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Vetter Orlix.

„Nur eine einzige Bitte an die Gnade Seiner Durchlaucht
des Herzogs/'

Das Volk drängte sich jetzt neugierig in den Kreis der Sol-
daten, und vor Allem war es eine Bauersfrau, die. mit einem
riesigen Tragkorbe ans dem Rücken, trotz den Kolbenstoßen
der Musquetiere bis nahe an des Herzogs Pferd gelangte.

Der Herzog, welchem die Verzögerung des Anfangs dieses
Schauspiels, einer Strafe aus der rohesten Zeit des Kriegslebens,
auffiel, winkte dem commandirenden Offizier näher, welcher saln-
tirend dem Fürsten die Bitte des Delinquenten vortrug.

„Er soll sprechen!" rief halb unwillig, halb lächelnd der
Herzog, und von vier Mann escortirt nahte dieser demselben,
während durch das Drängen des Volkes die Bauersfrau mit
ihrem Tragkorbe dicht an die Seite des Orlix zu stehen kam.

„Was will Er noch?" rief jetzt der Herzog finster, als
Orlix mit dem reuigsten Armensündergesichte vor ihm stand.

„Nur eine Gnade! Ew. Durchlaucht! sprach dieser demü-
thig sich beugend.

„Und welche?" frug der Herzog.

„Wollen Ew. Durchlaucht mir nur gnädigst gestatten, daß
ich, ehe ich anfange zu lausen, darf den Korb dieser Bauers-
frau auf den Rücken nehmen," bat Orlix mit dem Ausdruck
der aufrichtigsten Wehmuth und legte die Hand an den Korb
der Bauersfrau, welche erschrocken darüber zwei Schritte zu-
rücktaunielte. —

Ueberrascht durch diese Dreistigkeit blickte der Herzog auf .
die Frau mit dem Korbe sowie auf Orlix und biß sich, ein
Lächeln unterdrückend, in die Lippen, aber der Prinz Leopold
brach in lautes Gelächter aus, in welches sich nicht länger hal-
tend, auch der Herzog und seine Suite einstimmte. Ohne den
Orlix weiter eines Blickes zu würdigen, ritt der Fürst mit
seinem Bruder und seinem Gefolge fort, dem commandirenden
Offizier einen Wink gebend, die Execntion aufzuheben.

Lachend commandirte der Offizier zum Abmarsch, lachend
zerbrachen die Soldaten ihre Ruthen und lachend folgten die
Coburger Bürger dem abziehenden Militair, welches Orlix
als Arrestanten nach der Hanptwache zuriickführte, und welcher
dem Anschein nach in der weh- und demüthigsten Stimmung
und Haltung von der fröhlichen Volksmenge umwogt, folgte.

Nach achttägiger Haft folgte die Begnadigung und Vetter Orlix
wurde vom Militär entlassen und mit Ausnahme der Aufsicht
über die Thurmuhr, seiner früheren Beschäftigung zurückgegcben.
Ein neues Glockenspiel kam nicht wieder auf den Eoburger
Zchloßthurm und auch Vetter Orlix hat sein neuerfnndencs
»icht vollendet, obgleich er noch lange Jahre in Coburg verlebt,
und er wie früher, wo es einen Scherz galt, nicht fehlte das
Zeinige dazu beizutragen. Was aber das Spießruthenlaufen
betrifft, so hat ein solches auch nach dem Jahre 1816 in
Eoburg nicht wieder stattgefunden.

Ed. Gottwald.

Papierschnitzeln.

Aufforderung und Fahndung. KarolinaLasch von
Scherzheim ist der vorsätzlich hilflosen Niederkunft angeschuldigt
und hat sich derselben durch die Flucht entzogen.

Sie wird deßhalb aufgefordert, sich binnen vierzehn Tagen
dahier zu stellen, widrigenfalls nach Lage der Akten gegen
sie erkannt würde.

Zugleich ersuchen wir sämmtliche Behörden, ans dieselbe !
zu fahnden und sie im Betretungsfalle hieher abzuliefern.

Ten 28. August 1852.

Großh. Bezirksamt.

- Grinius. |

Cile mit Weile. Lisette (ans der Straße). „Herr
Doktor! Herr Doktor!"

Doktor (am Fenster). „Was gicbt's jetzt mitten in der
Nacht?"

Lisette. „Sie möchten ums Himmels Willen schnell
> zu uns kommen, die gnädige Frau v. Horst ist plötzlich krank
geworden."

Doktor. „Jst's denn so schlimm?"

Lisette. „Jawohl, jawohl, Herr Doktor! Bitte, nur
schnell!"

Doktor (am Bette der Frauv. Horst, untersucht den Puls
der Kranken). „Hm! Hm! werde Ihnen etwas verschreiben,
was Sie sogleich in der Apotheke machen lassen können." (Nach-
dem er das Recept geschrieben.) „Hier gnädige Frau! morgen
früh wird's vorüber sein."

Frau v. Horst. „Schön! schön! Herr Doktor! Lisette,
nimm das Recept an dich, und wenn du morgen früh acht Uhr
auf den Markt gehst, kannst du es mit in die Apotheke nehmen."

D okor (im Abgehen). „Na, du sollst mir wieder kommen
mitten in der Nacht!"

Eisenbahn-Justiz. (Station Vohwinkel, Düsseldorf-
Elberfelderbahn. Ein Zug steht zum Abfahren bereit — viele Leute
kommen an — in einer Ecke des Waggons sitzt sehr zusammen-
gepreßt ein Herr; der Waggon ist überfüllt mit Personen, welche
etwas benebelt eingestiegen sind.) Herr N. „Aber ich bitte
meine Herren, hier ist unmöglich Platz für vierzehn Personen."

Stimme. „Ach wat, es wird sich schon machen."

Herr N. „Condukteur! wollen Sie hier Ordnung schaffen,
es sind hier vier Personen zuviel im Waggon."

Conducteur (in den Wagen sehend). „MeineHerren,
hier müssen vier heraus, es ist nur Platz für zehn."

Stimme. „Wir jehen nicht heraus, wir bleiben drinnen."

Conducteur. „Ich werde den Herrn Jnspector rufen,
der wird gleich Rath schaffen."

Jnspector (ein kleines Männchen mit Brille). „Wat
gibt es hier?"

Conducteur. „ Hier sind vier Herren zu viel im Waggon."

Jnspector. „So müssen sie heraus."

Stimme. „Wir jehen nicht heraus, wir bleiben."

Conducteur. „ Sehen SieHerrJnspector, sie wollen nicht."

Jnspector. „So bleiben sie in Teufels Namen drinn."
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