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Die Arbeiten des langen Hans.

zu ziehen sich abmühten. Ein Kutscher und zwei Bediente fluch-
ten und randalirten, was die Lungen hergeben wollten, und
der in der Kutsche sitzende Herr nahm keinen Anstand, sie
nach Kräften dabei zu unterstützen.

Hans beschleunigte seine Schritte, so gut er konnte, und
als er die halb in den Morast versunkene Kutsche erreicht
hatte, Pflanzte er sich so lang und breit er war, gerade
neben die schnaubenden Pferde hin, stemmte beide Hände auf
seine Knie und fing an wie ein schadenfroher Kobold zu lachen.

Darob war der Herr des Geschirres, dessen ganzes We-
sen den Edelmann von altem Herkommen verrieth, sehr zornig.

„Du unverschämter Schlagetodt," rief er dem Lachenden
zu, „halte dein Maul und brauche lieber deine plumpen
Fäuste, um es den armen Thieren zu erleichtern.

„Hab' ich nicht nöthig," versetzte Hans, immerfort lachend,
„denn so viel ich weiß, habt Ihr mir nichts zu befehlen."

„Kerl, räsonnire nicht oder —"

„Oder was?" fiel Hans ein, ihn groß und höhnisch ansehend.

„Genug," sagte der Edelmann, „hilf uns aus dem
Moraste und du sollst ein gutes Trinkgeld haben."

„Dafür thu' ich's nicht," erwiderte der lange Hans,
„wenn Ihr mich aber in Eure Dienste nehmen wollt als
Knecht, und (dabei zeigte er seine nervigen Fäuste) ich denke,
brauchen werdet Ihr mich können, so will ich versuchen, was
ich thun kann."

„Dazu kann ich mich nicht verstehen," meinte der Edel-
mann; „ich habe Leute genug und brauche Niemand mehr."

„Nun dann geh' ich meiner Wege," versetzte Hans trocken
und ziemlich grob, „meinethalb könnt Ihr bis zuin jüngsten
Tage hier im Drecke sitzen bleiben."

Er würde auch wirklich seinen Vorsatz ausgeführt haben,
hätte der Edelmann nicht gute Worte gegeben und sich auf's
Unterhandeln gelegt.

„Nehmt mich in Eure Dienste und ich helfe Euch," er-
klärte Hans abermals. „Ich will auch billig sein," setzte er
hinzu, „will keinen Lohn verlangen, sondern um's pure Brod
dienen, d. h. ein Bissel Speck oder Fleisch mit eingerechnet."

Der Edelmann wollte zwar auch auf diesen Vorschlag nicht
eingehen, allein, was war zu machen! Griff er nicht zu, so
ging der riesenstarke Mensch auf und davon und er mußte
am Ende mit Pferd und Wagen im Moraste versinken. So
sagte er denn seufzend zu, Hans gab ihm die Hand und
spannte sodann die Pferde aus. Sobald dies besorgt war,
packte er den Wagen erst bei den Hinterrädern und hob sie
aus dem Sumpfe, machte es dann ebenso bei den Vorder-
rädern und trug endlich den ganzen Wagen mitsammt dem
Edelmanne und dessen nicht geringem Gepäck auf trockenes Land.

„Da habt ihr die Karrete," sagte er trocken. „Ihr könnt
jetzt die vier Blässen wieder vorlegen und weiter fahren.
Ich will neben her laufen, um ein Bissel Appetit zu kriegen."

Als der Edelmann mit seinem neuen Knechte auf dem
Hofe ankam, ward gerade ein fertiges Gebäck Brod aus dem
Ofen genommen, das recht angenehm duftete.

„Trag' mal die Brode aus die Vorbühne," sagte der
Herr zu Hans, ärgerlich über dessen müssiges Umherstehen.
„Oben steht eine Bank, da leg' sie drauf."

Das ließ sich der lange Hans nicht zweimal sagen. Er
nahm sämmtliche rädergroße Brode, vierzehn an der Zahl,
aus einmal in Arm und stieg damit die Treppe hinauf. Statt
sie aber an den angegebenen Ort zu tragen, aß er auf jeder
Treppenstufe eins auf, so daß nur noch ein paar Krumen
übrig waren, als er oben ankam.

Nun ging es zu Tisch, wo es große Schüsseln Suppe
und gar nicht wenig Fleisch zu genießen gab. Der Edelmann
schickte eine Magd hinauf, um Brod herunter zu holen, das
allein noch fehlte. Erschrocken kam sie mit der Nachricht
wieder, daß kein einziges Brod zu finden sei.

„Wo hast du die Brode denn hingelegt, Hans?" fragte
der Herr, „du hast sie hinaufgetragen, du mußt wissen, wo
sie sind."

Hans schlug ein gewaltiges Gelächter auf. „Ei nun,"
versetzte er, „das Brod roch so appetitlich, da Hab ich die
paar Bissen im Hinaufgehen so hinuntergeknuppert."

Dem Herrn und allen Dienstboten entsanken schier vor
Entsetzen über einen solch unmenschlichen Appetit Messer und
Gabeln, Hans jedoch ließ sich gar nicht stören. Er verschlang,
was er von Speise erreichen konnte, und während die Er-
staunten einander noch ansahen, hatte er fast alle Schüsseln
geleert. Er strich sich behaglich den Bauch, wünschte den
Andern gesegnete Mahlzeit, stand auf und legte sich auf's
Ohr, um besser verdauen zu können.

Dem Edelmanne, der jetzt sah, was für einen Finken
er gefangen hatte, war die Sache außer dem Spaße. Be-
halten konnte er solchen Vielfraß unmöglich, ohne binnen
kurzer Zeit sich selbst zu ruiniren. Zugleich merkte er, daß
Hans zu nichts zu gebrauchen sei; denn hatte er sich so recht
plumpsatt gefressen, dann rührte er keinen Finger; war er
aber einigermaßen wieder halb hungrig, so that er nur, was
ihm gefiel. Alle Drohungen verlachte er, befehlen ließ er
sich nichts und mit Härte und Strenge war dem Halbriesen
schon gar nicht beizukommen.

Ein paar Tage sah sich der Edelmann das Treiben seines
viel verbrauchenden, nur um Brod dienenden Knechtes geduldig
an, was keine leichte Aufgabe war, denn Keller, wie Speise-
und Rauchkammer wurden leer, so unmenschliche Massen ver-
schlang der Magen des nie zu sättigenden Hans. Da kündigte
ihm der Edelmann den Dienst auf mit der Bemerkung, daß
er einen solchen Fresser weder behalten könne, noch wolle.

„Geht mich nichts an," erwiderte lachend der Unver-
schämte, „ich habe Euch aus dem Moraste gezogen, dafür
müßt Ihr mich, wie wir's unter einander abgemacht, in
Euerin Brode behalten."

Genug, Hans blieb und war weder im Guten noch im
Bösen los zu werden. Je mehr der Edelmann ihn bat, desto
patziger wurde er, that nichts, aß ununterbrochen und schlief,
um gleich nach dem Erwachen wieder über das Essen herzufallen.
Herr und Diener zerbrachen sich den Kopf, was mit dem Un-
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