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Dürings Erle.
und beugte das Knie vor demselben. Neklan fühlte ein väter-
liches Mitleid mit dem verwaisten Kinde, und fragte, wer
Wlatislaw's getreuester Diener gewesen wäre. Da antwortete
einer aus den Umstehenden : „Das war der Wende Düring, die-
„ser ist des Wlatislaw's liebster und getreuester Diener gewesen,
„ihm hat der Herzog sein Kind anvertraut und er hat es auf-
„erzogen." Da ließ Neklan den Düring vortreten und sprach
zu ihm: „Ich bitte dich, du wollest des Wlatislaw, des Vaters
„dieses Kindes eingedenk sein, denn wie ich höre, hat er dir viel
„Gutes gethan. Deßwegen nimm diesen Knaben, den ich hie-
„mit deiner Sorgfalt übergebe, wohl in Acht, halte ihn als einen
„jungen Fürsten und sei des Kreises Postelberg Vorsteher und
„Verwalter." Düring nahm diese Ehre mit Dank an und ver-
sprach sich so zu verhalten, wie der Herzog befohlen.
Nun kehrte Neklan wieder nach dem Prager Herzogthum
zurück, wo er von seinen Wladyken freundlich und freudig em-
pfangen wurde. Und die Bergleute brachten ihm große Geschenke
, an Golde. Denn das Böhmerland gab dazumal Gold und Sil-
ber in so reicher Fülle, daß eher Mangel an Brod war als an
Golde. Bald darnach hielt der Herzog auf dem Berge Widolvle
eine Versammlung alles Volkes aus beiden Herzogthümern, um
sich über des Landes Wohlfahrt zu berathen. Und ehe man wie-
der auseinander ging, befahl der Herzog allem Volke, die Aecker
fleißig zu bauen, zu pflügen und zu säen, damit kein Mangel an
Brod entstünde, denn wegen vergangenen Krieges waren die
Aecker unbebaut liegen geblieben und das Brod theuer. Auch
befahl er, daß man in den Gold- und Silberbergwerken fleißig
bauen und dem Goldwäschen ebenfalls obliegen sollte, damit der
! Wohlstand des Landes emporblühen möge. Und die Bauern und
| Goldwäscher und die Bergleute versprachen sich so zu verhalten.
Als nun im ganzen Lande Ruhe und Frieden zurückgekehrt
war, geschah es eines Tages, daß die Fischer von Postelberg zu
Düring, ihrem Landvogte traten, und ihm sagten, wie unter dem
Eise, denn es war im Winter, an einem Orte sehr viele Fische
zusammengekommen seien. Da befahl er, daß inan Wunnen
machen und unter dem Eise fischen sollte. Aber Düring hatte
ein Böses in seinem Herzen. Er berief den jungen Herzog, der
jetzt sieben Jahre alt geworden war und den Neklan seiner Ob-
sorge empfohlen hatte, und führte ihn aufs Eis, nicht weit von
dem Orte, wo die Fischer waren; und als sie zu der Wunne
kanien, hieß er ihn da hineinsehen und sprach: „Zbislaw, liebes
Herrlein, sieh' doch, welche Menge kleiner Fischlein darin sind."
Der Knabe knieete nieder, neigte sein Haupt, um hinein zu sehen ;
da zog der Bcrräther eine Hellebarde unter dein Mantel hervor
und hieb dem Kinde den Hals entzwei. Weil er aber ihn nicht
so getroffen, daß der Kopf ganz herunter war, so schnitt er ihn
vollends mit dem Messer ab. Als die Fischer diese Greuelthat
sahen, erschracken sie, ließen Fische und Netze liegen und liefen
davon. Düring aber wickelte das Haupt des Kindes in ein
schönes Tuch, nahm dasselbe und trug es nach Prag, in der Hoff-
nung, er würde seiner ritterlichen That wegen vom Herzog Nek-
lan ein herrliches Geschenk empfangen. Und als er auf den
Wischerad kam, fand er den Herzog mit seinen Wladyken und
Aeltesten im Rathe sitzen, und er trat vor sie und fing also an
zu reden: „EhrenreicherFürst, du weißt wohl, daß oftmals ein
„Fünklein, welches im Hause verwahrloset wird, nicht allein ein
„Feuer veranlassen und das Haus verbrennen kann, ja nicht allein
„das Haus, darin es verschlossen war, sondern auch andere Häuser
„und ganze Städte. Es ist ein altes Sprichwort: Werden, Feuer
„zuvorkommcn will, der wehre, ehe es zum Dache hinausfährt.
„Diesen Funken habe ich, durch ein göttliches Eingeben, ausge-
„löscht, und zuerst dich, berühmter Fürst, und dann Euch, ihr
„Herren, mit dem Winken meiner Hellebarde vorGefahr gesichert.
