»Du hast Recht, und überhaupt habe ich heute meinen guten
Tag," setzte er jedoch nicht ohne einen Anflug von bitterer Iro-
nie hinzu.

„Wie so!" riefen mehrere aus der Gesellschaft.

„Nun, ist denn nicht mein Geburtstag," bemerkte scherzend
die Mutter.

„Erstlich dies," sprach Sippniar. „Zweitens habe ich
heute ein brillantes Geschäft gemacht."

„Er hat wohl wieder geerbt," flüsterte der Architect dem
Offizier zu.

„Ein gutes Geschäft, Papa," rief die Tochter. „Nun
heraus damit, worin bestand dies?"

„Ich habe heute schon mehr als zehntansend Thaler ver-
dient," ergänzte Sippmar, und dachte wahrscheinlich dabei an
seine fünfzehnprocentigen Actien und an die Ersparnisse, die er
alle einführen wollte.

Tie drei ältlichen Herren sahen einander bedeutungsvoll
an, die jungen Kaufleute rechneten in Gedanken dem Vermögen
Tippmars nach, der Architect drückte zärtlich Rosaliens Hand,
und der Offizier sprach wie für sich: „Der Kerl hat doch ein
kolossales Glück!"

„ZehntausendThaler," wiederholteRosalie wie triumphi-
rend ihre Liebhaber lächelnd anblickend. „Das läßt sich hören."

„Ja, wenn es nicht noch mehr beträgt," versicherte Sipp-

inar, als wolle er jeden Zweifel an seiner Mittheilung beseiti-
gen. „Darum laßt nur frisch anfahren, wenn Ihr einmal beim
Champagner bleiben wollt, mir auch recht, aber macht bald An-
stalt, daß wir zu Tisch kommen."

Mutter und Tochter verließen nach den letzten Worten Sipp-
mars das Zimmer, um die nöthigen Vorkehrungen zur Mittags-
tafel zu treffen, und nach einigen Minuten folgten Alle dem Rufe
Rosaliens, welche ankündigte, daß die Suppe aufgetragen sei.

Nach aufgehobener Tafel verließen Mutter und Tochter in
Gesellschaft des Offiziers und des Architecten das Zimmer,
während die übrigen mit Sippmar sitzen blieben, und einer der
ältlichen Herren, zum Scherz, wie er dabei benierkte, eine Bank
eröffnete.

Die beiden Kaufleute, welche am Spiele mit Theil genom-
men, entfernten sich nach wenigen Stunden etwas verdrießlicher
als sie gekommen waren, denn ihre Börsen waren leer geworden,
und nach ein Uhr des Nachts öffnete sich die Thüre des Sipp-
mar'schen Hauses, aus welchem die drei ältlichen Herren traten,
welche als die durchtriebensten Spieler Dresdens bekannt waren,
und die sich jetzt unter heimlichem Geflüster mit halb unterdrück-
tem Lachen vermischt, entfernten, während sich Herr Sippmar,
durch Wein und Spiel aufgeregt, auf seinem Lager hin- und her-
warf, und unruhig in Folge der vielen guten Geschäfte, die er
des Tages über gemacht, den Schlaf vergebens suchte; er hatte
als Anfang der einzuführenden Ersparnisse au die drei ältlichen
Herrn zweihundert Thaler im Pharao verloren. —

HI. Aus der Vogelwiese.

Einige Jahre später saßen auf der Dresdner sogenannten
Vogelwiese, welche sich damals dicht am Ziegelschlage befand,
in dem Ursin'schen Bierzelte eineAnzahl jungerLeute in fröhlich
lärmender Jugendlaune um einen Tisch versammelt, an welchem
ein ülrlichcr Mann in einem Anzuge, der ursprünglich nicht für
ihn gemacht worden zu sein schien, Bilder der obscönsten Art
zum Verkauf auSbot. — Diese Dresdner Vogelwiese hatte zwar
im Jahre 1837 schon eine bedeutende Ausbreitung erlangt, aber
bei weitem nicht in dem Maaße, als dies später, wo man als
größeres Terrain für dieses Volksfest den Exercicrplatz der
Communalgarde wählte, der Fall war, auch war von so riesen-
haften Restaurationszelten, welche, wie gegenwärtig, den kleineren
den Erwerb schmälern, noch keine Rede. Es gab damals weder
ein Waldschlößchen-noch ein Feldschlößchenzelt, weder ein Cafföe
Frantzais noch ein Wobsa'sches Culmbacher Zelt, weder einen
Felßmc noch einen Deuch oder Lussert, welchen man die Erfindung
der Boeufsteaks in deren niedlichsten Formen zuschreibt, — und
deren Aufmerksamkeit hinsichtlich der Bedienung ihrer Gäste, das
Phlegma vieler Dresdner Wirthe störte; aber die Zelte der
Bogenschützen, sowie die Gesellschaftszelte trugen damals denselben
stereotypen Charakter der kastenmäßigen Abgeschlossenheit, den sie
jetzt noch tragen, und das wilde Viertel mit seinen Leierkasten
und Affenbuden, mit seinen Seiltänzern, Menagerien und Riesen,
mit seinen anatomischen Cabineten und zweideutigen Zelten, war
damals ebenso wild wie jetzt, und hatte seine Boutiquen, wo vom

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