„Deßhalb mögest du Fürst, als das Haupt, und ihr Herren, als
„die Glieder dieses Landes, erwägen, welche Geschenke und Ga-
„ben ich verdient habe. Ein Unverständiger möchte meine That !
„vielleicht schändlich nennen; aber ihr, alsdieWeisen, werdetdie-
„ses nicht sagen. Es ist euch wohl Allen im Gedächtniß, wie Wla-
„tislaw euch Alle ausrotten und euren Weibern statt euren Kin-
„dern junge Hunde an die Brüste legen wollte. Wenn sein Sohn
„ein männlich Alter erreicht hätte, glaubt ihr, daß er für seines
„Vaters Tod nicht Rache genommen haben würde? Aber nun-
„mehr wöget ihr das Herzogthum Soz in Frieden regieren und
„ruhig auf beiden Ohren schlafen."
Als er dies gesprochen, zog er unter seinen, Mantel das
Tuch hervor, wickelte es auf und legte das blutige Haupt des
Knaben Zbislaw auf dem Tische nieder. Ter Herzog wie alle
Wladyken entsetzten sich ob diesem empörenden Anblicke so sehr,
daß sie von ihren Sitzen auffuhren und die Blicke hinwegwen-
deten. Der Herzog aber sprach mit vorgehaltenen Händen und
abgewandtem Angesichte:
„O du Uebelthäter, nimm dein Geschenk mit dir, daß mir
„es nicht ansehen dürfen. Habe ich dir doch befohlen, daß du
„ihn in guter Hut halten und nicht tödten sollest. Ich habe dir
„deßhalb Gutes erwiesen und dich zum Landvogte des Kreises
„Postelberg gemacht. Aber ich sehe wohl, daß dem Verräther
„alle Wohlthaten zu wenig sind. Meinst du Bösewicht, daß ich
„dasselbe nicht auch hätte thun können, und wenn ich dies ge-
„wollt, so hätte ich es nicht unbillig thun mögen, als er mein
„Feind war. Aber dir gebührte es nie, deinen Herrn zu ermor-
„den. Weil du aber gchoffet, wegen dieser deiner Schandthat
„Geschenke von mir zu erhalten, so gebe ich dir aus den drei
„folgenden die Wahl: Entweder stürze dich von diesem Felsen
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Dürings Erle.
und beugte das Knie vor demselben. Neklan fühlte ein väter-
liches Mitleid mit dem verwaisten Kinde, und fragte, wer
Wlatislaw's getreuester Diener gewesen wäre. Da antwortete
einer aus den Umstehenden : „Das war der Wende Düring, die-
„ser ist des Wlatislaw's liebster und getreuester Diener gewesen,
„ihm hat der Herzog sein Kind anvertraut und er hat es auf-
„erzogen." Da ließ Neklan den Düring vortreten und sprach
zu ihm: „Ich bitte dich, du wollest des Wlatislaw, des Vaters
„dieses Kindes eingedenk sein, denn wie ich höre, hat er dir viel
„Gutes gethan. Deßwegen nimm diesen Knaben, den ich hie-
„mit deiner Sorgfalt übergebe, wohl in Acht, halte ihn als einen
„jungen Fürsten und sei des Kreises Postelberg Vorsteher und
„Verwalter." Düring nahm diese Ehre mit Dank an und ver-
sprach sich so zu verhalten, wie der Herzog befohlen.
Nun kehrte Neklan wieder nach dem Prager Herzogthum
zurück, wo er von seinen Wladyken freundlich und freudig em-
pfangen wurde. Und die Bergleute brachten ihm große Geschenke
, an Golde. Denn das Böhmerland gab dazumal Gold und Sil-
ber in so reicher Fülle, daß eher Mangel an Brod war als an
Golde. Bald darnach hielt der Herzog auf dem Berge Widolvle
eine Versammlung alles Volkes aus beiden Herzogthümern, um
sich über des Landes Wohlfahrt zu berathen. Und ehe man wie-
der auseinander ging, befahl der Herzog allem Volke, die Aecker
fleißig zu bauen, zu pflügen und zu säen, damit kein Mangel an
Brod entstünde, denn wegen vergangenen Krieges waren die
Aecker unbebaut liegen geblieben und das Brod theuer. Auch
befahl er, daß man in den Gold- und Silberbergwerken fleißig
bauen und dem Goldwäschen ebenfalls obliegen sollte, damit der
! Wohlstand des Landes emporblühen möge. Und die Bauern und
| Goldwäscher und die Bergleute versprachen sich so zu verhalten.
Als nun im ganzen Lande Ruhe und Frieden zurückgekehrt
war, geschah es eines Tages, daß die Fischer von Postelberg zu
Düring, ihrem Landvogte traten, und ihm sagten, wie unter dem
Eise, denn es war im Winter, an einem Orte sehr viele Fische
zusammengekommen seien. Da befahl er, daß inan Wunnen
machen und unter dem Eise fischen sollte. Aber Düring hatte
ein Böses in seinem Herzen. Er berief den jungen Herzog, der
jetzt sieben Jahre alt geworden war und den Neklan seiner Ob-
sorge empfohlen hatte, und führte ihn aufs Eis, nicht weit von
dem Orte, wo die Fischer waren; und als sie zu der Wunne
kanien, hieß er ihn da hineinsehen und sprach: „Zbislaw, liebes
Herrlein, sieh' doch, welche Menge kleiner Fischlein darin sind."
Der Knabe knieete nieder, neigte sein Haupt, um hinein zu sehen ;
da zog der Bcrräther eine Hellebarde unter dein Mantel hervor
und hieb dem Kinde den Hals entzwei. Weil er aber ihn nicht
so getroffen, daß der Kopf ganz herunter war, so schnitt er ihn
vollends mit dem Messer ab. Als die Fischer diese Greuelthat
sahen, erschracken sie, ließen Fische und Netze liegen und liefen
davon. Düring aber wickelte das Haupt des Kindes in ein
schönes Tuch, nahm dasselbe und trug es nach Prag, in der Hoff-
nung, er würde seiner ritterlichen That wegen vom Herzog Nek-
lan ein herrliches Geschenk empfangen. Und als er auf den
Wischerad kam, fand er den Herzog mit seinen Wladyken und
Aeltesten im Rathe sitzen, und er trat vor sie und fing also an
zu reden: „EhrenreicherFürst, du weißt wohl, daß oftmals ein
„Fünklein, welches im Hause verwahrloset wird, nicht allein ein
„Feuer veranlassen und das Haus verbrennen kann, ja nicht allein
„das Haus, darin es verschlossen war, sondern auch andere Häuser
„und ganze Städte. Es ist ein altes Sprichwort: Werden, Feuer
„zuvorkommcn will, der wehre, ehe es zum Dache hinausfährt.
„Diesen Funken habe ich, durch ein göttliches Eingeben, ausge-
„löscht, und zuerst dich, berühmter Fürst, und dann Euch, ihr
„Herren, mit dem Winken meiner Hellebarde vorGefahr gesichert.
„Deßhalb mögest du Fürst, als das Haupt, und ihr Herren, als
„die Glieder dieses Landes, erwägen, welche Geschenke und Ga-
„ben ich verdient habe. Ein Unverständiger möchte meine That !
„vielleicht schändlich nennen; aber ihr, alsdieWeisen, werdetdie-
„ses nicht sagen. Es ist euch wohl Allen im Gedächtniß, wie Wla-
„tislaw euch Alle ausrotten und euren Weibern statt euren Kin-
„dern junge Hunde an die Brüste legen wollte. Wenn sein Sohn
„ein männlich Alter erreicht hätte, glaubt ihr, daß er für seines
„Vaters Tod nicht Rache genommen haben würde? Aber nun-
„mehr wöget ihr das Herzogthum Soz in Frieden regieren und
„ruhig auf beiden Ohren schlafen."
Als er dies gesprochen, zog er unter seinen, Mantel das
Tuch hervor, wickelte es auf und legte das blutige Haupt des
Knaben Zbislaw auf dem Tische nieder. Ter Herzog wie alle
Wladyken entsetzten sich ob diesem empörenden Anblicke so sehr,
daß sie von ihren Sitzen auffuhren und die Blicke hinwegwen-
deten. Der Herzog aber sprach mit vorgehaltenen Händen und
abgewandtem Angesichte:
„O du Uebelthäter, nimm dein Geschenk mit dir, daß mir
„es nicht ansehen dürfen. Habe ich dir doch befohlen, daß du
„ihn in guter Hut halten und nicht tödten sollest. Ich habe dir
„deßhalb Gutes erwiesen und dich zum Landvogte des Kreises
„Postelberg gemacht. Aber ich sehe wohl, daß dem Verräther
„alle Wohlthaten zu wenig sind. Meinst du Bösewicht, daß ich
„dasselbe nicht auch hätte thun können, und wenn ich dies ge-
„wollt, so hätte ich es nicht unbillig thun mögen, als er mein
„Feind war. Aber dir gebührte es nie, deinen Herrn zu ermor-
„den. Weil du aber gchoffet, wegen dieser deiner Schandthat
„Geschenke von mir zu erhalten, so gebe ich dir aus den drei
„folgenden die Wahl: Entweder stürze dich von diesem Felsen
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Dürings Erle."
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 2.1846, Nr. 32, S. 59
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg